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"Weißt du, als ich klein war, hat mir jemand mal erzählt, das Leben sei ein Theaterstück, welches niemand zuvor geschrieben hätte. Ob es nun eine Komödie, Tragödie, ein Drama oder eine Romanze ist, die in diesem Theaterstück vorgetragen wird, liegt ganz beim Hauptcharakter. ...Damals hab ich diese Worte noch geglaubt. Heute weiß ich, dass ein Hauptcharakter, egal wie viel Mühe er sich auch gibt, absolut nichts erreichen kann, wenn die restlichen Mitglieder der Show von Anfang an gegen ihn sind."

Sie hielt inne, drückte seine Hand, wie, um halt zu suchen. Obwohl es seine Blutzufuhr abschnürte, ein taubes Gefühl hinterließ, schüttelte er sie nicht ab, beschwerte sich nicht.

"...Wie ich schon erwähnt habe, hatte meine Mutter eine Menge Haustiere. Eins davon, sollte später mein Vater sein. Doch der Grund warum sie so viele hatte war, dass sie sie nie lange behielt, wegen irgendeiner Nichtigkeit umbrachte. Es war nicht ihre Schuld, die Verwandlung in einen Vampir ließ sie leider nach und nach wahnsinnig werden."

Vampire waren meistens wahnsinnig, verrückt nach dem Blut und der Wärme von Menschen. Es war keine Seltenheit und entschuldigte auch nicht ihr Verhalten - also warum tat die Frau ihm plötzlich leid?

"Ist es nicht ironisch?
Für dieses Syndrom gibt es keine Heilung, und ausgerechnet die Königin aller Vampire erkrankt daran.
Mein Vater, ebenfalls nicht mehr als ein Haustier, war der erste Mann, von dem meine Mutter mehr wollte als nur angehimmelt zu werden. Kurz nach seinem Tod fand sie heraus, dass sie schwanger war, stach sich kurz darauf mit Silber in den Bauch und hätte uns Beide damit fast umgebracht."

Nein, nicht die Frau. Nagisa. Mir tut Nagisa leid.

"Doch wir überlebten, und ich kam zur Welt, als das erste Halbblut im ganzen Reich.
Mutter hatte dann anscheinend doch Interesse an einem Kind gefunden, war stolz darauf ein Mädchen geboren zu haben und verbrachte sechs Jahre lang eine schöne Zeit mit mir, die da noch keinerlei Kräfte besaß. Auch Kayano wurde in dieser Zeit geboren, sein Vater ist noch immer am Leben - glaube ich. Wenn ich diese Jahre in mein Theater einfügen würde, wäre es zweifellos der beste Akt. Die junge Königin wächst heran, vollkommen unschuldig und naiv. Du weißt, wann sich die Fähigkeiten von Vampiren erstmals bekannt machen?"

"Mit sechs Jahren."

"Und genau das taten sie bei mir eben nicht. Erstmal war meine Mutter ganz besorgt um mich, suchte alle möglichen Ärzte auf, welche sie beruhigten und meinten meine Fähigkeiten würden sicher mit 7 auftauchen, Spätzünder, vor allem bei Kindern von Gewandelten, gäbe es immer. Doch auch mit 7 Jahren, wo selbst Kayano bereits seine Kräfte hatte, blieb ich das kleine Menschenkind."

...Weinte sie? Sie sah ihn nicht an, aber ihre Stimme war gebrochen. Sie war traurig, nicht wütend. Sie sollte aufhören zu weinen.

"Daraufhin wurde ich 9 Jahre lang in einen extra für mich erbauten Schlossteil eingesperrt, durfte nicht in Unterland herumlaufen wie damals, weil ich nun als Mensch galt, als wertloses, jederzeit ersetzbares Haustier. Und ich sollte mal Königin werden!
Kayano und Rió kamen mich zu dieser Zeit oft besuchen und die "Brüder" Isogei und Maehara brachten mir immer die Mahlzeiten, bis ich 14 war und selbst kochen konnte.
Rió war damals immer so freundlich und nett, doch dann musste sie zusehen wie ihre Schwester umgebracht wurde, was auch bei ihr, nicht heilbare Narben hinterlassen hat.
Aus dem Grund bitte ich dich sie nicht zu hassen, egal wie schwer es dir auch fallen sollte. Ihre Besuche endeten dann abrupt, Kayano kam alleine, doch viel seltener. Die Jahre vergingen und das Menschenmädchen fing an nachzudenken. Über ihr Leben, ihre Zukunft und der Grund weshalb sie in diesem Käfig eingesperrt war. Doch Gedanken macht man sich manchmal wirklich zur falschen Zeit.
Ich bin an diesem Abend abgehauen, hab mich überall dort umgesehen wo ich damals war. Ich weiß es zwar nicht genau, aber heute denke ich, es war als Abschied geplant gewesen, denn als ich das Tor passierte, hatte ich nicht vor wiederzukommen. Ich bin im Wald herumgeirrt wie eine Blinde, bis ich es dann tatsächlich auf einen Menschenweg geschafft hatte. Du kannst dir das Gefühl der Freiheit gar nicht vorstellen, welches mich dort plötzlich überkam, als ich realisierte das ich endlich weg war."

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