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"Trink."

Ein Simples Wort, welches sich im totenstillen Zimmer ausdehnte, ihm selbst die Luft zum Atmen wegnahm.
Die Angst in Nagisa's Augen gab ihm Genugtuung, (sie könnte ohne weiteres aus diesem Schwitzkasten herauskommen) machte ihn gleichzeitig auch traurig.

Freunde halfen sich gegenseitig, sich zu fürchten weil sie ihm geholfen hatte, war mehr als suspekt. Er hatte nun endlich akzeptiert, dass sie ihn nicht anlog, ihn doch als Haustier sah. Und selbst wenn, wäre es wohl zu spät, um seine verbotenen Gefühle für sie zerbrechen zu lassen.

In Nagisa's Augen flackerten Lichter, sahen aus wie unverschämte Flammen.
Aber Karma hatte seit er sprechen konnte, mit dem Feuer gespielt - und niemals hatte er sich so verbrannt, dass es Spuren hätte hinterlassen können.
Sogar die Flammen selbst waren manchmal einfach ausgegangen, konnten mit den seinen nicht mithalten.

Schließlich konnte er die bedrückende Stimmung nicht weiter ertragen, brach in Gelächter aus und ließ vorsichtig sein Messer sinken. Wahrscheinlich war es das, was sie dermaßen aus dem Konzept brachte. Oder sein Blut war mit der Zeit einfach selbst für sie zu scheußlich geworden.

"Ich glaub's nicht, du widersetzt dich einfach meinem Befehl? Es hat verdammt wehgetan, mich zu schneiden, nur zur Information!"

"Ich... Entschuldigung."

Die blau Haarige hatte immer noch nicht ganz verstanden, dass er sich mit seinem Blut bei ihr bedanken wollte, gehorchte ihm jedoch nun ohne weiteres.

Nur... hätte Karma vielleicht bedenken sollen, dass Nagisa noch nie in ihrem Leben Blut von einem Menschen getrunken hatte.
Vielleicht, dachte er sich, während er in die Matratze gedrückt wurde, seine Hände fest umschlungen, hätte er ihr sagen sollen, dass er mit trinken nur das Blut gemeint hatte, was aus seiner Wunde trat. Stattdessen hielt er still, bemühte sich, seine (erneut) aufkommende Angst zu unterdrücken. Karma wusste wie sehr es wehtun würde, aber weil er nicht wissen konnte wann der Schmerz kam, der Vampirin vollkommen ausgeliefert war, versuchte sein Körper von alleine, aus der Position heraus zu kommen.

Nicht, dass Nagisa's Hände ihn hätten wegkommen lassen.
Als sie schließlich zubiss, wunderte der rot Haarige sich, warum er keine Schmerzen spürte. Er hörte ihr schlucken, spürte bald darauf den Blutverlust - er wurde ungeheuer Müde - aber der Schmerz blieb aus.
Bevor er wirklich das Bewusstsein verlor, hörte Nagisa auf, heilte seine beiden Wunden (sie hatte sein Handgelenk nicht mal angerührt. Er hatte sich völlig umsonst geschnitten!) und starrte mit ihren eisig blauen Augen auf ihn herunter.

Einen Moment sah sie tatsächlich aus wie eines dieser reinblütigen Wesen welche eine Mahlzeit abschätzig betrachteten, traurig schon aufhören zu müssen.
Als wäre er nur eine kleine fragile Existenz, zerbrechlich und schwach, wie ein Kaninchen.
Ja, sie war definitiv eine Königin.

"K-Karma? Geht es dir gut?"

"Du bist schwer, Nagisa. Geh runter von mir.", war nun wirklich nicht was er sagen wollte.
Aber als er sie kurz nach dem sie ihn losgelassen hatte, zurück auf sein Bett zog, hätte er sich endgültig umbringen können. Was zum Teufel tat er da?!
Warum zur Hölle wehrte sie sich nicht?
Sie war doch stärker, verdammt!

"Karma?"

Ach was solls. Er schlang einen Arm um sie und schloss die Augen. Wenn er aufwachte konnte er es immer noch auf die Müdigkeit schieben. Und bis dahin...
"Beweg dich nicht, ich will schlafen."

"Verstanden."

~...~

Er bereute es wirklich nicht, das Bett mit der Vampirin geteilt zu haben.
Sein Herz pochte am folgendem Abend als hätte er hunderte dieser Monster besiegt. Wahrscheinlich kam es einem Sieg gleich, einen Vampir königlichen Blutes als (Freund) Haustier zu haben.

"Karma, kommst du mit in die Stadt? Dort bekommen wir das nächste Kartenteil."

Obwohl er wirklich mit wollte, reichte allein der Gedanke, dass seine Eltern ihn zu Gesicht sehen konnten aus, um ihn zur Vernunft zu bringen.

"Ich passe. Hier ist wer, dem ich lieber nicht über den Weg laufen möchte.
Du solltest dich lieber auch von rot und rotblonden Personen fern halten, Nagisa."

"Ich kann mich um diese Personen kümmern, wenn sie dich nervös machen, es würde nicht lange dauern-"

"Denk nicht mal dran."

"Verstanden."

Leichtfüßig sprang die blau Haarige aus dem Bett, verschwand ohne weiteres aus der Tür. Karma, der nicht wusste ob er nun verlegen sein sollte, oder nicht, beschloss sich um das andere Problem zu kümmern.

Isogai zeigte ihm lächelnd den Weg zu den Zellen. Er war so gut gelaunt, dass Karma sich einen Moment Sorgen machte, er hätte sich zusammen mit der Blonden gegen ihn verschworen.

"Warum so fröhlich?"

"Das Paar aus der Wüstenstadt wurde zur Hochzeit eingeladen. Ich werde Chiba Wiedersehen."

"Und eine Menge Möglichkeiten haben ihn und seine Verlobte auseinander zu bringen?"

Als Antwort zeigte der Vampir ihm die Tür, öffnete diese.

"Hereinspaziert Karma."

Die alte Schachtel hing angekettet an der Wand, Bronze Staub säumte ihre Füße.
Doch grinsen tat sie trotzdem, sah ihn mit einer Überlegenheit an, die ihn schlichtweg einfach ankotzte.
Allerdings musste er sich noch etwas Gedulden. "Also?", fragte er während er sein Messer zog, "Hast du mir irgendwas zu sagen, Vampir?"

~...~

Die Schachtel war hart im nehmen, soviel musste Karma ihr lassen.
Und sein Zorn auf sie wurde mit jedem ihrer sarkastischen Kommentare noch ein Stück größer.

"Dir wird es noch leidtun, sie beleidigt zu haben. Und mich wütend gemacht zu haben, wirst du auch noch im nächsten Leben bereuen."

"Ach, wird es das? Ach du armer, unschuldiger Mensch, du weißt gar nicht in welches Spiel du hier mit hineingezogen wurdest.
Es wäre wirklich besser für dich gewesen, du wärst Zuhause bei deinem Bruder geblieben. Dann hättest du dem Prinzen bei seiner Krönung beiwohnen und ihm ein wenig von seiner Agonie befreien können. So aber haben die Vampire ihresgleichen geholt, ohne dass dieser die Chance hatte sich zu wehren, sein Blut und seinen Willen hergeben musste wie ein gehorsamer Hund. Viel Glück, kleiner Jäger und viel Spaß bei der Hochzeit."

Die Vampirin spuckte ihm noch ein letztes Mal grinsend vor die Füße, zerfiel dann zu Staub. Er verteilte ihn auf dem Boden, wischte nachdenklich mit seinem Fuß hindurch.
Gakkushú war von Vampiren verschleppt worden?
Das konnte nie und nimmer geschehen, er war immerhin stark genug um sich gegen hunderte dieser Viecher zu behaupten!
Wenn er in bester Form war. Was er nicht gewesen war, schon seit ihre Eltern weg waren.

"Leckerbissen."

"Sein Blut und seinen Willen hergeben musste, wie ein gehorsamer Hund."

Diamanten, die auf etwas noch stärkeres hindeuteten, ein Vampir erster Generation.

"Leckerbissen."

"Hat sie...?"

"Nein."

Da war etwas, dass er nicht richtig verstand. Als hätte er eine Erkenntnis erlangt, einen Entschluss gefasst. Richtig, er hatte es vorübergehend ganz vergessen, die Antworten waren da gewesen, die ganze Zeit.
Karma verließ die Zelle blutüberströmt, das Haar voller Bronzestaub, ganz außer sich vor Wut.
Auf sich selbst. Auf das Monster. Er wusste es nicht, es kümmerte ihn nicht. Sie vernebelte ihm den Verstand, hätte sich dies auch ganz anders lösen können. Doch der rot Haarige wollte es gerade nicht anders lösen, schrie den Namen lauter, als jede Anlage es hätte hinbekommen können, ließ ihn im ganzem Gebäude widerhallen, seinem Zorn Gehör verschaffend.

"Rió!"

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