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Nachdem sie das Mädchen wieder in die Freiheit gelassen hatten, (Nagisa hoffte sehr, dass ihr auf dem Weg nach Hause nichts geschah) wollten die Vampire eigentlich sofort zur Schule zurück, versuchen zu schlafen, ehe sie morgen weiter ziehen würden - die blau Haarige wollte noch etwas länger draußen bleiben, am Besten erst wieder in den Klassenraum kommen, wenn Karma schon schlief. Dann konnte sie sich zu ihm legen, ohne mit dem... dem davor konfrontiert werden zu müssen. Außerdem war er wahrscheinlich immer noch nicht gut auf Rió zu sprechen, (sie verstand es. Und jeden beliebigen Vampir hätte sie dafür selbst in Staub verwandelt) es wäre besser, wenn sie sich erst mal nicht wieder streiten würden. Kayano und Isogai waren schließlich auch dort, würden ihn im Notfall beschützen und wahrscheinlich auch bei Laune halten - dafür hatte sie den braun Haarigen schließlich in erster Linie mitgenommen. (Und weil der Weg durch die Wüstenstadt gegangen war, sie sich an die Erzählungen über seinen Freund, den Minister erinnert hatte.)

Aber das waren wirklich nicht mehr als Ausreden, machten ihr ihre roten Wangen klar, die vor Hitze gerade so glühten, die Nacht noch wärmer machten. Sie hatte Karma einfach gepackt, zu Boden gedrückt wie einen übergeschnappten Hund! Was, wenn er das als Zeichen nahm, dass sie anfing ihn zu behandeln wie ein Haustier? Sie hatte in diesem Moment tatsächlich vorgehabt sein Blut zu trinken, ohne zu fragen, oder Rücksicht zu nehmen. Sie hatte vorgehabt sein Blut vor allen anderen zu trinken - so erbärmlich, ihr Durst. Wie ein Tier, dass nicht richtig dressiert wurde, dachte, es könnte tun und lassen was es wollte.

"2800¥ bitte."

"Wir müssen nicht zahlen."

"Natürlich, eine gute Nacht noch."

Mit zwei Tüten voller Essen, (Rió hatte am Anfang vorgehabt ein rohes Hähnchen zu nehmen, meinte sie hätte gesehen, wie Karma eins aß. Sie hatte große Augen gemacht, als Nagisa ihr erklärte, dass man Fleisch und Fisch erst braten musste, bevor man es essen konnte.) verließen sie den Laden, traten raus auf die Straße. "In der Menschenwelt ist es so viel leichter, an Essen zu kommen. In Unterland würde man allein schon für die Früchte ein Vampir von zweiter Generation sein müssen, um den Händler davon zu überzeugen, eine Ausnahme beim Zahlen zu machen." Die Blonde (die beide Tüten trug, so eine Arbeit keiner Königin überlassen wollte) klang nachdenklich, fast schon traurig, erinnerte Nagisa daran, dass nicht bloß ihre Vergangenheit voller schwerer Ketten gewesen war. Sie lächelte, legte den Kopf schief. "Nach der Hochzeit kannst du gerne jederzeit in die Menschenwelt zurück, sogar dort leben, wenn du willst."

Normalerweise mussten Vampire innerhalb ihrer "Welt" leben - wer könnte dieses Gesetz ändern, wenn nicht sie?
Sie hatte mitbekommen wie Rió den Bruder von Karma angesehen hatte, hatte auch mitbekommen wie der Körper des Menschen sich angespannt hatte, als der rot Haarige drauf und dran war, ein Haufen Staub aus der Vampirin zu machen. Er hatte sich darauf vorbereitet, was zu sagen, dazwischen zu springen. Der Mensch war bereit gewesen, Rió zu beschützen.

Und, wenn sie richtig zugehört hatte, war der Mensch auch ein Halbvampir, würde bald aufhören zu altern. Wenn es so weit kam, dass die Beiden zusammen blieben - hätte sie für immer einen Grund Karma wiederzusehen, auch nachdem ihr Versprechen eingelöst war. Nagisa schüttelte den Kopf, konzentrierte sich auf die Antwort die Rió ihr gab. Sie durfte jetzt nicht über den rot Haarigen nachdenken, sonst würde sie es nie und nimmer aushalten, noch ein paar Stunden weg zu bleiben. Auch die Blonde war rot geworden, verstärkte damit ihre Vermutung (ihren Wunsch. Wenn es was gab, was sie tun konnte, würde sie es tun um zu helfen die Beiden zusammen zu bringen - oder würde Karma was dagegen haben? Er hasste Rió schließlich!) noch mehr.

"Sag sowas nicht einfach frei heraus, man hört dich noch! Außerdem liegst du daneben, (sie lag also genau richtig.) wirklich. Gakkushú-"

Ihr Mund schloss sich, als hätte ihn jemand zugeklappt, mit Süßem voll gestopft. Sie versuchte es noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis, wurde noch eine Spur roter. Nagisa lachte, hielt sich die Hand vor dem Mund. Dass ausgerechnet Rio sich benehmen würde wie ein - die Blonde ließ die Tüten fallen, biss sich einmal tief ins Handgelenk, brachte die wenigen Menschen die noch unterwegs waren dazu einen Moment inne zu halten, besorgt oder genervt drein zu schauen - ehe sie weiter gingen, als wäre nichts gewesen. In dem Punkt schien die Menschenwelt sich nicht von Unterland zu unterscheiden. "Gakkushú ist der Sohn von ihr. Er steht unter ihrer-" wieder, ihr Mund verschloss sich, ließ das frische (zu süße. Sie wollte zu Karma) Blut an ihren Lippen runter laufen. Diesmal aber schien es nicht Verlegenheit zu sein, die sie zum Schweigen brachte. "Ja, ich hab's gehört. Irina hat einen Sohn mit einem Menschen, (sie hatte den Mann sogar gesehen! Das wurde ihr erst jetzt klar... wie ein Mann mit so süßem Blut nur Karmas Vater sein konnte?) ihn aber erst Jahre lang ignoriert und dann als Blutquelle für sich eingesetzt, wobei du ihr geholfen hast." Es war schließlich nicht unüblich für Vampire der ersten Generation, (wie auch immer sie zur ersten Generation gehören konnte. Ihre Mutter hatte es abgelehnt, darüber zu sprechen.) ihre Kinder als Nahrung zu betrachten. Iruga selbst sollte dies ununterbrochen getan haben. "Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig, Rio, wirklich nicht. Irina wird Gakkushú in Ruhe lassen und sie wird auch Karma in Ruhe lassen. Sonst hole ich mir ihren Kopf." Es war schön zu hören, dass die blonde Vampirin noch am Leben war, Nagisas Herz hatte einen Moment lang wirklich vor Freude lauter geschlagen. Aber die Freude war schnell vergangen, als sie verstanden hatte, dass Sie es war, die Karma angegriffen, seinen Bruder in diesen Zustand und Rio fast umgebracht hatte. Egal ob Sie eine Freundin ihrer Mutter war, egal ob ihr Blut sich in Diamanten verwandelte als ob sie zur königlichen Familie gehörte - ihr Rang spielte keine Rolle. Riós Augen weiteten sich, das Blut tropfte zu Boden, lautlos und schnell. "Mach dir keine Sorgen, ja? Gleich nach der Hochzeit schicke ich Karma und seinen Menschen zurück, ihnen wird nichts passieren." Rió entspannte sich sofort, ließ ihre Hand sinken. "Bei solch süßen Worten habe ich wohl keine andere Wahl, als zu gehorchen. Aber bist du dir sicher, dass du Karma wieder gehen lassen willst? Bist du sicher, dass er gehen will?"

War sie sich nicht. Nicht was Karmas Meinung anging, es war sonnenklar, dass er nicht vor hatte länger als nötig bei ihr zu bleiben, zurück wollte - sie konnte es ihm nicht verübeln. Sie wusste auch, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte - sie hatte beim Entfernen des Giftes des anderen Vampirs etwas ihres eigenen dagelassen, auch wenn es seinen Kreislauf mittlerweile wieder verlassen haben müsste. Sie hatte es anfangs nicht gewollt, dennoch getan, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie wollte ihn bei sich behalten, wollte es mehr als alles andere. Aber der rot Haarige hatte ihr Leben gerettet, was mehr wog als alles was ihr grausames Herz auch begehrte. Eine Schuld, die niemals zu begleichen war, bis zum Tag an dem sie nicht mehr war. Sie würde ihn nicht zwingen bei ihr zu bleiben - sie hatte dazu kein Recht.

"Natürlich. Schließlich dient diese Reise in erster Linie nur der Unterhaltung meines Retters und Besitzers, ohne den ich tot wär."

"Und wenn er hier bleiben wollen würde?"

Für immer einen klaren Kopf zu haben, nicht im eigenen Geruch zu ersticken, klang wie ein unmöglicher Wunsch.

"Mach mir keine Hoffnungen, Rio."

Sie musste den rot Haarigen in Anderland unbedingt darum bitten, nicht ohne Grund auf einen anderen Vampiren los zu gehen - nicht, dass es sonderlich tragisch wäre, wenn doch was passierte. Die Blonde lächelte (da huschte etwas durch ihre Augen, was fast Zorn hätte sein können - aber es war sofort wieder weg, zurück gedrängt von einem ehrlichen Funkeln. "Wie du willst. Gehen wir zurück? Ich will einen hungrigen Prinzen nicht warten lassen." Es klang merkwürdig aus Riós Mund, einen Menschen mit einem solchen Titel zu versehen - sie musste sich wohl wirklich verliebt haben. Die blau Haarige seufzte, gab nach. Soviel dazu, zu warten. Sie bereute es nicht wirklich, sehnte sich nach dem rot Haarigen - dermaßen, dass es wohl schon als Besessenheit gelten musste. Sie lächelte müde, als sie schneller gingen, das menschliche Tempo bald aufgaben, durch die Nacht flogen wie verirrte Schatten. Es lag wohl in der Familie, besessen zu werden. Ob das die Strafe dafür war, dass ihre Mutter mit dem Dämonenkönig zusammen die alte Königin in den letzten Zustand gezwungen hatte? Die Diamanten von Igura waren in den Katakomben von Unterland verborgen, niemand durfte sie sehen. Dort würden sie auch für immer weiter liegen, wunderschön und von keinem gesehen.

"Nagisa!"

Kayano kam ihnen entgegen gerannt, stoppte, als er sie erreichte, völlig außer Atem und bleich, als hätte jemand sein Blut getrunken. Sein Anblick allein reichte aus um jeden Gedanken über ihre Mutter zu verlieren, den grün Haarigen an der Hand zu greifen, sie fest zu drücken - er riss sich los, schnappte weiter nach Luft. Das sollte er nicht müssen. Auch als Hybrid hatte er genug Kraft um eine Strecke wie diese mit Leichtigkeit zu bewältigen. Hätte jemand es tatsächlich gewagt, sein Blut zu-

"Bitteres Blut! Ich weiß nun, wofür bitteres Blut steht, Nagisa."

Er war völlig außer sich, taumelte, konnte gar nicht richtig stehen, wollte sich aber nicht helfen lassen, fuchtelte mit den Händen hin und her, erklärte sich. Versuchte es zumindest, doch stammelte er dermaßen, dass sie in ihrer Sorge um ihn rein gar nichts verstand. Es endete damit, dass sie ihn packte, ihr Handgelenk in seinen Mund brachte, (sie konnte Rió zischen, die Luft anhalten hören. Königliches Blut war schließlich unmöglich zu widerstehen. Es tat ihr leid.) ihn trinken, zur Ruhe kommen ließ. Der Hauch von Farbe kehrte in sein Gesicht zurück, mit geweiteten Pupillen trank er, Schluck für Schluck. Er sah zu Boden als sie sich löste, murmelte eine Entschuldigung nach der anderen. Sie ging nicht darauf ein, fragte langsam nochmal nach Karma.

"Wofür steht bitteres Blut? Hat dich wer angegriffen, Kayano?"

Isogai? Er war nicht so dumm - und er hatte schon so viel bessere Gelegenheiten dafür gehabt - war der Vampir in Gakkushú erwacht? Hatte nach dem süßesten Blut im Raum gesucht, den anderen angefallen in seinem Durst? Das würde - nicht zu verzeihen sein, aber ihr Blut müsste ausreichen um ein solches Handeln zu vergessen. Schließlich konnte sie Karmas Bruder (Irinas Sohn!) nicht einfach... der grün Haarige schüttelte den Kopf, sah sie wieder an, bekam sich endlich zusammen.

"Ich wurde nicht angegriffen, Nagisa, wirklich nicht. Und ich weiß jetzt, von wo bitteres Blut kommt, wofür es steht. Verräterblut. Die einzige bittere Blutlinie, die existiert ist die des Verräters."

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