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Die Stadt hier auf der schönsten Insel der Welt war wirklich ein prächtiger Ort, fand Nagisa.

Es gab so unzählige Dinge hier zu entdecken, jeder lächelte und alles wirkte friedlich. Vielleicht etwas zu friedlich, hätte Karma bestimmt gemeint. Wahrscheinlich hätte er dabei ihre Hand gehalten und sich mit der Blonden neben ihm gestritten.

Nicht, dass sie das wollte, die blau Haarige hätte alles dafür geben, dass ihre erste Freundin und ihr Lebensretter und einziger Menschen-Freund, sich vertragen würden - zumindest nicht jede Minute gefährdet wären einander an die Kehle zu springen.
Rió hatte sich inzwischen umgezogen, die Blut befleckte Hose (wie war es dazu gekommen? War die Wunde nicht schon längst verheilt?) gegen ein einfaches Kleid ausgetauscht und sich bereits ihr heutiges Abendessen angeschleppt, welches sie an der Hand hinter sich her zog.

"Ich hab es dir doch schon erklärt Nagisa, es war bloß eine ziemlich dreiste Katze, nichts weiter.
Und es war für dich, deshalb ist es in Ordnung."

Der Junge blickte ziemlich wütend drein, was wirklich ungewöhnlich war.
Normalerweise sorgte die Blonde immer dafür, ihr Opfer im vornherein zu manipulieren, zumindest zu verführen. Sie meinte, es wäre viel schlauer als gleich an Ort und Stelle Blut zu trinken, oder durch Todesangst ungewolltes Adrenalin ins Essen zu bringen. Nagisa verstand es nicht, wollte es auch nicht verstehen.
Sie hatte erst einmal in ihrem gesamten Leben direkt von einem Menschen getrunken - und das war heute.
Die Angst, die Karma in diesem Moment verspürt hatte, der bittersüße Geschmack der sich daraus ergab -
Er hatte ihr gefallen.

Hatte sie berauscht und dazu gebracht ihren Freund als nichts höheres als eine Mahlzeit zu betrachten. (Und sie schämte sich abgrundtief dafür. Trotzdem wollte sie mehr.)

Sie erhielten das dritte Kartenstück, erkundeten die Stadt ein wenig.
Tatsächlich rannten sie einmal fast in ein rothaariges Pärchen hinein, gerade Rechtzeitig schafften Sie es abzubiegen.
Karma hatte ihr verboten, mit solchen Personen in Kontakt zu geraten, sie würde eher ihr frisch erworbenes Kartenstück aufgeben, als dieses Gebot zu brechen.
Nur - schien der Mann ihnen die ganze Zeit unnachgiebig zu folgen, holte immer weiter auf.

"Nagisa, er nervt! Halt den hier mal kurz, ich kümmere mich darum."

"Du wirst nichts der Gleichen tun, das ist ein Befehl!"

Nun wo sie sich des Jungen etwas genauer besah, meinte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Mann zu erkennen.
Natürlich, Rió hatte sich den Sohn des Pärchens als Abendessen ausgesucht, und wurde erwischt.

"Gib dem Vater sein Kind zurück Rió, ich will keinen Ärger."

"Aber aber! Nach dem ich den ganzen Tag lang Karma's widerlich bitteren Geruch aushalten musste, brauche ich was süßes!"

Die Blonde wirkte so verzweifelt, dass es Nagisa fast schon schwer fiel den Kopf zu schütteln. Andererseits hatte Rió immer schon einen Hang zur Dramatik gehabt.

"Er hat es verboten. Außerdem sieht dieser Junge ihm viel zu ähnlich. Wenn wir hier ausversehen einem Familienangehörigen etwas antun, würde er mir nicht mehr vertrauen.
Versteh mich bitte, Rió, er vertraut mir endlich! Mir, einem halbblütigen Monster!"

Der Junge, welcher sie bis jetzt nur wütend angestarrt hatte (lief da neben ihm nicht...?) zuckte bei den letzten zwei Wörtern leicht zusammen, riss seine violetten Augen auf.
Knurrend ließ Rió seine Hand los.

"Ach verdammt! Mach doch was du willst Prinzessin!
Was dich betrifft, Gakkushú, genieß die Freiheit."

"Bringt mich auf der Stelle zu meinem Stiefbruder, Nagisa."

...Was?

~...~

Als er sah wie sich ihre Verwunderung langsam in pure Verzweiflung umwandelte, tat es ihm beinahe leid.
"Nein. Ach komm schon, dass kann nicht war sein! Nein..."
Natürlich war es ein Risiko gewesen der Prinzessin seine Identität zu verraten (am Blick den Rio ihm zuwarf würde das garantiert noch folgen haben) aber Momentan wollte er einfach bloß weg von seinem Vater. Da die Blonde ihn später eh wieder aufgeschnappt hätte, konnte er sich das Gespräch auch gleich sparen.
Nagisa schien sich langsam wieder einzukriegen, neigte höflich ihren Kopf zur Begrüßung.

"Wenn dies dein Wunsch ist Jäger werde ich ihm nachkommen."

Sie brachte ihn raus aus der Stadt, sorgte dafür dass sich sein Vater nicht mehr nach ihm umsah (wie auch immer das möglich war) und verhielt sich, ganz allgemein genommen, wie sein persönlicher Diener.
Du hast dir ja nen loyalen Hund angeschafft.
Gakkushú hatte bereits vermutet, dass die Vampirin der Grund für Karma's plötzliches Reisefieber gewesen war, nun wusste er außerdem noch warum die Prinzessin auf Reisen war, wohin es ging und warum Karma sie begleitete.
Eine Reise mit einem Wesen welches sich alles erlauben konnte und ihn obendrein praktisch vergötterte, im Austausch gegen die Schulden die ihn und seine Familie sonst nach und nach ins Verderben ziehen würden?
Nur ein völliger Vollidiot würde dieses Angebot abschlagen.

"Hey Nagisa. Dein Haustier ruft nach mir und wirkt als wolle es mich diesmal wirklich in Gold verwandeln."

Rió wirkte ruhig, schien die Drohung seines Bruders nicht erst zu nehmen.
Nagisa seufzte, wieß sie mit einer Handbewegung in die Freiheit.

"Sei gen Abend zurück. Ich werde mich später um dich kümmern Rió."

Und ohne weiteres war seine Beobachterin verschwunden.
Nicht ohne ihm noch eine letzte Warnung zukommen zu lassen. Er gab sich die beste Mühe, das Brennen auf seinem Handgelenk zu ignorieren, auch als es stärker wurde. Er würde nicht in die Knie gehen, nicht vor ihr. Nicht vor dem Abbild dieses Ungeheuers.
Itona miaute einmal, brachte seine Aufmerksamkeit zurück ins jetzt und ließ ihn seinen Hunger ein weiteres Mal spüren. Er verdankte es wohl einzig seiner "Erziehung", noch keinen Menschen angefallen zu haben.
Außerdem machte die blau Haarige es auch nicht besser, verströmte einen so süßen Duft, dass ihm das Wasser im Mund zusammen lief.

"Wir sind da. Laut seinem Ruf, befindet sich Karma noch bei den Zellen im Keller. Ich werde dich in der nächsten Sekunde zu ihm bringen, wenn du die Güte hättest mir deine Hand zu geben."

Sie streckte ihm ihre winzige Hand entgegen. Er merkte wie sich die Katze in sein Hosenbein krallte, seufzte.
Hatte er denn wirklich eine andere Wahl?

~...~

Natürlich antwortete das blonde Miststück nicht, obgleich Karma schwören konnte, dass sie ihn gehört hatte.
Er wollte ein weiteres Mal rufen, noch Lauter, wollte sie zwingen herauszukommen.
Stattdessen tauchten wie aus dem Nichts, Nagisa und... Gakkushú auf.

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