Die Entscheidung

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  Emmas Atmung beschleunigte sich. Die Worte, die sie vor wenigen Sekunden gehört hatte hallten in ihrem Kopf wieder. Sie versuchte mit all ihren Kräften ihre Maske aufrecht zu erhalten, doch gelang es ihr nicht mehr. Ihre Brust schien sich zu verengen und mit jedem Atemzug, den sie tat, schien sie weniger Sauerstoff aufnehmen zu können.
Das durfte alles nicht wahr sein. Wie hatte er das nur herausgefunden? Niemand wusste davon. Was würde Dumbledore wohl mit der Nichte des schrecklichsten schwarzen Magier der Welt tun? Würde er denken, dass Emma gefährlich war?
„Beruhigen Sie sich, Miss Cort", sagte der Professor mit seiner ruhigen Stimme, doch dies sorgte nur dafür, dass sich Emmas Brust noch mehr verengte und ihre Hände zu zittern anfingen.
Was wenn er im Recht lag? Vielleicht war sie gefährlich. Nicht jetzt, aber in wenigen Jahren. Die Barriere, die Emma aufgebaut hatte, um den Gedanken daran, dass sie mit Voldemort verwandt war, zu verbannen, riss ein. In dem Moment, in dem Dumbledore es ausgesprochen hatte wurde es nur noch realer. Emma wollte es einfach nur vergessen. Sie wollte keine Verbindung zu jemanden haben, der zu schreckliche Dinge gemacht hatte und immer noch machte.
Emma konnte sehen, dass der Schulleiter seinen Zauberstab zog und schloss die Augen. Vielleicht wäre es ja das Beste, wenn Dumbledore jetzt alles beenden würde. Wenn er dachte, dass sie eine Gefahr für die Welt darstellte, dann musste da doch etwas Wahres dran sein. Immerhin war er der wohl klügste Zauberer, den es gab. Doch Emma spürte keinen Fluch. Das einzige, was sie spürte war der Widerstand gegen den sie zu atmen schien.
„Trinken Sie das, Miss Cort."
Schlagartig öffnete Emma die Augen und sah, dass Professor Dumbledore ihr eine kleine Phiole mit einer hellblauen Flüssigkeit hinhielt. War das Gift?
„Es ist ein Beruhigungstrank. Es wird Ihnen danach besser gehen." Erst jetzt vernahm Emma die Sorge in der Stimme des Schulleiters. Sie ergriff das kleine Fläschchen und öffnete es mit zittrigen Händen. Schnell schluckte die die Flüssigkeit hinunter.
Die Wirkung setzte beinahe sofort ein. Das Zittern hörte auf und die Enge in Emmas Brust löste sich. Endlich bekam die Slytherin wieder Luft. Sie atmete einige Male tief ein, bevor sie es sich traute den Schulleiter anzublicken. Seine Augen ruhten auf ihr und auch sie waren voller Sorge.
Jetzt, wo sie sich beruhigt hatte, schämte Emma sich für ihren Ausbruch. Er ließ sie schwach aussehen und das wollte sie nicht. Aber es war einfach zu viel gewesen.
„Besser?", fragte Dumbledore nach einiger Zeit.
Emma nickte.
„Das ist gut. Sie müssen wissen, dass ich nicht die Absicht hatte, Sie in eine solche Lage zu bringen. Ich kann mir nur vorstellen, wie schwer es für Sie sein müssen mit diesem Wissen zu leben."
„Glauben Sie, dass ich so werde wie er?" Ihre Frage war kaum mehr als ein Flüstern. Es war eine Frage, die sie seit dem gestrigen Abend quälte. Eine Frage, dessen Antwort sie vielleicht gar nicht wissen wollte.
Zu ihrer Überraschung sah Emma, dass sich die Mundwinkel von Dumbledore ein wenig nach oben zogen,
„Nein, meine Liebe. Ich bin mir sicher, dass Sie nicht so sind oder so werden wie Voldemort."
Die Worte des Schulleiters waren wie Balsam auf einer Wunde für Emma. Eine schwere Last fiel von ihr ab.
„Wie können Sie sich so sicher sein?"
„Ich kenne Voldemort schon eine lange Zeit. Und ich habe schon viel von Ihnen gehört. Viele Dinge, die mich zu dem Schluss kommen lassen, dass Sie sich wirklich um ihre Mitmenschen sorgen. Eine Eigenschaft, die Voldemort nie hatte. Es gibt sicherlich ein paar Parallelen. Ihr Talent zu Lügen ist sicherlich eines davon. Doch schon ihre Angst davor so zu werden, wie er es ist, zeigt mir, dass Sie in ihrem Kern ganz anders sind als er."
Emma nickte einmal kurz. Dumbledore hielt sie also nicht für eine schlechte Person. Das war gut. Doch das warf eine neue Frage für Emma auf. Wenn der Schulleiter sie nicht als Gefahr einstufte, weshalb hatte er sie dann hergebeten?
„Professor, weshalb bin ich hier? Und wie haben sie davon erfahren?"
Emma konnte sehen, dass das Lächeln aus dem Gesicht des Schulleiters verschwand und dieses wieder ernst wurde.
„Leider habe ich schlechte Nachrichten für Sie. Ich weiß nicht, wie Sie es gestern herausgefunden haben, aber irgendetwas, was Sie getan haben, hat dafür gesorgt, dass nicht nur Sie von ihrer Verwandtschaft wissen. Aus einer sicheren Quelle weiß ich, dass nun auch Lord Voldemort von Ihnen weiß.."
Emmas Körper versteifte sich. Alles in ihr wurde zu Stein. Eine Erinnerung blitze in ihren Gedanken auf. Eine Warnung, die sie vor so vielen Wochen gelesen hatte. ‚ Es kann zu gravierenden Nebenwirkungen kommen. So kann es beispielsweise sein, dass Blutsverwandte bis zum zweiten Grad ebenfalls Einsicht in die Erinnerungen und Gedanken bekommen.' Wie hatte sie das nur vergessen können? Es war so dumm von ihr gewesen den Trank zu brauen. Ihr hätte klar sein müssen, dass sie sich damit auch in Gefahr bringen könnte. Sie hätte sich nicht von ihrer Neugierde blenden lassen sollen. Und jetzt wusste Voldemort alles.
„Ich...Was...Was wird er tun?"
In Dumbledores Augen trat ein Schleier von Trauer. Emma biss sich auf die Lippen. In ihrem Inneren wusste sie schon, wie die Antwort des Schulleiters ausfallen würde.
„Ich nehme an, dass er nach Ihnen suchen lassen wird. Im Moment weiß er noch nicht, wer genau Sie sind. Er weiß nur, dass er eine Nichte hat und wie alt diese sein muss. Doch ich denke, dass es nicht lange dauern wird bis ihm klar wird, dass nur Sie diese Nichte sein können. Sie sind eine Slytherin, die offensichtlich adoptiert wurde. Niemand anderes kommt in Frage. Sicher wird er einen weiteren seiner Blutlinie kennen lernen wollen. Doch ich denke nicht, dass er einen Wert auf Verwandtschaft legt. Wenn er sieht, dass Sie seine Ideen nicht teilen, dann denke ich wird er versuchen euch zu töten. Er wird es nicht riskieren, dass jemand von einer mächtigen Blutlinie sich gegen ihn stellt."
Mit nichts anderem hatte Emma gerechnet. Alles in ihr zerbrach. All ihre Hoffnungen starben. So wie selbst es bald tun würde. Eine Leere füllte ihr Inneres. Ein schwarzes Loch fraß einfach all ihre Gedanken auf.
„Ich bin also schon so gut wie Tod"; stellte sie fest und starrte ins Nichts. In ihrem Kopf verstand sie, was diese Worte bedeuteten, doch sie erreichten sie einfach nicht. Wie sollte man auch mit diesem Wissen umgehen?
„Lord Voldemort wird alles daran setzen Sie zu töten, wenn er denkt, dass Sie sich gegen ihn stellen." Dumbledore machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Deshalb halte ich es für das Beste, wenn er denkt, dass Sie auf seiner Seite stehen."
Emmas Blick schnellte zu dem Professor. Sie konnte noch nicht glauben, was der Schulleiter gerade gesagt hatte.
„Aber ich bin nicht auf seiner Seite. Das könnte ich nie sein." Schnell schüttelte sie den Kopf. Wenn sie wählen müsste, ob sie für die dunkle Seite kämpfte oder starb, dann würde sie letzteres Wählen.
„Das weiß ich. Aber er muss das nicht wissen. Es ist mir bewusst, dass ich viel von Ihnen verlangen werde, aber ich denke, dass wir diese Situation nutzen können, um Lord Voldemort zu schwächen."
Emma blinzelte. Sie konnte nicht genau verstehen, worauf der Professor hinaus wollte.
„Ihn schwächen?"
„Sie müssen Voldemorts Vertrauen gewinnen. Wenn er denkt, dass Sie ihn ergeben sind, dann denke ich wird er wollen, dass sie zu seinem engsten Kreis gehören. Er wird Ihr Blut für wertvoll genug einschätzen, um Ihnen diesen Platz zu geben. Sie können ihn von innen heraus schwächen. Das wäre vielleicht ein entscheidender Schritt dazu ihn zu vernichten."
Emma musste schwer schlucken, als sie die Worte des Professors vernahm. Er wollte, dass sie eine Spionin bei Voldemort wurde.
„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, Professor. Er wird es merken. Er wird merken, dass ich ihm nur etwas vorspiele."
„Wenn ich einen anderen Weg wüsste, dann würde ich Sie nicht darum bitten, Miss Cort. Aber sollten Sie es nicht versuchen, dann wird er sie mit Sicherheit töten." Wieder hielt der Professor kurz inne, bevor er weiter sprach. „Dies ist der einzige Weg, um sicherzustellen, dass Sie keine Zielscheibe für ihn werden. Sie und die Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Und Sie würden Harry den entscheidenden Vorteil geben, den er braucht, um den Krieg zu überleben."
Als der Professor Harry Namen erwähnte, horchte Emma auf.
„Wie soll ich das schaffen?"
„Sie können zum Beispiel wichtige Informationen sammeln, die uns weiterhelfen könnten. Glauben Sie mir, dass es sehr hilfreich wäre, wenn jemand wie Sie das Vertrauen von Voldemort bekommt. Zu gegebener Zeit kann ich Ihnen noch mehr dazu sagen, doch für heute ist nur dies wichtig."
Emma schluckte. Sie wusste, dass Dumbledore recht hatte. Wenn sie es schaffte in den innersten Kreis von Voldemort zu kommen, dann würde sie viel erfahren, was Harry später helfen könnte den Kampf zu gewinnen. Wenn man der Prophezeiung Glauben schenkte, dann würde entweder Voldemort oder Harry überleben und sie könnte dazu beitragen, dass die richtige Seite gewinnen würde.
Wenn Voldemort vernichtet war, dann müssten nicht mehr so viele unschuldige Menschen sterben. Auch wenn es ihr eine Angst machte, so wusste Emma, dass sie es versuchen musste.
„Ich werde es tun", sagte sie. Die Worte auszusprechen festigte ihre Entscheidung. Sie hatte die Möglichkeit etwas Gutes zu tun. Es war ihr möglich, die Last, die auf Harrys Schultern lastete zumindest teilweise zu nehmen. Sie hatte sich schon damals vorgenommen alles zu tun, damit Harry und all ihre anderen Freunde diesen Kampf überlebten und nun war die Zeit gekommen ihren Worten Taten folgen zu lassen.
„Sie verstehen, was das bedeuten wird?"
Für einen Moment war es still und dann nickte Emma langsam.
„Ich werde alles tun müssen, damit Voldemort mir glaubt. Er wird zunächst sicherlich skeptisch sein." Emma musste tief Luft holen, bevor sie die nächsten Worte sprach. „Er wird Beweise haben wollen."
Dumbledore nickte.
„Voldemort wird Dinge von Ihnen verlangen, die von schrecklicher Natur sind. Ich könnte verstehen, wenn sie..."
„Nein", unterbrach Emma den Schulleiter. „Egal was er verlangt, ich werde es tun. Ich werde es schaffen, Sir. Egal wie schwer es sein wird."
Mit traurigen Augen nickte Dumbledore.
„Es tut mir wirklich Leid, dass Sie in eine solche Situation gekommen sind."
Emma nickte. Sie wusste, dass es schwer werden würde, aber davon durfte sie sich nicht aufhalten lassen.
„Es ist für das größere Wohl." Als Emma diese Worte sprach, konnte sie sehen, wie sich Dumbledores Gesicht, nur für den Bruchteil einer Sekunde, vor Schmerz verzerrte.

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Was denkt ihr von Dumbledores Plan Emma zur Spionin zu machen? Was für Auswirkungen wird das wohl auf Emma haben?


Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und würde mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung zu diesem schreibt.
Das nächste Kapitel heißt 'Malfoy Manor'.  

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