Ein Teil des Plans (2)

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Der Weg zu dem Büro des Schulleiters kam Emma noch nie so lang vor, wie an diesem Tag. Das Gespräch mit Hermine hallte ihr immer noch im Kopf. Sie wusste, dass die Gryffindor sich nicht mehr mit ihren Halbwahrheiten oder Lügen zufrieden geben würde. Hermine würde nach einer Antwort suchen. Und sie konnte in dieser Hinsicht ziemlich stur sein. Verzweifelt stöhnte Emma auf. Mit ihrer Hand fuhr sie sich durch die braunen Haare. Wie lange würde es ihr noch gelingen ihr Schauspiel aufrecht zu halten?

In diesem Moment wünschte sie sich Draco an ihre Seite. Er war der einzige, den sie um Rat bitten könnte. Doch wenn sie ehrlich war, wusste sie schon, was der blonde Junge sagen würde. Sie konnten niemanden von ihrem Geheimnis erzählen. Was, wenn Hermine jemanden erzählen würde, was Emma machte? Was, wenn sie es Harry erzählte? Eine leise Stimme in Emmas Kopf sagte ihr, dass Hermine so etwas niemals machen würde. Sie würde sie nicht hintergehen. Doch was, wenn diese Stimme falsch war?

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Emma endlich beim Büro des Schulleiters an. Leise murmelte sie das Passwort, woraufhin die großen Wasserspeier, die das Büro bewachten, den Eingang freigaben. Die steinerne Wendeltreppe war nun zu sehen. Bevor Emma auf diese zuging, versuchte sie jeden Gedanken an Hermine aus ihrem Kopf zu verbannen. Damit musste sie sich später beschäftigen. Ihre Beine waren ungewöhnlich schwer, doch trotzdem befahl sie ihnen jede einzelne Stufe zu erklimmen, bis sie schließlich vor der großen hölzernen Tür stand.

Automatisch hob das Mädchen ihre Hand und das Klopfen erfüllte das kleine Treppenhaus. Mit gemischten Gefühlen wartete sie darauf, dass der Schulleiter sie hereinbat. Emma rief sich in Erinnerung, dass Dumbledore nicht wissen sollte, wie schlecht es ihr wirklich ging. Immer noch schlug ihr Herz zu schnell gegen ihre Brust. Man konnte beinahe das Pochen hören. Auf ihren Händen hatte sich ein dünner Schweißfilm gebildet.

„Herein", rief eine Stimme und sofort öffnete Emma die Tür. Sie trat in den kreisrunden Raum. Nur wenige Meter von der Tür entfernt, hockte ein wunderschöner Vogel auf einer vergoldeten Stange. Seine Federn waren von einem lodernden Rot. Für einen kurzen Moment war Emma ganz verzaubert von diesem Anblick, dann zwang sie sich aber dazu nach vorne zu sehen. Zu dem großen Schreibtisch, auf dem mehrere Stapel Pergament lagen und hinter dem ihr Schulleiter saß. Er lächelte sie müde an und deutete mit seiner schwarz verfärbten Hand auf einen Stuhl gegenüber dem seinem.

Obwohl Emma nun schon öftere Male die abgestorbene Hand gesehen hatte, stockte ihr der Atem bei dem Anblick. Wie konnte soetwas nur passieren? Von ihrem Vater wusste sie, dass es bei Muggeln durchaus vorkam, dass Gliedmaßen abstarben. Vor allem bei älteren Menschen mit einer schlechten Durchblutung. Doch dann war doch zumeist der Fuß betroffen und nicht die Hand.

Emma konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass der Professor von dieser Muggelerkrankung betroffen war. Eigentlich konnte es nur eine magische Ursache geben. Vielleicht ein Fluch. Doch wer war mächtig genug, um Albus Dumbledore einen solchen Fluch aufzuhalsen? Nur ein Name schoss Emma in den Kopf. Voldemort. Aber man hätte doch gewiss davon gehört, wenn der Professor sich mit Voldemort duelliert hätte, oder nicht?

„Schön, dass Sie kommen konnten, Miss Cort. Bitte, setzen Sie sich." Mit seiner gesunden Hand deutete der Professor auf den storchbeinigen Stuhl gegenüber den seinem. Emma wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie blinzelte einige Male, um wieder in das Hier und Jetzt zurückzukehren und die Vermutungen über Dumbledores tote Hand loszuwerden.

Das Mädchen zwang sich zu einem Lächeln und ging mit großen Schritten in Richtung des Schreibtisches. Sie setzte sich auf den Stuhl und sah den Professor direkt in seine eisblauen Augen. Emma spürte, wie die Nervosität in ihr immer größer wurde. Angestrengt versuchte sie nicht mit ihren Händen zu spielen.

„Sie wollten etwas besprechen?", fragte Emma und faltete ihre Hände auf ihrem Schoß. Sie achtete darauf regelmäßig zu atmen. Dumbledores blaue Augen schienen sie nun zu röntgen. Es war beinahe so, als würde er sie durchleuchten. Als würde er ihre Gedanken sehen können. Emma stockte der Atem, als ihr die Bedeutung dieser Überlegung bewusst wurde. Sofort riss sie ihre Okklumentik-Mauern hoch. Sie wollte nicht, dass irgendjemand in ihren Kopf sehen konnte. Und wenn sie sich nicht komplett irrte, dann hatte der Professor gerade genau dies versucht.

Alles wird anders - Geheimnisse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt