Der erfüllte Auftrag

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Seit einer gefühlten Ewigkeit starrte Emma auf das schwere Stück Pergament in ihren Händen. Sie versuchte sich dazu zu bringen ihn zusammenzufalten, doch schaffte es einfach nicht. Noch nie war es ihr so schwer gefallen etwas abzuschicken. Schon beim Schreiben des Briefes war ihr übel geworden. Mit jedem neuen Wort hatte sie sich schlechter gefühlt. Dieser kleine Zettel in ihrer Hand war der Beweis dafür, dass nichts was sie in der letzten Woche getan hatte echt war. Beinahe jeden Tag hatte sie sich die Frage gestellt, ob sie auch so gehandelt hätte, wenn sie Voldemort nie begegnet wäre.

Die Antwort auf diese Frage – das musste sie leider zugeben – war nein. Wenn sie Voldemort nicht begegnet wäre, dann hätte sie sich mehr Zeit gelassen.

Emma wollte die Momente genießen. Sie wollte glücklich sein. Doch ein Teil von ihr schrie sie immer an, dass sie eine Verräterin war. Es fing schon bei ihrem ersten richtigen Date mit Harry an. Es war nichts besonders. Sie hatten sich am See getroffen. Am Anfang war die Stimmung zwischen ihnen sehr angespannt gewesen. Emma hatte den Gedanken daran nicht abschütteln können, dass sie jedes ihrer Worte genau abwägen musste. Die Angst, dass Harry wieder etwas sagen oder machen würde, was sie verletzen würde, hatte sie die ganze Zeit über begleitet. Zu ihrer Erleichterung hatte er sie nicht verletzt. Tatsächlich hatten sie einen schönen Nachmittag miteinander verbracht. Es war beinahe so gewesen, als wären die letzten Monate nie passiert. Für einen Augenblick hatte Emma sogar vergessen, was sie in der letzten Zeit durchgestanden hatte.

Doch am Abend hatte sie ihr schlechtes Gewissen eingeholt und sie hatte sich schrecklich gefühlt. Sie wollte Harry nichts vorspielen, aber ein Teil von ihr – der Teil, der Harry immer noch nicht vergeben konnte – sagte ihr, dass sie keine Zeit mit ihm verbracht hätte, wenn sie ihren Auftrag nicht gehabt hätte.

Harry und sie hatten sich seitdem jeden Tag gesehen. Und mit jedem Tag, den sie sich gesehen hatten, fühlte sich Emma ein Stück wohler. Aber das ungute Gefühl konnte sie nie komplett abschalten. Sie fühlte sich wie eine Betrügerin. Wie jemand, der nur schauspielert.

Es machte es auch nicht gerade besser, dass beinahe jeder Schüler in Hogwarts über sie redete. Das sich die Beziehung zwischen ihr und Harry geändert hatte, war jedem aufgefallen. Harry Potter datete ausgerechnet ein Mädchen aus dem Hause Slytheirn. Emma hasste es, dass so viel über sie geredet wurde, Harry hingegen störte es kaum. Er hatte ihr gesagt, dass er es gewöhnt war, dass die Leute über ihn redeten. Und diesmal war es etwas Gutes, was sie zu erzählen hatten.

Emma schluckte. Auch in diesem Moment hatte sie sich gefühlt, als würde sie Harry verraten. Weil sie es nicht als etwas Gutes sah. Das Gerede machte ihr nur immer wieder bewusst, dass sie nicht mit reinen Absichten in die ganze Sache gegangen war. Sie liebte Harry und sie fand es schön wieder Zeit mit ihm zu verbringen, aber es fühlte sich noch nicht echt an, sondern eher wie etwas aus einem anderen Leben.

Emmas Augen schweiften über den Brief in ihrer Hand und sie las ihn zum gefühlt hundertsten Mal durch.

Lieber Rodolphus,

ich habe getan, was mir aufgetragen wurde. Er vertraut mir. Bitte richte unserem Herrn aus, dass ich auf weitere Anweisungen warte.

Amelia

Emma wusste, dass sie diese Zeilen abschicken musste. Sie hätte es schon vor Tagen machen sollen. Sie atmete tief ein und ohne noch einmal wirklich darüber nachzudenken, was es bedeutete, wenn sie ihn wirklich wegschickte, faltete sie den Brief zusammen, gab ihn einer Eule und sah dieser dabei zu, wie sie wegflog.

Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. Mit ihrem Handrücken wischte Emma sie weg, dann drehte sie sich um und verließ die Eulerei.

Ihre Füße trugen sie beinahe wie von selbst die Treppen hinauf. Erst als sie vor dem Eingang des Gryffindor-Gemeinschaftsraums stand, bemerkte sie, dass ihre Hände zitterten. Emma schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Es war alles gut. Sie hatte es hinter sich gebracht. Langsam beruhigte sich ihr Körper und das Zittern stoppte.

Alles wird anders - Geheimnisse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt