Durchschaut

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Emma konnte ihr Herz fest gegen ihre Brust schlagen spüren. Sie atmete tief ein und aus, während ihre Füße auf ihr Ziel zusteuerten. Der Gryffindor-Tisch.

Beinahe sofort sah sie Hermines buschiges Haar. Diese unterhielt sich angeregt mit Harry, welcher ein wenig trübselig in sein Frühstück stocherte. Bei dem Anblick von ihm zogen sich Emmas Eingeweide zusammen.

Es wunderte sie immer noch, dass Liebeskummer so sehr wehtun konnte. Sie konnte sich nur zu gut daran erinnern, dass sie sich immer über die Frauen in den Filmen lächerlich gemacht hatte, deren Leben zusammenbrach, nur weil ein Mann ihre Liebe nicht erwiderte. Doch jetzt konnte sie diese Frauen verstehen. Am schlimmsten war es zu wissen, dass alle Hoffnungen, die man sich gemacht hatte, zerstört waren. Emma überlegte kurz und änderte dann ihre Meinung. Es gab noch etwas schlimmeres. Zu wissen, dass man vielleicht seinen besten Freund verloren hatte.

Emma atmete ein weiteres Mal tief ein. Sie wollte nicht wie diese Frauen sein. Sie wollte nicht, dass ihr Leben sich nur um einen Jungen drehte. Warum wollte ihr Herz das nur nicht verstehen?

Mit jedem Schritt, den sie machte schnürte sich ihre Kehle ein wenig mehr zu. Das Stechen in ihrem Herzen wurde größer. Sie versuchte es auszublenden und sich darauf zu konzentrieren, dass sie sich gleich mit zwei ihrer besten Freunde unterhalten würde.

Gleichzeitig fühlte sie noch etwas anderes. Etwas, dass ihr in der letzten Zeit unbekannt geworden war. Freude. Sie hatte ihre Freunde vermisst und wollte sie nicht länger meiden.

Erst als sie nur noch wenige Schritte von Harry und Hermine entfernt war, blickte der schwarzhaarige Junge von seinem Frühstück auf und sah Emma.

Es war als würde man einen Film im schnelldurchlauf sehen. In kürzester Zeit veränderte sich Harrys Miene mehrmals. Emma erkannte Überraschung, Freude, Verwirrung und Nervosität.

Hermine schien all dies auch aufgefallen zu sein. Sie drehte sich um und strahlte, als sie Emma sah. Schnell rückte sie ein wenig zur Seite, um Emma Platz zu machen und diese setzte sich mit einem unwohlen Gefühl im Bauch neben sie.

„Hi"; murmelte Emma so leise, dass es ein Wunder gewesen wäre, wenn einer der beiden sie verstanden hätte. Reiß dich zusammen, ermahnte sich Emma. Sie räusperte sich. „Guten Morgen", sagte sie nun mit lauter, fester Stimme.

Hermines Lächeln wurde noch größer. „Hey, Emma. Schön dich zu sehen."

Emma versuchte ihr Lächeln zu erwidern, doch sie wusste sofort, dass es ihr nicht wirklich gelang.

„Wie geht es dir?" Diese Worte schienen beinahe aus Harry herauszusprudeln. Er schien sie sogleich zu bereuen. Seine Wangen nahmen eine tomatenrote Farbe an.

Emma wusste sofort, dass sie ihm keine ehrliche Antwort geben konnte. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie sich elend fühlte. Das würde zum einen zu einer sehr unangenehmen Situation führen, zum anderen würde diese Antwort die Distanz zwischen Harry und ihr noch weiter vergrößern. Wenn Harry denken würden, dass Emma bereits über ihn hinweg war, dann würde es ihm einfacher fallen wieder ihr bester Freund zu sein. Und genau das musste sie erreichen. Sollten irgendwelche Todesser-Kinder sie beobachten, dann sollten sie denken, dass alles beim Alten war. Emma und Harry waren beste Freunde. Der Gedanke schmerzte, aber Emma wusste, dass dies das einzig richtige war. Auch wenn sie noch nicht bereit war nur Harrys beste Freundin zu sein.

„Gerade ist es etwas stressig, aber sonst...", Emma stockte kurz. „Gut." Die Slytherin merkte, dass ihre Stimme ein wenig zu hoch war und ärgerte sich ein weiteres Mal über sich selbst. Sie hatte Lord Voldemort anlügen können. Sie hatte Menschen foltern können, ohne dass ihre Gefühle ihr im Wege standen. Es konnte doch nicht sein, dass diese sie jetzt so beeinflussten. Es durfte nicht sein. Viel zu viel stand auf dem Spiel. Das Leben ihrer Freunde und ihrer Familie.

Alles wird anders - Geheimnisse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt