Nur noch eine Hülle

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  „Wirklich sehr gut." Die Worte waren kaum mehr als ein Zischen, doch für Emma hätten sie nicht deutlicher sein können. Es war als würden sie sich durch ihre Haut bohren und auf jedem Zentimeter ihres Körpers eine Eiseskäte hinterlassen. Mit seinen weißen Fingern strich Voldemort behutsam über seinen Zauberstab, während seine roten Augen auf die beiden Gefangenen gerichtet waren.
Für nur eine Sekunde folgte Emma seinen Blick und bereute es sogleich. Die Gesichter von dem Mann und der Frau, dessen Namen sie nicht einmal kannte, waren vor Angst verzehrt. Dieser Anblick war wie ein Schlag in die Magengrube. Es war ihre Schuld. Sie hatte dazu beigetragen, dass diese beiden unschuldigen Menschen nun Todesangst leiden mussten. Ohne sie hätte zumindest die Frau eine Chance gehabt zu fliehen. Emma schloss ihre Hände zu Fäusten und bohrte dabei ihre Fingernägel in ihre Handflächen. Ein beruhigender Schmerz durchzuckte dabei ihren Körper. Er machte es ihr leichter zu verdrängen, was sie gerade tat. Immer wieder redete sie gedanklich auf sich selbst ein. Sie musste diese Schuldgefühle irgendwie loswerden. Ansonsten war alles zum Scheitern verurteilt. Wenn sie weiterhin so schwach war, dann würde Voldemort ihr Spiel erkennen und das durfte sie nicht zulassen.
„Sie haben es noch geschafft die Auroren zu alarmieren", berichtete Mr. Rott, „Doch hat ihnen das nicht viel gebracht." Das Grinsen auf dem Gesicht des Mannes sorgte dafür, dass Emma sich beinahe übergeben musste. Wie konnte ein Mensch sich nur so an den Leid anderer erfreuen?
„Devan war einst einer meiner Diener, Amelia." Die kalten Augen des dunklen Lords starrten nun direkt in die von Emma. Es kostete ihr viel Mühe seinem Blick stand zu halten. Am liebsten hätte sie einfach weggeguckt. Aber sie durfte nicht schwach wirken. Mit einen seiner bleichen langen Finger deutete Voldemort auf den zitternden Mann. „Doch hat er sich dazu entschieden mir nicht mehr zu dienen."
Als sie das hörte legte sich eine eiserne Faust um ihr Herz. Der Mann hatte versucht das Richtige zu tun. Er hatte sich dazu entschieden nicht mehr an die abstrusen Ideen des dunklen Lords zu glauben. Sie hatte jemanden, der den richtigen Weg eingeschlagen hatte, verdammt.
Für einen Moment befürchtete Emma, dass sie ihre Gesichtszüge nicht mehr unter Kontrolle hatte, doch schien Voldemort dies nicht bemerkt zu haben.
„Verdammter Blutsverräter." Emma sagte diese Worte voller Abscheu. „Wie kann er es nur wagen."
„Ich bin ganz deiner Meinung. Wie dir sicher bewusst ist, kann ich ein solches Verhalten nicht dulden." Der dunkle Lord legte eine Pause ein. Sein Mund formte sich zu einem grotesken Lächeln. „Fang mit der Frau an, Amelia."
Emmas Herz stockte für einen Augenblick. Sie betete, dass sie sich diese Worte nur eingebildet hatte. Es war einfach nicht möglich. Sie konnte diese Menschen doch nicht einfach töten.
„Ich habe noch nie einen Todesfluch ausgeführt, Mylord", sagte Emma und hoffte, dass sie diese Menschen nicht töten musste.
„Ich habe doch nie gesagt, dass du sie töten sollst. Foltere sie. Wir werden sehen, wie lange sie es aushält, bis ihr Geist zusammenbricht." Ein grausames Lächeln erschien auf dem Gesicht des schwarzen Magiers. Emma rutschte das Herz in die Hose. Dieses Schicksal war mindestens genauso schlimm, wie der Tod.
„NEIN!" Die Stimme des Mannes ließ Emma zusammen zucken. „Nicht Kate. Bitte. Nehmt mich. Sie hat nichts hiermit zu tun. Bitte."
„Sei still", schrie Emma ihn entgegen und ließ seine Stimme mit einen Schlenker ihres Zauberstabes verstummen. Es war so schon schwer genug. Wie sollte sie es nur tun, wenn sie auch noch das Flehen des Mannes hörte. Langsam richtete sie nun ihren Zauberstab auf die braunhaarige Frau. Einige Tränen stahlen sich aus ihren Augen, während sie Emma flehend ansah.
„Bitte...", bevor die Frau allerdings weiter gesprochen hatte, sprach Emma den Zauberspruch.
„Crucio." Die Frau sackte zusammen, doch schrie sie nicht. Der Zauber war zu schwach gewesen. Emma konnte den Blick des dunklen Lords auf ihr spüren. Wenn sie diese Frau nicht foltern würde, dann würde alles auffliegen. Sie musste es einfach tun. Emma schluckte. Es gab keinen Ausweg. Das alles musste passieren. Für das größere Wohl.
Sie nahm einen tiefen Atemzug und dachte, daran was für schlechte Menschen die Todesser waren. Wie viel Leid sie anderen zufügten und wie sehr sie sie hasste. Dann fokussierte sie diesen Hass. Er würde ihr helfen den Zauber auszuführen.
„Crucio", rief Emma ein weiteres Mal. Diesmal spürte sie sofort, dass der Zauber funktionierte. Das Gefühl der Macht durchströmte sie ein weiteres Mal und führte dazu, dass sie sich leichter fühlte. Ihre Sorgen wurden in einen hinteren Teil ihrer Gedanken gedrängt. Die Schulgefühle, welche sie die ganze Zeit über geplagt hatten verschwanden und mit ihnen eine große Last von ihrem ganzen Körper. Es war ihr wieder möglich tief durchzuatmen. Sie konnte sich voll und ganz auf den Zauber konzentrieren. Doch wurde sie dieses Mal nicht von dem Gefühl übermannt. Sie ließ den Zauber nicht die Kontrolle übernehmen.
Die Frau schrie auf und wand sich auf dem Boden. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und umschlungen ihren Körper. Hätte Emma die Wahl gehabt, so hätte sie den Zauber aufgehoben. Doch leider hatte sie diese nicht. Also tat sie das einzige, was sie tun konnte und verstärkte den Zauber, in der Hoffnung, dass es so schneller vorbei war.
Emma wusste nicht wie lange sie den Zauber bereits auf die Frau anwendete. Es kam ihr so vor als würde sie schon seit Stunden hier stehen und der Frau dabei zusehen, wie sie sich unter Schmerzen auf dem Boden wand. Schon seit Stunden sah sie, wie der Mann lautlos schrie. Und sie spürte die Blicke der Todesser und Lord Voldemorts auf sich ruhen.
Dann endlich veränderte sich etwas. Die Augen der Frau nahmen einen glasigen Ausdruck an. Emma konnte sehen, wie sich der Verstand der Frau auflöste. Ein letztes Mal verstärkte Emma den Zauber und hörte nur noch ein Winseln von der Frau.
Sie löste den Zauber und blickte auf ihr Opfer, welches damit begann hin und her zu wippen. Das Winseln jedoch hörte einfach nicht auf. Emma merkte, dass die Schulgefühle sich wieder in ihr ausbreiteten. Es war als würde jemand all das Blut in ihren Körper durch Steine ersetzen. Wieso konnte sie diese einfach nicht ausschalten?
„Ich habe nicht erwartet, dass es so schnell gehen würde", sagte Voldemort. Emma richtete ihren Blick nun auf den dunklen Zauberer. Ein unheimliches Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht gebildet.
„Gute Arbeit, Amelia."
„Ihr ehrt mich, Mylord." Sie deutete eine kleine Verbeugung an.
„Du hast nun gesehen, was mit den Menschen passiert, die mich betrügen, Amelia. Sei dir gewiss, solltest du mir nicht immer loyal ergeben sein, dann wird es dir noch viel schlimmer gehen, als dieser Blutsverräterin. Ich werde jeden Menschen ausfindig machen, der dir am Herzen liegt und ihn vor deinen Augen foltern. Danach werde ich sie töten. Und erst am Ende wirst du folgen."
Alles in Emma zog sich zusammen, als sie diese Worte hörte. Natürlich hatte sie schon vorher gewusst, dass man nicht einfach aufhörte ein Todesser zu sein, doch erst jetzt, wo sie es mit eigenen Augen gesehen hatte, wurde es ihr richtig bewusst. Sie durfte unter keinen Umständen zulassen, dass jemanden den sie liebte so etwas passierte. Versagen war keine Möglichkeit.
„Diese Mühe werdet Ihr euch glücklicherweise nie machen müssen, Herr. Ich werde euch nicht hintergehen."
„Ihr seid entlassen. Ich habe noch etwas mit unserem Gast zu besprechen."
Erleichtert atmete Emma auf und verließ zusammen mit den anderen Todessern den Raum. So schnell ihre Füße sie tragen konnte lief sie durch das Manor ohne wirklich ein Ziel zu haben. Sie musste es irgendwie schaffen alles zu vergessen, was an diesem Tag passiert war. Dieses schreckliche Gefühl sollte einfach nur aufhören. Es gab nur einen Ort, der sie vergessen lassen konnte. Emma änderte ihre Richtung. Erst als sie vor der Bibliothek war, normalisierte sich ihre Atmung etwas.
Ein wenig überrascht stellte sie fest, dass ein Licht in dem Raum brannte. Es musste schon nach Mitternacht sein. Wer würde so spät noch lesen wollen? Leise trat sie ein und hörte, wie die Stille von einem Schluchzen unterbrochen wurde. Sie konnte einen blonden Haarschopf sehen. Und dann wurde ihr bewusst, was sich hier gerade abspielte. Niemals hätte sie gedacht, dass sie Draco Malfoy einmal weinen sehen würde, doch genau dies tat er gerade.
„Malfoy?" Emmas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Der blonde Junge zuckte zusammen und drehte sich um, um zu sehen, wer ihn entdeckt hatte. Als Emma das Gesicht von ihm sah, durchzuckte sie das Mitleid. Er hat geschwollene rote Augen und sah so aus als würde er schon seit einiger Zeit weinen. Er sah so aus, wie sie sich fühlte.

PoV Draco

Das durfte einfach nicht wahr sein. Was hatte sie hier zu suchen? Warum war sie nicht in ihrem verdammten Zimmer und schlief?
„Verzieh dich, Cort!" Ich versuchte mit Abneigung in der Stimme zu sprechen, doch war meine Stimme viel zu brüchig, als das mir dies hätte gelingen können. Sie sollte einfach nur weg. Niemand sollte mich so sehen.
„Was ist passiert?" Ihre Augen waren voller Sorge als sie mich anblickte.
„Bist du taub? Verschwinde!" Etwas in mir, wusste, dass Cort nicht auf mich hören würde. Und natürlich lag ich richtig. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie sie näher auf mich zukam.
„Kannst du nicht einmal damit aufhören ein Arsch zu sein, Malfoy?"
„Wenn ich dich nicht sehen muss, dann würde es mir schon viel leichter fallen", zischte ich.
„Ich wollte nur helfen", sagte sie und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. „Aber so lasse ich mich gewiss nicht behandeln." Ich konnte sehen, wie sie sich umdrehte. Gut so. Ich wollte jetzt mit niemanden reden. Es konnte mir sowieso keiner helfen. Noch immer hatte ich keine Lösung, um das Verschwindekarbintett zu reparieren. Keines dieser Bücher hatte mir bisher eine Antwort geben können.
Cort war schon beinahe an der Tür angekommen, als sie stockte und sich wieder umdrehte. Ich konnte nicht anders als zu stöhnen. Was war so schwer an dem Wort ‚Verschwinde' zu verstehen.
„Ich musste heute eine Frau foltern, weil ein Freund von ihr kein Todesser mehr ist." Ich konnte hören, wie Trauer in ihrer Stimme mitschwang. In letzter Zeit hatte sie ihre Gefühle gut unter Kontrolle gehabt, doch war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie diese nicht mehr zurückhalten konnte. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich ihr abgenommen, dass sie wirklich die Seiten gewechselt hatte. Obwohl sie ziemlich überzeugend war. Doch ich kannte sie viel zu lange, als dass ich es auch nur für möglich halten konnte, dass sie plötzlich Muggel hasste.
„Wahrscheinlich sind sie beide jetzt tot." Emma stockte kurz bevor sie fortfuhr. „Niemand von uns kann es sich erlauben den dunklen Lord zu enttäuschen."
Als ich diese Worte hörte konnte ich spüren, wie eine weitere Träne aus meinen Augen kroch. Schnell strich ich sie weg. Dieses verdammte Mädchen hatte recht. Ich kann den dunklen Lord nicht enttäuschen. Plötzlich spürte ich wie sich eine kleine Hand auf meine Schulter legte.
„Wir werden das schon irgendwie schaffen", flüsterte sie. Ihre haselnussbraunen Augen durchbohrten die meinen. Der Anblick ihrer Augen schockierte mich. Sie waren so voller Schmerz. Es war verrückt, doch irgendwie schaffte sie es, dass ich mich ein wenig besser fühlte. Sie musste in einer ähnlichen Situation sein wie ich. Vielleicht gab es doch jemanden, der mich verstehen konnte.


~*~

Wie hat euch das Kapitel gefallen? Wie hat euch das Treffen zwischen Draco und Emma gefallen?
Es würde mich super freuen, wenn ihr mir eine Rückmeldung zu dem Kapitel gibt. Auch wenn etwas nicht so gut gelungen ist, würde es mich freuen, wenn ihr mir das schreibt. Nur so kann ich an die Geschichte verbessern :D
Das nächste Kapitel heißt: "Ein Silvester mit Folgen"  

Falls ihr Lust habt, dann guckt doch mal bei meiner Geschichte Always and Forever vorbei. Die Geschichte ist ein kleiner Adventskalender und wird jeden Tag aktualisiert :D

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