Versprochen

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Mit betrübtem Gesicht sah Emma auf den leeren Platz neben sich. Der unbesetzte Stuhl schien eine Kälte abzugeben, die Emma frösteln ließ. Auch wenn sie schon gewusst hatte, dass Ginny während des Unterrichts wahrscheinlich kein Wort mit ihr wechseln würde, so hatte es doch wehgetan zu sehen, wie sehr die Weasley sie meidete. Ginny hatte nicht einmal in Emmas Richtung gesehen. Schnurstracks war sie an den Gruppentisch gegangen, an dem mehrere Gryffindor-Mädchen saßen. Nun konnte Emma nur noch ihre roten Haare von hinten sehen. Hatte sie nun beschlossen niemals mehr einen Blick auf Emma zu werfen? Hasste sie sie so sehr? Emma hasste es zu wissen, dass einer ihrer Freunde wütend auf sie war.

Doch wie so oft in letzter Zeit musste Emma sich eingestehen, dass man die Zeit nicht zurückdrehen konnte. Was passiert war konnte nicht geändert werden. Man musste sich damit abfinden und versuchen irgendwie damit zu leben.

Jemand zog den leeren Stuhl ein wenig von dem Tisch weg und ließ sich darauf fallen. Emma sah auf und blickte in Julies Gesicht. Sie hatte ihre dunklen Haare zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden und auf ihrer Stirn waren kleine Schweißtropfen zu sehen.

„Ich hatte schon Angst zu spät zu kommen", begann Julie zu erzählen. Sie atmete schnell und hielt sich für einen Moment die Seite.

„Wo warst du?" Emma musterte sie interessiert. Sie selbst hatte nach dem Mittagessen beschlossen einen Abstecher in den Raum der Wünsche zu machen. Wie sie schon vermutet hatte, war Draco ebenfalls der gewesen. Der Junge war in letzter Zeit jede freie Sekunde in diesem Raum. Seine Augenringe wurden mit jedem Tag ein wenig größer. Es war schlimm ihn so zu sehen, aber sie wusste, dass sie nichts an dieser Situation ändern konnte. Das Ende des Schuljahres kam immer näher und damit hatte Draco immer weniger Zeit seinen Auftrag durchzuführen. Aber Emma tat was sie konnte, um ihn zu unterstützen. Und momentan war das Beste, was sie tun konnte, dafür zu sorgen, dass der Junge nicht verhungerte. Also hatte sie ein wenig Essen eingesteckt und war zu dem Malfoy gegangen.

„Hab mit John gelernt", antwortete Julie. Automatisch suchte Emma den Raum nach John ab und sah, dass auch dieser so aussah, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. „Wir haben nicht auf die Zeit geachtet."

Emma nickte. Sie wollte Julie gerade fragen, was sie gelernt hatten, als Slughorn in das Klassenzimmer kam. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht erklärte er den heutigen Trank und forderte die Klasse anschließend auf mit dem brauen zu beginnen.

Während sie den Trank braute, wanderten Emmas Augen immer wieder zu Ginnys roten Haarschopf und statt sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, versuchte sie eine Möglichkeit zu finden, wie sie Ginny dazu bringen konnte ihr zu vergeben. Vielleicht sollte sie ihr noch einmal erklären, dass sie niemals mit Harry zusammenkommen würde.

Die Slytherin löste ihre Augen von der Weasley und sah zu der kleinen Tafel, auf der die Anweisungen für den heutigen Trank standen. Neben der Tafel saß Slughorn. Der plumpe Professor hatte es sich an seinem Lehrertisch gemütlich gemacht. Mit einer grünen Feder schrieb der Mann mehrere Anmerkungen auf ein Stück Pergament.

„Darf ich ein wenig von deinem Lavendel?" Julies Stimme durchbrach Emmas Gedanken. Die Hexe blinzelte ein paar Mal, um wieder ins Hier und Jetzt zu gelangen und griff nach den violetten Blumen, die sie sogleich Julie überreichte.

„Danke", murmelte diese als Antwort und schob sich eine dunkle Haarsträhnte, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinter die Ohren. „Emma, alles okay bei dir?"

Mit ihren grünen Augen musterte Julie ihre beste Freundin.

„Es geht schon", antwortete Emma darauf bedacht so leise zu sprechen, dass niemand außer Julie sie hören konnte. Sie zuckte mit einer Schulter. „Ich weiß nur nicht, wie ich es schaffen soll, dass Ginny wieder mit mir spricht."

Alles wird anders - Geheimnisse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt