Chapter 48

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Ein weiterer Tag verging. Ein Tag voller Schmerz, ein Schmerz, der mein Herz von innen heraus zeriss. Inzwischen hatten die anderen mich dazu gezwungen, etwas zu trinken, und mein Körper gewann an Kraft, doch was nutzte einem der Körper, wenn der Geist gestorben war?

Pietro hätte all das nicht gewollt. Dass ich so wegen ihm leide. Er hatte mich geliebt, bis er seinen letzten Atemzug getan hatte. Sie hatten ihn wohl inzwischen schon begraben. Tief unter der Erde. Sein Körper getrennt von meinem, sein Geist an einem besseren Ort. Mein Herz, zerbrochen in tausend Stücke, war unheilbar, nicht wieder zu reparieren.

Doch in der ganzen Zeit der Trauer wurde mir langsam wieder bewusst, dass mein Stadium, in dem ich mich befand, Thanos nicht davon abhielt, die Erde anzugreifen. Diese Schlacht. Diese eine Schlacht, von der wir wussten, dass wir sie nicht gewinnen würden. Wo fand man schneller den erlösenden Tod als in einer Suizidmission? Plötzlich wurde in mir ein Schalter umgelegt. Ich raffte mich auf, schaffte es, etwas zu essen, auch wenn mir schlecht war, und trank noch etwas. Als ich die Tür öffnete, merkte ich sofort, wie sich alles in Bucky anspannte, zusätzlich bemerkte ich den ganzen Trubel auf den Gängen des verlassenen Krankenhauses.

"Sina, Versuch es bitte gar nicht erst, wir haben ihn schon begraben."

Ich schüttelte den Kopf.

"Ich erwarte meine Einsatzbefehle." sagte ich, die Stimme trotz der angeschlagenen Stimmbänder fest und bestimmend. Perplex drehte sich James zu mir um.

"Sina, in deiner Verfassung..."

"Sag mir nicht, dass ich nicht kämpfen sollte. Ich saß geschlagene zwei Tage in diesem gottverdammten Raum, habe geschrien, geweint, gelitten. Und ja, mein Herz ist unreparierbar und ich weiß nicht, ob ich jemals über diesen Verlust hinwegkommen werde. Aber ich habe einen Job. Einen Job, diese gottverdammte Welt zu beschützen. Gib mir Einsatzbefehle, Barnes, oder ich geh auf eigene Faust eine Lösung suchen."

Der Soldier schüttelte kaum merklich den Kopf. Er wusste, dass er gegen meinen Dickkopf keine Chance hatte.

"Thanos ist in weniger als einer Stunde hier. Wir mobilisieren alle möglichen Kräfte, doch seine Armee wird um einiges in der Überzahl sein. Mach dich bereit und nimm dir, was du brauchst."

Er ließ mich an sich vorbei laufen und folgte mir dann zu einem kleinen Raum, der zur Waffenkammer umfunktioniert worden war. Dort schnappte ich mir meinen Bogen und zwei 9 mm, eine steckte ich ins Holster um meine Hüfte, die andere in das um mein Bein, als ich hörte, wie sich jemand hinter mir räusperte. Als ich mich umdrehte, schaute ich direkt in die blau-grauen Augen meines Ehemannes.

"Sina..." Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. "Ich weiß inzwischen alles."

"Es tut mir leid, Clint." murmelte ich gegen seine Brust.

"Muss es nicht. Ich war ein schlechter Ehemann. Und auch wenn ich weiß, dass eure Affäre bis zu seinem Tod ging, bin ich dir nicht böse. Du warst glücklich, und ich hätte es dir nicht böse genommen, hättest du mich wegen ihm verlassen. Wirklich."

Verwirrt schaute ich ihn an. In deinen Augen sah ich nur die Aufrichtigkeit, die dort glänzte. Erleichtert legte ich meinen Kopf erneut an seine Brust, als ein lauter Knall das gesamte Gebäude erschütterte. Wir lösten uns hektisch und rannten zu einem Fenster auf dem Gang. Dort war Quills Raumschiff, welches auf ein anderes, größeres feuerte. Aus den Straßen der Stadt liefen hunderte von Krees, direkt auf das Gebäude zu. Ehe wir uns versahen, rannten wir überhetzt nach unten und wurden sofort in einen Kampf mit an die 20 Krees pro Person verwickelt. Und trotz dass auch Wanda so viel wie möglich tat, merkten wir schnell, dass auf jeden Krees den wir töteten zwei neue kamen. In dem Getümmel erkannte ich schnell auch Quill und Gamora, die verzweifelt um sich schlugen. Drax und Rocket waren auf dem Schiff. Gerade, als ich das Fellknäul in einer kurzen, kampffreien Situation ausfindig machen konnte, traf ein weiterer Schuss das Raumschiff, welches es zum Absturz brachte. Mein Herz blieb stehen und ich schaute zu, wie zwei meiner Freunde in den fast sicheren Tod fielen. Plötzlich zogen sich die Krees zurück, als auch Thanos Raumschiff kehrt machte und sich ziemlich schnell Richtung Westen bewegte. Ich wusste, dass es nicht von Dauer sein würde. Thanos ließ uns leiden, in dem er und jeden Tod einzeln verkraften ließ.

Ich war die erste, die bei dem Wrack angekommen war und versuchte verzweifelt, einen Eingang zu finden, als ich Drax ein paar Meter davon taumeln sah, in seinen Händen der Waschbär.

"Drax!" Schrie ich und rannte zu ihm, als er zusammen krachte und hinfiel. Als ich bei ihm war, war es schon zu spät. Sowohl er als auch Rocket waren beide tot. Ich sank auf die Knie und schloss dem Riesen die Augen. Auch die anderen, allen voran Quill und Gamora, waren inzwischen bei mir angekommen. Fragend schaute mich Quill an, und ich sah den Schmerz, den ich vor zwei Tagen nach Pietro noch in mir gefühlt hatte, in seinen Augen. Sah, wie er ihn brach. Wie sein Herz zersplitterte. Und wie er sich gleichzeitig schwor, Thanos dafür zu töten.

Ich hingegen stand auf und fiel in Clint's empfangenden Arme. So viel Tod. So viel Schmerz. Er küsste mir sanft auf die Haare und strich mir beruhigend über den Rücken, bevor er mich an der Hand nahm und zurück zum Krankenhaus zog. Noch ein letztes Mal schaute ich zurück zu Peter und Gamora, die sich weinend in den Armen lagen.

"Na komm, lass sie trauern..." murmelte Clint und zog sanft an meiner Hand, die er hielt. Ich drehte mich zu ihm und wir liefen ein Stück, bis Clint sich auf einen der Steine setzte und mich zu sich zog. "Du weißt, dass das hier alles bald um sein wird, oder?"

Ich nickte und zitterte am ganzen Körper. Er zog mich an sich und legte meinen Kopf an seine Schulter.

"Weißt du, ich frag mich ständig, wie es wohl gelaufen wäre, wenn es keine Superhelden gäbe. Wenn alles anders gelaufen wäre. Wenn wir uns vielleicht nicht kennengelernt hätten. Wäre es dann wirklich zu all dem gekommen?"

Clint zuckte mit den Schultern und seufzte.

"Das kann man nicht wissen. Sowas kann man nie wissen. Und ich würde dir gern sagen, dass ich froh bin, wie es gelaufen ist, aber das wäre gelogen. Natürlich bin ich dankbar für all die schönen Momente, vor allem mit dir. Aber jetzt all das zu verlieren..."

Ich nickte. Wir saßen noch eine Weile stillschweigend an demselben Ort, bevor wir aufstanden. Während Clint nach drin ging, suchte ich die Stelle, an der sie Pietro begraben hatten. Die Wiese lag unweit vom Krankenhaus entfernt und die Stelle war mit einem kleinen Kreuz gekennzeichnet. Mit schwerem Herzen sank ich auf die Knie vor der neu aufgeschütteten Erde und legte meine Hand auf die Erde.

"Piet, ich vermisse dich so. Du fehlst mir so unglaublich. Diese zwei Tage haben sich angefühlt wie die Ewigkeit und der Schmerz ist unbeschreiblich. Ich hätte nie gedacht, dass der Tod uns jemals trennen würde, weil es so surreal erschien. Verdammt, ohne dich ist das Leben so trist. Ich vermisse dich so sehr, mein kleiner Engel..."

Und nach zwei Tagen der Trauer, des Todes, des Schmerzes, spürte ich, wie mich eine Wärme umgab, und stellte mir vor, dass es Pietros Geist war, der mit mir an seinem Grab saß.

Ordinary Girl [Hawkeye ff] Buch 4Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt