„Du bist wach," stellt mein Vater am nächsten Morgen sachlich fest, als ich mich für wenige Sekunden im Türrahmen blicken lasse. „Ja," bestätige ich seine unnötige Fesstellung und schlüpfe zur selben Zeit in die schwarze Lederjacke, die sich wie gewohnt auf meine Haut legt. Dabei bleibe ich jedoch weiterhin in dem breiten Durchbruch stehen, der das lichtdurchflutete Wohnzimmer mit dem breiten Gang verbindet. Crowley schenke ich dabei nur einen kurzen Blick. Er steht, vollständig angezogen, in den Wohnzimmer. Seine Arme hat er locker hinter dem breiten Rücken verschränkt, während er sich dem breiten Fenster abgewandt hat. Ich frage mich, wie lange er schon wach ist. Zur selben Zeit fällt mir auf, dass er in dieser Sekunde allein im Zimmer ist. Keine Anhänger. Keine Bodyguards.
„Wo willst du hin?" stellt Crowley mir jetzt eine neue aufmerksame Frage und lässt seinen Blick wissend an mir herabgleiten. Er scheint meine Kleidung und die Waffen an meinem Körper richtig zu interpretieren: Ich möchte los. „Deinen Befehl ausführen," antworte ich jetzt wahrheitsgemäß, führe meine Antwort jedoch etwas genauer aus als ich seine Reaktionslosigkeit bemerke, „Ich fahre noch einmal zu McCalls Haus und versuche herauszufinden, ob er etwas über Peter Hale oder seinen Aufenthaltsort weiß. So wie von dir verlangt!" Ich zucke leicht mit den Schultern und fahre mir kurz durch die blonden Haare, die dabei unter dem schwerzen Stoff der Jacke hervorrutschen und fliegend leicht auf meinen Schultern landen.
„Nein!" sagt mein Vater jetzt mit einer festen Stimme und überrascht ziehe ich meine Augenbrauen nach oben. „Nein?" frage ich anschließend provokant nach und verschränke die Arme vor der Brust. Nicht nur verwundert es mich, dass Crowley bereits nach einem Tag bei der Beschattung von McCall einen Rückzieher macht, sondern es lässt in meinem Körper auch das unwohle Gefühl von Angst aufsteigen. Was wenn mein Vater mich gestern Nacht doch beim Rauschleichen erwischt hat und jetzt genau weiß, dass ich mit McCall das ein oder andere Wort gewechselt habe? Ich verdränge diesen Gedanken und lasse mir vorerst auch nicht anmerken, dass ich hinter seinem Verhalten einen Trick vermute, der optimalerweise damit endet wird, das ich meinen Verrat beichte.
„Ich habe einen anderen Job für dich," kündigt Crowley jetzt an und auch wenn er sich nicht klar ausdrückt, kenne ich ihn inzwischen gut genug um zu wissen, dass er nichts von meinem Rausschleichen weiß. Stattdessen scheint er einen anderen Job für mich, und eine andere Person für meinen eigentlichen Job zu haben. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass jemand anderes - außer ich - McCall beobachtet. „Ach ja?" entgegne ich jetzt fragend und lasse mir weiterhin keine Gefühle anmerken. Stattdessen reagiere ich wie immer: ruhig, etwas provokant und mit einem Pokerface. Jedoch ist auch mein Vater nicht so einfach zu beeindrucken.
„Du wirst dich an die Fersen von Derek Hale heften. Meine Männer haben mir gerade seinen Aufenthalt hier in Beacon Hills bestätigt. Somit steigt er zu unserer besten Spur für Peter's Standort auf!" erklärt mein Vater jetzt in aller Ruhe und langsam nicke ich. Zwar finde ich es nicht sonderlich toll, von dem McCall Fall abgezogen zu werden, jedoch finde ich es auch nicht gerade schlecht nach dem letzten Jahr einen Blick auf meinen Onkel zu erhaschen. Immerhin war unsere letzte Begegnung mehr als nur verwirrend für mich. Ich frage mich, ob er sich überhaupt noch an unser letztes Gespräch in seinem Wagen erinnern kann. „Und wer passt auf McCall auf?" stelle ich jetzt interessehalber noch eine letzte Frage an meinem Vater, die ihm sofort eine Reaktion entlockt: Misstrauen.
Obwohl ich den Alpha mit Nachnamen anspreche und somit Distanz zwischen uns bringe, scheint Crowley das Richtige aus meinen Worten herauszulesen: Besorgnis. Eigentlich hatte ich heute vor, erneut mit dem Teenager Kontrakt aufzunehmen, um endlich meine Frage zu klären.
„James und Lucas," antwortet mir mein Vater jetzt trotzdem, lässt mich dabei jedoch nicht aus den Augen. Ich nicke wissend. Die beiden genannten Namen sagen mir zur Abwechslung tatsächlich etwas und ich kann sie auch mit zwei Gesichern in Verbindung bringen. Es sind die beiden engsten Vertrauten meines Vaters und ich wundere mich nicht, dass er sie auf den Fall angesetzt hat. Vor allem nach meiner Frage, die geradezu danach schreit, dass ich den Alpha wiedersehen möchte. In dieser Sekunde würde ich mich am Liebsten dafür ohrfeigen, so schnell nachgefragt zu haben. Vielleicht hätte mein Vater dem Alpha sonst zwei seiner harmloseren Gefolgsleute angehängt.
„Ich werde versuchen herauszufinden, wie viel Derek über Peter weiß," sage ich jetzt versprechend an meinen Vater gewidmet und ändere somit geschickt das Thema. Denn ich weiß, dass mein Vater mehr Interesse an dem Mörder seiner Ex-Geliebten hat, als an irgendeinem Möchtegern-Teenager. Auch wenn dieser Möchtegern-Teenager drauf und dran ist, mich um den Finger zu wickeln. „Du bleibst im Schatten," weist Crowley mich jetzt streng an und gehorsam nicke ich. Erstens hatte ich nicht gerade vor Derek sofort in ein Gespräch zu verwickeln und zweitens hatte ich mir eine solche Anweisung bereits gedacht. In den Augen meines Vaters ist es der Ass im Ärmel unerkannt zu bleiben - sich wie ein Schatten in der Dunkelheit zu bewegen.
„Keine Angst ich werde ihm nicht sofort in die Arme fallen. Schon vergessen? Er nimmt Peter in Schutz," sage ich jetzt mit einem verbissenen Lächeln und einem genervten Ton, was meinem Vater ein Lächeln entlockt. Er scheint meine Anspannung mit Zorn zu verwechseln. „Genau. Vergiss nie diese Wut," rät er mir jetzt mit einem fast schon liebevollen Lächeln und nickt leicht. In dieser Sekunde scheint er tatsächlich zu sehen, dass ich seine leibliche Tochter bin...und auch wenn ich es gerne leugnen würde, haben wir doch mehr gemeinsam als mir lieb ist.
Ich vermute, dass mein Vater alles gesagt hat, was er loswerden möchte. Deshalb nicke ich ihm ein letztes Mal zu und wende mich zum Gehen. Dieses mal fixiere ich aber den Aufzug und nicht das Treppenhaus an. Immerhin muss ich mich dieses Mal nicht ungesehen aus dem Gebäude rausschleichen. Doch gerade als ich von dem Durchbruch wegtreten und den Gang entlanglaufen möchte, lässt mich die Stimme von Crowley erneut innehalten.
„Und denk dran," er macht eine dramatische Pause, „Dieser Scott McCall ist nicht anders. Auch er nimmt Peter Hale in Schutz!" Ich nicke und atme tief durch. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und das berauschende Gefühl von Wut überkommt mich. Jedoch kann ich in dieser Sekunde nicht unterscheiden, ob es die Wut auf meinen Vater und seine Worte ist, mit denen er versucht mich gegen den Alpha aufzuhetzen. Oder ob die Wut mich wie ein Virus überfällt, weil ich im Inneren genau weiß, dass Crowley auf eine verdrehte Weise Recht hat: McCall beschützt Peter Hale tatsächlich.
Das hat er schon immer getan.
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Vielen vielen Dank für euren viele Reads, Kommentare und Votes ❤️ das bedeutet mir wirklich viel und gibt mir momentan eine non-stop Motivation zum Schreiben - und deshalb an dieser Stelle auch erstmal ein kleines Sorry: ich weiß das dieses Kapitel verhältnismäßig spät kommt aber momentan habe ich Schmerzen im Handgelenk (blöde Deutschklausur am Montag 😑😒) weshalb ich es ein paar Tage lang ruhen lassen wollte/sollte. Ich bin mir sicher ihr versteht das 😛😃🤣 und nehmt mir das Ende dieses Kapitels nicht allzu übel 😬Lg CoolerBenutzername
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Silver Bullet [Teen Wolf FF]
Fanfiction'We don't see things as they are, we see things as we are' Noch immer in der Welt unterwegs mit meinem psychopathischen Vater, auf der Suche nach der nicht gerade weniger psychopathischen Zielperson. Wie das noch besser werden kann? Oh keine Ahnung...