30:Meine Vergangenheit...

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PoV Ardy:

Sein Kopf auf meiner Schulter sprach Bände, diese Stille schrie ganze Reden.

Nichts fühlte sich gerade bedrückend oder falsch an. Auch wenn ich ihn gerade mal an paar Wochen kannte.Ich so gut wie nichts über ihn wusste, war mir jetzt schon klar, dass er der einzige Mensch auf diesem kaputten Planeten ist, der mir etwas bedeutet. Er ist der, dem ich mit der Zeit vertrauen will. Ich will mit ihm stärker werden. Ich will lernen mich und vor allem auch ihn zu verteidigen. Ich kann ihn nicht immer als meinen Beschützer sehen. Wir können auch nicht für immer in diesem Haus leben. Und wenn wir es verlassen, dann will ich, dass wir beide füreinander sorgen können.

Ich will, dass er sich keine Sorgen machen muss, wenn er gerade einkaufen geht. Ich will, dass er weiß,dass ich auf mich aufpassen kann. Ich will ihm zeigen, dass er mir schon jetzt so viel bedeutet, wie kein anderer sonst. Ich würde jetzt noch nicht von Liebe sprechen, aber was nicht ist, kann ja  noch werden.

Keiner von uns sagte etwas, aber ich brauchte noch etwas um ihm meine Geschichte zu erzählen. Noch eine kurze Pause, bevor ich alles zerstören könnte. Bevor er anders von mir denken wird, bevor er seinen, eine solche Wärme ausstrahlenden Kopf von meiner Schulter heben wird. Bevor ich eine alte fast schon vernarbte Wunde wieder aufreißen werde. Aber für ihn würde ich alte und neue Wunden aufreißen, für ihn würde ich schon jetzt mein Leben riskieren. Er ist anders als jeden den ich bis jetzt gesehen habe. Er verhält sich zumindest für mich berechenbar.

Für mich sind seine Wege nachvollziehbar. Ich verstehe ihn, auch wenn er nicht redet. Ich werde ihm gleich von meinem schlimmsten Erlebnis erzählen, vielleicht wird er sich mir gegenüber dann auch öffnen können. Und wenn nicht, dann bin ich meine Last los. Ich habe zuvor noch mit keinem anderen darüber geredet, aber ich denke er, er könnte der Einzige sein, der mich verstehen kann. Und genau deshalb muss ich jetzt schon mal anfangen mutig zu werden.

„Ich würde dir gerne etwas erzählen,dass ich vorher noch nie jemanden erzählt habe. Denn ich denke du bist der Einzige, der mich verstehen kann. Ich habe riesige Angst davor, aber ich will versuchen dir zu vertrauen. Ich möchte, dass du merkst, wie viel du mir bedeutest. Meine Vergangenheit ist eine Zeit, die ich recht lange gut und gerne verdrängt habe. Aber wenn ich sie weiterhin verdränge, werde ich nie mit ihr abschließen können. Und ich weiß, wie belastend das sein kann. Ich möchte mit ihr im reinen sein. Ich möchte dir zeigen, dass es okay ist Angst davor zu haben. An sich Angst zu haben, vor allem. Ich weiß, ich wirke schon an sich nicht mutig und tapfer, aber ich bin noch um einiges ängstlicher als man denkt. Und hier fängt meine Geschichte dann an"

Er hob seinen Kopf langsam von meiner Schulter, drehte sich zu mir und sah mir lange in die Augen. Da war wieder dieses strahlen. Dieses helle Leuchten. Es befreite mich mit sofortiger Wirkung von meinen Bedenken. Er musste nichts sagen, nichts tun, außer mir in die Augen zu sehen. „Du musst mir davon nicht erzählen, wenn es dich verletzt" diese Worte gaben mir noch mehr Kraft als ich jetzt schon hatte. „Doch ich will es endlich aussprechen. Manche Dinge wissen viele, aber das Eigentliche noch niemand"

Ich dreht mich kurz weg von ihm, seine Augen ließen mich zu viel vergessen. Aber dann sah ich ihn doch wieder ganz genau an. „Die Familie, von der du mich befreit hast war nicht meine" kurz holte ich tief Luft. T sagte nichts, er sah nur leicht verwirrt aus. „Es war meine Pflegefamilie, sie haben mich mit 6 Jahren aufgenommen. Nachdem ich, Nachdem" Meine Stimme brach kurz ab. Er sah lächelte kurz, es war ein aufbauendes Lächeln, er wollte mir damit helfen und das tat er auch. Du wirst es sonst nie machen, also los. „Nachdem ich meine Eltern tot aufgefunden habe. Sie haben als ich mit Freunden unterwegs war Suizid begangen" er sah mich stur an, er wird erst nach meiner gesamten Erzählung reagieren. „ Ich habe mir immer vorgemacht, dass wir bis dahin doch eine glückliche Familie gewesen waren, dass der Suizid völlig unbegründet war. Aber je länger ich darüber nachgedacht habe, desto klarer habe ich die Parallelen gesehen. Meine Eltern waren noch nie glücklich. Sie haben vor mir immer gelacht, die Trauer versteckt. Doch als ich alte Freunde von ihnen gefragt habe, wurde es mir klar. Sie hatten alles, zumindest alles was man sich mit Geld erkaufen konnte. Mein Vater hatte eine eigene Firma und auch meine Mutter war eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Sie arbeiteten sehr viel, aber ich bekam nichts mit von ihren Sorgen. Natürlich konnte ich es nicht so sehen, wie ich es jetzt sehe, aber ich hätte doch etwas bemerken müssen. Ich kann mich an diesen Tag noch so genau erinnern. Morgens verabschiedete ich mich noch von beiden, meine Mutter umarmte mich etwas länger als sonst, mein Vater drückte mich etwas fester an sich. Meine Freunde warteten schon, deshalb beeilte ich mich sehr und sah nicht mehr zurück. Wir spielten bis es dunkel wurde, direkt vor unserer Villa. Man hörte nichts. Meine Freunde verabschiedeten sich und ich lief freudig in unsere Villa und wollte meinen Eltern von dem tollen Tag erzählen. Ich fand sie aber zuerst nicht. Als ich in ihr Zimmer ging, sah ich, dass das Bad offen stand.Ich lief langsam und mit zittrigen Beinen zu dem großen Bad, indem ich früher so oft gebadet wurde. Ich betrat das Bad und von einem auf den anderen Moment änderte sich mein Leben mit einem Schlag. Meine Mutter lag mit ihren Lieblings Klamotten in der Badewanne. Alles war voller Blut. Ich traute mich nicht näher zu ihr. Ich konnte mich nicht bewegen. Kurze Zeit später rannte ich aus dem Bad und rief nach meinem Vater, aber er antwortete nicht. Ich lief in sein Arbeitszimmer und dann sah ich das gleiche Bild, nur dass er an seinem Schreibtisch saß. Beide hatten die selbe Art gewählt, ohne es zu wissen. Man hat zwei Briefe gefunden, die ich zu meinem 18 Geburtstag bekommen soll. Ich habe nach ihrem Tod zuerst mit niemandem geredet. Als ich in die neue Familie kam, redete ich nur noch darüber. Doch irgendwann war alles gesagt, niemand konnte sie mir wiederbringen. Später als ich 17 wurde kam die Polizei noch mal zu uns. Sie fragten Dinge wie, hatten sie Depressionen oder andere Erkrankungen. Als ich alles beantwortet hatte mit einem Nein, sah ich, dass sie mir nicht wirklich glaubten. Vielleicht wussten sie mehr als ich. Ich habe Angst diese Briefe zu bekommen, sie zu lesen. Auch jetzt noch 12 Jahre nach ihrem Tod vermisse ich sie und wünschte sie noch einmal sehen zu können. Ich habe nach ihrem Tod mehrmals daran gedacht es ihnen gleich zu tun. Meine Pflegeeltern schickten mich dann zu einem Therapeuten. Er versuchte mir zu helfen, aber selbst er kam gegen diese Gedanken nicht an. Kurz bevor du mich gerettet hast haben sie beschlossen mich in eine Anstalt zu schicken. Mir war alles egal, lange hätte ich das nicht mehr überlebt. Also bist du mein Retter in mehreren Hinsichten. Ich muss lernen, meine Gedanken zu verdrängen. Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich sollte nur für's erste nicht lange alleine sein"...

Twisting Minds /Tardy/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt