Als ich nahe genug an der Station bin, spricht er mich an. Hilflos bleibe ich stehen. Wie soll ich im Training etwas lernen, wenn ich die Erklärungen der Betreuer der einzelnen Stationen nicht hören kann? Wie soll ich ihnen verständlich machen, dass ich gehörlos bin, wenn Yarnn mir quasi verboten hat, zu sprechen?Ich sehe dem älteren Herrn direkt ins Gesicht, schüttele den Kopf, zeige auf meine Ohren und schüttele erneut den Kopf. Ich kann förmlich sehen, wie ihm ein Licht aufgeht, als er versteht. Vielleicht hat Yarnn den Trainern erzählt, dass ich nicht hören kann? Oder irgendjemand anderes hat ihnen mitgeteilt, dass unter den diesjährigen Tributen ein Mädchen ist, das sein Gehör verloren hat.
Der Mann winkt mich näher und ich setze mich zu ihm an die Station. Er lächelt mir erneut ermutigend zu, bevor er beginnt, aus Naturmaterialien eine Art Tinktur, die er anschließend auf seinem linken Arm verstreicht, zu mischen. Während er dies tut, wirft er mir alle paar Sekunden einen Seitenblick zu und fährt erst fort, wenn ich durch ein Kopfnicken gezeigt habe, dass ich verstanden habe. Als er fertig ist, hält er seinen präparierten Arm gegen eine Baumattrappe. Wenn man nicht genau hinschaut, scheint der Arm verschwunden. Eifrig mache ich mich daran, es ebenfalls auszuprobieren.
Ich bleibe den gesamten Vormittag an der Tarnstation. Der Trainer zeigt mir, wie ich einen Rucksack tarnen kann und wie ich eine Höhle tarne, sodass ich von innen gut beobachten kann, was außen geschieht, es anderen Tributen aber kaum möglich ist, mich in meinem Versteckt zu entdecken.
Schließlich ist Mittagspause und ich folge den anderen Jugendlichen durch eine Tür in einen kleinen Speisesaal. In der Mitte stehen einige Tische mit Stühlen. Ich beobachte die Karrieros, die sich zu sechst an einen Tisch gesetzt haben und bereits begonnen haben, ihre vollbeladenen Teller zu leeren. Die anderen Tribute stehen zumeist ziemlich verloren da, nur wenige haben sich mit ihren Distriktpartnern oder Leuten aus anderen Distrikten zusammengeschlossen.
Ich entdecke Sash, der sich gerade mit den beiden Elfern an einen Tisch setzt und mich zu ihnen hinüberwinkt. Ich zögere, dann nehme ich einen Teller, um von dem Buffet, das auf Tischen an den Wänden des Speisesaals angerichtet ist, etwas zu nehmen. Mit einer Scheibe Braten und Bratkartoffeln gehe ich hinüber zu meinem Distriktpartner.
Die beiden Elfer schauen mich neugierig an. Sash sagt etwas zu ihnen und daraufhin senkt das Mädchen den Kopf und der Junge starrt mich mitleidig an. Ich starre zurück, bis er den Blick ebenfalls abwendet. Sash muss ihnen gerade von meiner Gehörlosigkeit berichtet haben.
Der Junge stupst mich an und ich blicke zu ihm hinüber. Er zeigt auf eine Serviette, auf die er etwas gekritzelt hat: „Das sind Willow und Thorn Lantow!"
Mehr steht da nicht. Ich wusste natürlich im Voraus, dass Sash mich nicht in seinem Bündnis haben möchte, nachdem er erfahren hat, dass ich nicht hören kann. Trotzdem spüre ich einen Kloß im Hals. Es fühlt sich an wie Verrat. Wir stammen immerhin aus demselben Distrikt und dennoch werden wir die letzten Tage und Stunden unserer beiden kurzen Leben nicht gemeinsam antreten. Ich wollte es doch so! Ohne mich hat Sash viel höhere Chancen, lebend zurückzukehren, diese Spiele zu gewinnen. Wenn ich nicht überlebe, dann soll wenigstens er das tun. Das wäre das Beste für Distrikt 8 und für meine Familie.
Darüber hinaus, wenn wir uns nicht verbünden, ist vielleicht die Wahrscheinlichkeit geringer, dass wir irgendwann im Laufe der Spiele einander gegenüber treten müssen. Ich könnte dann nicht den ersten Schritt tun, ich könnte ihn nie töten, nie. Töten. Allein das Wort ruft in mir ein unangenehmes Gefühl hervor. Ich schiele hinüber zum Tisch der Karrieros. Glücklicherweise schaut gerade keiner von ihnen in meine Richtung.
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Die 101. Hungerspiele★
FanfictionCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...