Als ich den Aufzug endlich verlassen kann und wieder festen Boden unter den Füßen habe, fühle ich mich plötzlich total allein, obwohl Sash natürlich immer noch neben mir steht.
Heute war der erste Tag des Trainings und ich habe ihn verpatzt. Ich habe den Moment verpasst, mir einen Verbündeten oder eine Verbündete zu nehmen. Ich habe versagt. Und alles nur, weil ich gehörlos bin. Weil meine blöden Ohren seit diesem schrecklichen Unfall vor drei Jahren zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Ich spüre, wie mir die Tränen in die Augen steigen, doch ich wische sie nicht weg. Stattdessen lasse ich zu, dass sie langsam meine Wangen hinunterlaufen.Mit verschwommenen Blick sehe ich auf; im selben Moment dreht sich mein Mittribut, der schon einige Schritte Richtung Wohn- und Essbereich gegangen ist, verwundert um, da ich ihm nicht gefolgt bin. Als er meine Tränen sieht, wird sein Blick sofort mitleidig und besorgt. Während er näher kommt, sagt er etwas zu mir. Er sagt etwas zu mir!
Nun fange ich erst richtig an zu heulen. Als er einen Arm um mich legt, drehe ich mich unwirsch von ihm weg und stoße ihn von mir. Ich renne in Richtung meines Zimmers und kann im Augenwinkel noch seine entsetzte Miene ausmachen – ob weil ich ihn gestoßen habe oder weil er verstanden hat, was er falsch gemacht hat, weiß ich nicht und es ist mir auch egal. Ich will jetzt nur alleine sein. Einfach nur alleine sein.Ich will all die Wut und Verzweiflung aus mir herausfliesen lassen. Die Wut darüber, dass ich bei diesem verfluchten Unfall mein Gehör verloren habe. Die Wut darüber, dass ich bei der Ernte für die Hungerspiele gelost worden bin. Die Verzweiflung, die ich verspüre, weil sich niemand mit mir verbünden will. Vorhin habe ich es nicht richtig realisiert, als sich das Mädchen aus Distrikt 5 von mir abgewandt hat. Nun erst verstehe ich, dass ich mit ihr vermutlich die letzte potenzielle Verbündete verloren habe. Warum nur? Warum denken die anderen, dass ich zu nichts zu gebrauchen bin, nur weil ich nicht hören kann? Ich bin nicht vollkommen hilflos! Ich kann mich ernähren. Ich weiß, wie man sich in einer Arena, in der vermeintlich nichts Essbares aufzufinden ist, ernährt. Und vor allem habe ich viel bessere Augen als die anderen Tribute. Der Junge aus Distrikt 5 scheint auf einem Auge fast blind zu sein und wenn mich nicht alles täuscht, sind die Augen dies Jungen aus 4 in ihrer Beweglichkeit extrem eingeschränkt. Zu guter Letzt habe ich da ja noch Yarnns sogenannten Überraschungseffekt. Aber der hilft mir auch reichlich wenig, wenn ohne Ausnahme alle 23 hinter mir her sind. Wann soll ich zur Ruhe kommen, wenn ich niemanden habe, mit dem ich mich bei der Nachtwache abwechseln kann? Mit meiner Höhenangst kann ich nicht einfach auf irgendeinen Baum klettern und mich festbinden, wie es schon viele Tribute in ihren Spielen getan haben. Wenn ich einen Verbündeten hätte, hätte ich immerhin Ohren, die für mich hören, wenn es zu dunkel zum Sehen ist.
Als ich mein Zimmer erreiche, lasse ich mich so wie ich bin – in Trainingskleidung und mit Schuhen - auf mein Bett fallen. Ich taste unter dem Kissen nach Laceys Halstuch und presse mein tränennasses Gesicht hinein. Ungeachtet dessen, dass der Schmutz in meine Augen oder meinen Mund gelangen könnte. Ich fange richtig an zu weinen.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon dort ausgestreckt liege – eine Minute, zehn Minuten, eine Stunde – als plötzlich eine sanfte Hand über meinen Rücken streicht. Trotz der Überraschung zucke ich nicht im Geringsten zusammen, sondern bleibe einfach liegen und weine weiter. Während die Hand in kreisenden Bewegungen meinen Rücken massiert, spüre ich, wie mein Atem ruhiger wird und meine Schluchzer abebben. Auch als ich mich beruhigt habe, bleibe ich noch eine Weile liegen und versuche mich unter der sanften Massage etwas zu entspannen. Schließlich verspüre ich Neugier und drehe mich langsam auf den Rücken, um zu sehen, wer zu mir gekommen ist.
Es ist Durian, der Avox aus Distrikt 11, mit dem ich gestern Abend gesprochen habe.Verwirrt setze ich mich auf und lehne mit dem Rücken in ein Kissen gestützt an die Wand. Ich frage Durian neugierig: Haben sie dich wieder meinem Zimmer zugeteilt?
Der Siebzehnjährige lächelt und schüttelt den Kopf. Seine Hände bewegen sich zögernd und würden wir wahrhaftig miteinander sprechen, würde er nun vermutlich flüstern, in der Angst, dass ihn jemand hören könnte: Ich habe mit einem anderen Diener getauscht. Heute hätte ich eigentlich das Zimmer deines Mittributs säubern müssen!
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Die 101. Hungerspiele★
FanfictionCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...