Als ich am nächsten Morgen erwache, werde ich mir sofort zweier Dinge bewusst. Erstens kann ich mein Gesicht, das als einziger Teil meines Körpers vollständig der eisigen Luft in der Arena ausgesetzt, kaum noch spüren. Zweitens ist es immer noch Ava, die mit mir im Schlafsack liegt, nicht Eve.Ohne mich aufzurichten, drehe ich den Kopf auf der Suche nach der Achtzehnjährigen. Sie geht einige Meter von uns entfernt auf und ab. Die Mütze tief in die Stirn geschoben und den Schal so um das Gesicht geschlungen, dass lediglich Augen und Nase gerade so herausschauen. Hätten nicht einige Strähnen ihres rotbraunen Haares unter der Mütze hervorgeschaut, ich hätte nicht mit Sicherheit sagen können, dass es Eve ist, die über uns wacht und nicht irgendein anderer, fremder Tribut.
Da mein Gesicht offenbar halb erfroren ist, möchte ich es Eve gleichtun und es ebenfalls so gut wie möglich mit den wenigen Sachen, die wir haben, vor dem eisigen Wind zu schützen. Immerhin hat es aufgehört zu schneien. Zuhause in Distrikt 8 mussten wir eigentlich nie frieren. Wenn wir auch von allem zu wenig hatten, einen alten Stofffetzen, der irgendwie zum Schal oder gar zur Hose umfunktioniert wurde, konnte man immer irgendwo finden. Außerdem erreichen die Temperaturen zuhause nie solche extremen Tiefwerte wie hier. Die Abgase aus den Fabriken halten nicht nur die Sonne, sondern auch die Kälte ab.
Vorsichtig, um Ava, die immer noch seelenruhig schläft, nicht zu wecken, versuche ich mich aus dem Schlafsack zu schälen. Noch ehe ich mich ganz befreit habe, dreht sich Eve zu uns um und ich merke, wie auch Ava sich zu regen beginnt. Eve kommt zu uns hinüber, zieht im Gehen unter ihrem Overall die Wasserflasche hervor und reicht sie Ava, die kurz vor Eves bedrohlicher Erscheinung zurückzuckt, dann aber gierig nach der Flasche greift und einige Schlucke nimmt, bevor sie mir die Flasche gibt. Auch ich trinke und gebe die Flasche Eve zurück. Eve bückt sich, um Schnee hineinzufüllen und sie anschließend, verschlossen versteht sich, wieder unter ihrem Overall verschwinden lässt.
Dazu, dass sie selbst nichts getrunken hat, sage ich nichts. Wenn sie sich nicht an die Vereinbarungen von gestern Abend hält und Ava den letzten Teil der Nacht als Wache überlässt, wird sie kaum etwas trinken, nur, weil ich es ihr sage.
Als Eve mir wie am gestrigen Abend die Tüte mit dem Trockenobst hinhält, schüttele ich energisch den Kopf. „Ich habe keinen Hunger", murmele ich stur und flehe, dass mein Magen nicht anfängt zu knurren. Der Hunger ist mittlerweile unerträglich. Hungern stand in Distrikt 8 an der Tagesordnung, aber vermutlich habe ich nicht einmal zuhause so wenig zu mir genommen wie in den letzten zwei Tagen. Vorgestern zwei Brote und einen Apfel, die ich gestern erbrochen habe, gestern zwei Stück Trockenobst. Wenn wir nicht bald etwas Anständiges zu Essen finden, werden wir nicht erfrieren, sondern verhungern.
Eve hält mir weiterhin die Tüte hin und ich schüttele den Kopf. „Ich habe doch gesagt, dass ich keinen Hunger habe", wiederhole ich und füge hinzu: „Bevor wir keine andere Nahrungsquelle finden, sollten wir nicht unseren kompletten Vorrat aufbrauchen!" Die Ältere schüttelt wütend den Kopf. An ihrem Gesichtsausdruck sehe ich, dass sie weiß, dass ich nicht die Wahrheit sage. Aber auch sie hat nicht die Wahrheit gesagt, als sie nichts getrunken hat. Ava lässt sich zu zwei Stücken Obst überreden, dann verstaut Eve die Tüte wieder in dem Rucksack und rollt den Schlafsack auf, um ihn festzuschnallen. Ich werfe ihr ebenfalls einen wütenden Blick zu, weil sie nichts gegessen hat, obwohl sie Hunger hat. Und ich weiß, dass sie Hunger hat. Eve ignoriert mich.
Sie blickt sich nochmals kurz auf unserer Lichtung um, vermutlich, um zu überprüfen, dass man unseren nächtlichen Aufenthalt nicht nachvollziehen kann. Dies macht mir wieder bewusst, dass wir nicht allein sind. Dass vielleicht jetzt in diesem Moment die Karrieros auf der Suche nach uns sind. Mit nur einem Ziel: uns zu töten.
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Die 101. Hungerspiele★
Fiksi PenggemarCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...