Ich habe irrsinnige Kopfschmerzen, als ich am nächsten Morgen gegen 04:30 Uhr aufwache. Genaugenommen gebe ich um 04:30 Uhr die Versuche auf, in dieser Nacht noch Schlaf zu finden. Immer wenn ich die Augen auch nur schließe, sehe ich sofort Bilder aus früheren Hungerspielen oder Bilder davon, wie der Junge aus Distrikt 1 sich über mich beugt und laut überlegt, wie er mir einen möglichst qualvollen Tod bescheren kann.Ich will noch nicht sterben! Ich bin doch gerade einmal 16 Jahre alt. Noch so jung. Wie auch die anderen Tribute. Ava. Sie ist erst 13. Der Junge aus Distrikt 6 mit seinen zarten 12 Jahren. Niemand von uns hat es verdient, jetzt schon zu sterben, und doch werden in wenigen Stunden viele von uns tot sein. Ich hoffe, dass ich nicht darunter bin. Und Ava auch nicht. Und Sash. Der Junge aus Distrikt 6. Alle. Aber die Karrieros und die Spielemacher werden schon dafür sorgen, dass nur einer von uns überlebt.
Da ich meine Schlafversuche als sinnlos abgestempelt habe, beschließe ich, dass ich ebenso aufstehen und mich umziehen kann. Ich schlage die Bettdecke zurück und erhebe mich langsam. Mir ist leicht schwindlig. Ob wegen der Kopfschmerzen oder wegen des Schlafmangels, weiß ich nicht. Vermutlich beides. Nicht gerade die besten Ausgangsvoraussetzungen für die Arena. Aber was soll ich machen? Es hat ebenso wenig Sinn, die restlichen ein, zwei Stunden, die ich noch Zeit habe, bis meine Stylistin mich abholt, im Bett zu liegen, nur um, immer wenn ich die Augen schließe, von grausamen Bildern geplagt zu werden.
Auf dem Weg ins Bad fällt mir auf, dass die Straßen und zahlreiche Fenster in den Gebäuden des Kapitols immer noch hell erleuchtet sind. Schlafen die Bewohner des Kapitols nie? In den Distrikten müssen die Menschen tagsüber schwerste Arbeiten leisten, sodass die meisten abends todmüde ins Bett fallen und augenblicklich einschlafen. Oft bin ich in meiner Familie die letzte, die zu Bett geht, weil ich im Gegensatz zu Lea und meinen Eltern aufgrund meiner Gehörlosigkeit nicht arbeiten kann. Während ich den ganzen Tag zuhause bin, das Mittagessen koche und putze, müssen die anderen in einer der zahlreichen Textilfabriken bis zur Erschöpfung arbeiten.
Ob die Bewohner des Kapitols überhaupt arbeiten müssen? Immerhin werden sie von uns Distriktbewohnern mit allem Lebensnotwendigen versorgt – Textilien aus Distrikt 8, Energie aus 5, Nahrungsmittel aus 4, 9, 10 und 11 und sogar die Luxusgüter wie Schmuck werden nicht im Kapitol selbst, sondern extern in einem der Distrikte hergestellt. Wozu sollten die Kapitolbewohner also arbeiten, wenn sie alles geliefert bekommen? Stattdessen können sie ihre Zeit mit alldem verschwenden, was nach Ansicht von uns aus den Distrikten unnütz und sinnlos ist. Schmuck, Schönheitskuren und Partys. Gerade jetzt werden sie vermutlich die Tribute der diesjährigen Hungerspiele feiern. Die Tribute, die in wenigen Stunden in eine Arena gesperrt werden, um sich zum Vergnügen des Kapitols gegenseitig umzubringen.
Ich werde die Bewohner des Kapitols nie verstehen, aber das muss ich auch gar nicht, wenn ich schon in wenigen Stunden tot bin. Vielleicht ist es doch das Einfachste, bevor der Countdown, der bis zum offiziellen Beginn der Hungerspiele einläutet, heruntergezählt hat von der Plattform zu springen und von der Mine in tausend Stücke zerrissen zu werden. Ist vermutlich weniger schmerzvoll, als mit einem Speer des Jungen aus Distrikt 1 im Leib zu enden. Ich weiß nicht, wie oft mir dieser Gedanke schon gekommen ist, und ich weiß nicht, wie oft ich mich ermahnt habe, dass es nichts bringt, so zu denken. Dass ich bereits verloren habe, wenn ich so denke. Wenn ich schon nicht um meinet Willen gewinnen möchte, gibt es so viele andere Menschen, um derer Willen ich es zumindest versuchen sollte. Habe ich nicht erst gestern Abend Durian versprochen, es zu versuchen? Habe ich nicht meinem Vater versprochen, dass ich versuchen werde, zurückzukehren? Habe ich nicht mir selbst versprochen, dass ich für meine Eltern, für Lea und für Durian gewinnen müsse? Wenn ich jetzt bereits aufgeben würde... ich darf Ava nicht alleine lassen.
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Die 101. Hungerspiele★
FanfictionCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...