Ich öffne die Tür zu meinem Zimmer und gehe hinein. Das orangefarbene Kleid liegt immer noch auf dem Bett, wo ich es zurückgelassen habe. Es war niemand mehr in meinen Räumlichkeiten, während ich weg war. Nicht der Avox, der mir das Rüschenkleid ins Bad gelegt hat, und leider auch nicht Durian.Kann ich mir wahrhaftig sicher sein, dass das Kapitol ihm nichts antut, nur weil er ihr Sklave ist? Nicht, dass sie ihm schon so viel angetan hätten. Sie haben ihm die Zunge herausgeschnitten, da war er ein kleiner Junge von zehn Jahren. Ein kleiner Junge, in welchem vielleicht noch ein Fünkchen Hoffnung zu finden war, und wenn es nur die Hoffnung darauf gewesen ist, seiner kleinen kranken Schwester ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Sie haben ihm alles genommen. Seine Stimme. Seine Familie. Seine Heimat. Seine Selbstbestimmung. Seine Ehre. Warum sollten sie Hemmungen davor haben, ihm auch das Leben zu nehmen?
So wie sie mir das Leben zu nehmen gedenken. In gerade einmal zwei Tagen werde ich zusammen mit 23 anderen Jugendlichen in eine Arena gesperrt. Mit 23 anderen Tributen, die mich tot sehen wollen. Außer vielleicht Ava und Sash, wobei ich es ihnen nicht verdenken würde. Möchte nicht auch ich insgeheim, dass die anderen sterben? Denn das ist die einzige Möglichkeit für mich, zu leben. Wenn ich leben will, müssen 23 andere sterben. Wenn ich nach Distrikt 8 zurückkehren möchte, müssen 23 andere sterben. Wenn ich meine Familie wieder sehen möchte, müssen 23 andere sterben. Wenn ich Durian wieder sehen möchte, müssen 23 andere sterben.
Vielleicht ist es besser so, wenn Durian heute nicht mein Zimmer gesäubert hat. Der Kuss...Was bedeutet er? Es hätte nicht passieren sollen. Ich möchte nicht, dass Durian sich etwas ersehnt, was ich ihm nicht geben kann. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, wie hoch sind meine Chancen, dass ich die Hungerspiele überlebe? Wie realistisch ist es, dass ich auch nur den ersten Tag überlebe. Ich möchte Durian nicht das Herz brechen. Das möchte ich wahrhaftig nicht. Das einzige Problem dabei ist: Möglicherweise ist es schon zu spät. Habe ich ihn schon näher an mich herangelassen, als ich sollte? Das ist unverantwortlich von mir.
Weiß ich nicht schon seit der Ernte, seit Lacey mit einer zitternden Hand erst auf mich, dann auf die Bühne gezeigt hat, was mir bevorsteht? Und ich lasse mich dennoch darauf ein. Ich lasse es dennoch zu, dass meine Gefühle die Oberhand gewinnen. Warum ist das so unendlich kompliziert?
Ich seufze, nehme mir das orangefarbene Kleid vom Bett und begebe mich ins Bad. Von einem Moment auf den nächsten bin ich unendlich erschöpft. Das heutige Einzeltraining, die Anspannung im Voraus, die Worte des Jungen aus Distrikt 1, die Erkenntnis, dass Durian heute nicht meinem Zimmer zugeteilt wurde, die Präsentation der Punkte des Einzeltrainings im Fernsehen, all diese Dinge haben mich mehr geschlaucht, als ich gedacht hätte.
Da ich mich zu müde fühle, um noch zu duschen, schlüpfe ich lediglich aus meinem Trainingsoverall und hinein in das Kleid, welches ich mir für die Nacht bereitgelegt habe. Ich werfe einen kurzen Blick in den Spiegel. Das Orange beißt sich furchtbar mit dem rotbraun meiner Haare. Wann nur bin ich so extrem sensibel geworden, was mein Äußeres betrifft? Durian jedenfalls braucht mich nicht in diesem Fummel zu sehen.
Den Rollladen an den Fenstern, den der Avox, der heute mein Quartier gereinigt hat, vollkommen lichtdicht geschlossen hat, öffne ich wieder einen Spalt, bevor ich hinüber zur Tür gehe, um das Licht zu löschen. Meine Augen gewöhnen sich rasch an das schwache Licht, welches durch die Ritzen des Rollladens dringt.
Ich krieche unter die warme, weiche Bettdecke und taste mit meiner rechten Hand unter dem Kopfkissen nach dem Halstuch, welches Lacey mir mitgegeben hat. Mit dem wertvollen Stück Stoff in der Hand falle ich ziemlich schnell in einen unruhigen Schlaf.
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Die 101. Hungerspiele★
FanfictionCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...