Frustriert und mit hängendem Kopf, ein Messer noch in der rechten Hand, stehe ich dort. Ich spüre, wie die Tränen in meine Augen steigen. Ärgerlich wische ich mir über das Gesicht. Wenn ich jetzt anfange zu heulen, kann ich den Karrieros auch gleich sagen, sie sollen mich hier und jetzt erschießen. Aber vielleicht wäre das auch das Beste? Hier und jetzt einen schnellen, quallosen Tod sterben. Besser als in der Arena grausam ermordet zu werden oder qualvoll zu verhungern und verdursten ist es auf jeden Fall.Alleine habe ich in der Arena keine Chance. Ich kann diejenigen Tribute, die jedes Jahr freiwillig, ohne sich um einen Verbündeten zu bemühen und als Einzelgänger in die Arena gehen zu schlagen versuchen. Meistens sind die Einzelkämpfer die ersten, die von den Karrieros, anderen starken Bündnissen oder natürlichen Ursachen wie Hunger, Durst oder Krankheit dahingerafft werden. Werde ich deren Schicksal teilen? Werde ich ebenfalls als eine der ersten sterben, nur weil ich keine Verbündeten habe?
Das ist nicht fair! Ich möchte doch einen Verbündeten haben. Aber selbst kann ich mich nicht auf die Suche machen, weil Yarnn mir verboten hat zu sprechen. Wie soll ich den anderen Tributen ohne gesprochene Worte mein Anliegen darlegen? Ich bin darauf angewiesen, dass jemand anderes mich um ein Bündnis bittet. Aber sowohl die Rothaarige aus 5 als auch die Kleine aus 7 haben sich sofort zurückgezogen, als sie kapiert haben, dass ich gehörlos bin, dass meine Ohren zu nichts taugen. Warum nur musste vor 3 ½ Jahren dieser Unfall passieren? Warum war ich bei der Explosion in der Fabrik? Warum war ich in der Nähe des Farbkanisters? Warum wurde ich für die Hungerspiele ausgelost, wo es doch zahlreiche andere Mädchen in Distrikt 8 gibt, die es an meiner Stelle hätte treffen können. Dieser Gedanke ist egoistisch und andere Mädchen haben die Chance, länger zu leben viel mehr verdient als ich, da ich sowieso für immer und ewig ein Krüppel bleiben werde, aber auch ich bin noch viel zu jung, um zu sterben. Wie all die anderen Tribute, die jährlich in das Kapitol geschickt werden, um sich in einer Arena gegenseitig umzubringen. Wie der kleine Junge aus Distrikt 6 oder das Mädchen aus Distrikt 7, das mich abgewiesen hat. Selbst die Karrieros, wie grausam und gewissenlos sie auch sein mögen, auch sie haben Familie, die nach ihrem Tod um sie trauern wird.
Als mich jemand an der Schulter berührt, zucke ich erschrocken zusammen und befürchte schon, dass ich die Karrieros durch meinen Gedankengang zu mir gelotst habe, doch es ist das Mädchen aus Distrikt 7. Sie hat ein Blatt Papier in der Hand, das sie mir nun fordernd entgegen hält.
Ich schließe kurz die Augen, um den Moment, da ich die schlimmen Dinge, die sie sicherlich geschrieben hat, lesen muss, hinauszuzögern, bevor ich mich auf ihre feine Handschrift konzentriere. Immerhin macht sie sich überhaupt noch die Mühe, mit mir zu kommunizieren. Anders als die Vierzehnjährige aus Distrikt 15.
„Möchtest du dich mit mir verbünden?", steht dort in feinsäuberlicher Schrift geschrieben. Ich lese die Worte noch einmal. Und nochmal. Nochmal. Doch sie ändern sich nicht. Die Schrift verschwindet vor meinen Augen, doch diesmal sind es Freudentränen. Die ich dennoch ebenso energisch wegwische wie die Tränen vorhin. Auch Freudentränen können als Schwäche angesehen werde.
Ich öffne gerade meinen Mund, um zu antworten, als ich mich daran erinnere, dass ich im Training keinen Ton von mir geben solle. Ich greife nach dem Blatt Papier und das Mädchen reicht mir einen Stift. Ich setze mich auf den Boden und lege das Blatt vor mich hin, damit ich eine feste Schreibunterlage habe.
„Meinst du das wirklich?", schreibe ich in schlichten Druckbuchstaben und die Angeschriebene, die neben mir in die Hocke gegangen ist, nickt. Ich fahre fort: „Obwohl ich nichts hören kann?" Sie nickt nochmals, dreht das Papier um und ich geben ihr den Stift zurück, als sie schreibt. Ich lese es erst, als sie das Blatt wieder zu mir umdreht: „Du kannst gut mit Messern umgehen – Ich kann klettern. Du bringst mir das Messerwerfen bei und ich dir das Klettern!"
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Die 101. Hungerspiele★
FanfictionCorina Henson ist 16 Jahre alt und kommt aus Distrikt 8. Vor knapp 3 1/2 Jahren verlor sie bei einem Arbeitsunfall ihr Gehör. Als sie für die diesjährigen Hungerspielen ausgelost wird, scheint alles verloren. Doch dann beschließt Corina zu kämpfen...