Bis morgen!

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Ich  bin erleichtert, als der Junge aus Distrikt 12 von Caesar verabschiedet  wird und wieder zu uns anderen hinüberkommt. Caesar verabschiedet die  Gäste und beendet die Show. Endlich dürfen wir unsere Plätze verlassen  und ich kann dem Blick des Jungen aus Distrikt 1 entfliehen. Ich habe  versucht, dem Achtzehnjährigen mit ebenso giftigen Blicken zu begegnen,  bin jedoch kläglich gescheitert. Er macht mir Angst. Doch noch kann er  mir nichts tun. Morgen wird sich das ändern. Wenn wir in der Arena sind.  Wenn niemand mehr ihn daran hindern kann, mich zu jagen. Mich zu jagen  und töten.

Als jemand mich an der Schulter berührt, schrecke ich  auf und mein Blick flackert panisch über die beinahe verlassene Bühne.  Es ist nur Sash. Wenn ich jetzt schon so schreckhaft bin, wie wird es  erst morgen? Wenn wir in der Arena sind? Sash kann ich vertrauen. Oder?

Mein  Distriktpartner deutet mir in Ermangelung von Papier und Stift mit  Hilfe der Hände an, dass wir nach oben gehen sollen. Die anderen Tribute  wie auch Caesar haben die Bühne bereits verlassen, lediglich ein paar  Techniker des Kapitols, vermutlich Avoxe, hantieren noch auf der Bühne  herum.

Ich nicke Sash zu und folge ihm von der Bühne, die Treppe  hinunter und einen schmalen abgegrenzten Pfad entlang hinüber zum  Trainingscenter. Am Aufzug drückt Sash auf die Taste mit der Ziffer 8  und wartet. Ich warte auch. Wir schweigen uns an, obwohl ich ihm gerne  gesagt hätte, dass er sein Interview gut gemacht hat. Es wäre eine Lüge.  Nicht, dass sein Interview nicht gut war. Aber ich kann nicht sagen,  dass es gut war, wenn ich es nicht mitbekommen habe. Deshalb sage ich  nichts. Ich möchte nicht, dass er etwas zu meinem Interview sagt. Ich  weiß, dass er ihm aufmerksam gefolgt ist. So wie er mich schon während  des Trainings beobachtet hat. Während ich mich nur um mich selbst  gekümmert habe. Vielleicht noch um Ava.

Der Aufzug kommt und wir  fahren nach oben. Mittlerweile spüre ich es kaum noch, wie ich den Boden  unter den Füßen verliere. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich in  den letzten Tagen den Aufzug genutzt habe. Nun kann ich zählen, wie oft  ich noch damit fahren werde. Einmal. Morgen, wenn wir zu den Hovercrafts  gebracht werden. Die uns in die Arena bringen.

Der Aufzug bleibt  stehen und die Türen geben den Blick frei auf unsere Etage. Ich winke  Sash und begebe mich dann in mein Zimmer. Bis zum Abendessen und zur  Wiederholung der Interviews dauert es noch etwas. Ich werde mich  umziehen und eine ausgiebige Dusche nehmen. Ich weiß nicht, ob ich  morgen noch dazu Zeit habe und wer weiß, wann und ob ich nochmal die  Gelegenheit dazu habe. Vielleicht ziehe ich nach der Dusche das  giftgrüne Nachthemd mit den Rüschen an? Nicht, dass es mir gefallen  würde, aber wann werde ich je wieder die Gelegenheit haben, so etwas  Grausiges zu tragen?

In Distrikt 8 sicherlich nicht. Mag sein,  dass sie bei uns in den Fabriken solchen Fimmel produzieren, aber bei  uns wird nur schlichte, nützliche Kleidung verkauft. Die bezahlbar ist.  Oder es jedenfalls sein soll. Ich kenne wenige in meiner Nachbarschaft,  die mehrere Kleider zum Wechseln haben. Aber werde ich Distrikt 8 je  wiedersehen? Meine Eltern? Meine Schwester? Lacey?
Wenn, dann müssen  23 andere sterben. Sash. Ava. Der kleine Junge aus Distrikt 6. Ich weiß  nicht, ob ich das ertragen würde. Töten werde ich niemanden. Das kann  ich nicht.

An meiner Zimmertür angekommen öffne ich sie und bleibe wie angewurzelt im Türrahmen stehen.

Ich  bin nicht allein. Doch es ist nicht Durian. Es ist nicht Sash. Es ist  nicht Hestia oder Yarnn. Es ist keiner der Avoxe, die auf unserem  Stockwerk arbeiten. Sie trägt immer noch das mattgoldene, leichte Kleid  von den Interviews. Auch ihre Haare hat sie nicht verändert und so  stecken sie immer noch in einer komplizierten Hochsteckfrisur. Wie ein  Engel sieht sie aus oder wie die Sonne selbst. Lediglich die hohen  Schuhe hat sie gegen einfache Ballerinas ausgetauscht.

Die 101. Hungerspiele★ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt