Kapitel 60: Toni

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Nia hielt mich weiter in seinen Armen , während das Wasser im Teekessel kochte. Ich konnte es brodeln hören. Nia war ganz still und sagte nichts. Er fragte nichts , erwartete nichts , war einfach für mich da. Ich verkroch mich noch ein wenig mehr in seinem Pulli um mein lautes Hicksen zu unterdrücken. "Weißt du , ich dachte.... Ich dachte alles wäre okay , und dann kommt er und zieht an meinen Haaren verstehst du , ich hatte keine Ahnung das er...", stammelte ich und brach wieder ab um weiter zu Schluchzen. Nia hielt mich noch fester. Ich hätte nicht gedacht, dass ich danach noch in die Arme eines Jungen flüchten konnte. Es klingelte. "Das wird Toni sein.", sagte Nia und zupfte ganz vorsichtig an meiner Hand. Er behandelte mich , als wäre ich eine Glasfigur. Als könnte ich brechen , wenn er es übertrieb. Ich ließ ihn los , nur um zu einem der vielen Kissen zu greifen , die Nia auf seinem Sofa liegen hatte. Er hatte Viky und Lia kontaktiert. Auch sie würden in zwei Stunden da sein. Aber ich machte Ihnen keine Vorwürfe dafür, dass Viky noch von Dienslaken nach Köln düsen musste und das Lia ihr Familienwochenende hatte. Das war ja so geplant gewesen. Dumme Planung. Doch allein an der Art, wie Toni fast die Tür einrannte, sich seinem Weg durch Nias Zeug bahnte, dann vorsichtig niederließ und mich aus seinen schokoladenbraunen Augen voller Mitleid anschaute, gab mir das Gefühl gut aufgehoben zu sein. Ich schloss für einen kurzen Moment erleichtert die Augen , schlug sie dann schnell wieder auf. Die Erinnerung kam mit der Dunkelheit. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich Vados schweres Atmen gehört, den süßen Rauch der Shisha wahrgenommen , der mir den Atem geraubt hatte, mit den Fesseln gekämpft und den Schmerz zwischen den Beinen gespürt... Ohne weiter Nachzudenken schlang ich die Arme um Tonis Körper und heulte lautlos. "Es ist alles gut , alles gut.", murmelte er in meine Haare. Sanft streichelte er meinen Rücken und ich sah aus dem Augenwinkel, wie Nia mit Tee wieder ins Zimmer kam. "Ich bringe ihn um.",versprach Toni mir. "Es.. Es.... Es ist so schwer.", hauchte ich. Vado hatte mich enttäuscht. Vado. Mein Vado. "So schwer.", sagte ich dann lauter. Der Schock. Der Schmerz. Das Unwohlsein. Und vor allem , die schwere Enttäuschung. "So schwer.", schrie ich und gab erstickte Laute von mir. Toni fing an mich leicht zu wiegen, bis ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte. Nia nahm meine nutzlos herumbaumelnde Hand und verschränkte sie mit seinen Fingern. Den anderen Arm hatte ich um Toni geschlungen. Beide waren auf ihre eigene Art und Weise das beste Heilmittel. Nia , verständnisvoll, ruhig und Toni, der nun leise summte , mich wiegend, trostspendend. Ich weiß nicht wie lange es so weiterging , bis sie mich dazu brachten, ein wenig Tee zu trinken. Ich trank , weiterhin in Tonis Arm aus dem ich auch nicht vorhatte jeh wieder herauszukommen. "Forscher sagen immer, man ist traumatisiert fürs Leben. Aber das will ich nicht. Ich will mein Leben normal weiterleben. Aber....", erklärte ich irgendwann und schob mich ein wenig von Toni weg um in sein Gesicht zu blicken. "Das musst du auch nicht. Aber gib dir selbst Zeit, zu verarbeiten, was geschehen ist." Ich nickte und verschwand wieder in seinen Armen.

Wieder klingelte es. Wie viel Zeit war vergangen? Ich hatte nichts mitgekriegt. Einige Sekunden später kamen Viky und Lia auf mich zugestürmt. Beide setzten sich links und rechts von Toni und begannen wild durcheinander zu fragen. Toni ließ sie zuende reden und tippte mich dann an. "Kannst du schon erzählen?" Ich nickte. Aber auch nur Ihnen. Niemals könnte ich jetzt zur Polizei gehen. Vorsichtig setzte ich mich auf und öffnete meinen Mund , aus dem eine Weile lang nichts kam. Dann fing ich an:" Erst war alles okay. Wir haben geredet ,er schien zu verstehen , dass ich Schluss machen wollte, aber dann... Er hat mich an meinen Haaren gepackt und aufs Sofa geschmissen und angefangen mich zu betatschen. Er hat mein T-shirt ausgezogen und meine Hose und hat sich auch ausgezogen und dann hat er..... mich gezwungen....." Ich brach ab. Am liebsten würde ich mich wieder in Tonis Arme kuscheln und an andere Sachen denken. Ich sprach schneller , als ich fortfuhr. "Ich war so geschockt , ich hab nicht nachgedacht. Ich hab gekämpft, gegen den Schock, wisst ihr, aber es dauerte viel zu lange. Irgenwann habe ich meine Hände freigekriegt, mit dem Schlüssel aus meiner Hose die neben mir lag? und er war unten zu Gange. Ja , Lia er hat mich erst geleckt. Er sagte es ist dann leichter." Ich schüttelte mich. Lia , die fragend geschaut hatte, sah nun aus , als würde sie Vado gerne töten. "Irgendwann hat er aufgehört, seine Hose ausgezogen und ich hab mich endgültig aus meiner Starre befreien können. Ich hab ihm ins Gesicht getreten, und bin halb nackt in den Flur gerannt. Hab Nia angerufen. Runtergerannt. Mich in den Büschen versteckt. Angezogen. Auto gehört. Ich hab Vado suchen gesehen. Warum wir nicht weiter? Hat er gerufen. Ich....." Ich brach ab. Mein Atem ging wieder schneller und ich fühlte mich zurück in die Situationen versetzt. Viky hatte während der Geschichte ihre Arme um ihre Knie geschlungen und lehnte sich nun an Nias Schulter. Lia sah aus , als wollte sie sich übergeben. Es kam mir ironischer Weise falsch vor , dass sie sich nicht über Viky und Nia aufregte, obwohl sie nichts taten. Sie lehnten nur aneinander, wie zwei gute Freunde, die etwas schlimmes miterlebt hatten. Mein Ekel gegen Vado rückte in den Hintergrund  und ich fing an mich innerlich über meine tollen Freunde zu freuen, die jetzt gerade einfach alles was sie sonst bedrückte hinter sich ließen, und für mich da waren. Das wurde auch noch einmal ganz klar deutlich, als Viktor ankam. Er und Viky taxierten sich kurz, dann seufzte er und breitete die Arme aus, in die Viky hinein flog. "Es ist schrecklich. ", flüsterte sie und zog ihn zu sich aufs Sofa. Nia setzte sich nun neben Lia und machte ihr auf seine stille Art klar, sie könnte ihn jetzt auch drücken, was sie auch sofort tat.

"Wollen wir fernsehen?", fragte Viktor nach einer unheimlich langen stillen Pause. "Ja.", sagte Toni und machte Anstalten aufzustehen. "Ich komme gleich wieder.", erklärte er mir sanft und strich mir über die Wange. "Beeil dich.", befahl ich ihm mit brüchiger Stimme. "Mann könnte meinen die sind zusammen.",hörte ich Viktor Viky ins Ohr raunen, die kicherte und sich dann näher an ihn ranschob.  "Und wie sieht das bei uns aus?" "Viktor wurde genau wie Viky verlegen und beide wendeten auf so witzige Weise den Kopf ab, dass ich zum ersten Mal an diesem Abend lachte. Lia stieg schnell ein, und Viky und Viktor lachten auch mit. Toni kam endlich zurück. Er hatte Snacks und die Fernbedienung  ( die scheibar in der Küche lag, Nia WTF?) geholt und setzte sich nun zu mir um mir seine Arme um die Schultern zu legen. Mein Magen schlug einen Salto. Alles in mir war warm und kribbelig. Ich schloss schnell die Augen, fühlte Tonis Arme, die fest um mich geschlungen waren und schlief ein.

Irgendwann fühlte ich, wie jemand mich vorsichtig rüttelte. Ich wachte auf. "Ihr müsst nach Hause.", meinte Toni. Verwirrt setzte ich mich auf. Ja stimmt, wir waren noch bei Nia. "Kann ich nicht hierbleiben? ", fragte ich benommen. "Komm jetzt, Antonia. ", sagte Viky ruppig. Ich grinste. Jaja, morgen war ja Uni und alles musste wieder nach Fräulein Rothantias Plan laufen. "Ich komm auch mit.", versprach Toni mir. "Okay, na dann.", seufzte ich. "Aber wir passen nicht alle in ein Auto." "Viky bringt Viktor nach Hause. Sie ist ja eh mit dem Auto gefahren. Und Nia bringt dich, Lia und mich weg." "Das ist lieb von dir.", murmelte ich in Nias Richtung, der die Spur eines Lächelns auf seinen Lippen hatte, und gedankenverloren mit Lias Haaren spiele. Seine Augen jedoch waren wachsam und blinzelten mir zu. Lia sah aus, als hätte sie den größten Preis auf Erden gewonnen. "So jetzt kommt aber auch Leute.", rief Viky gebieterisch. Ich stand auf und lehnte mich gegen Toni, dessen Handy vibrierte. "Meine Freundin. ", erklärte er entschuldigend. Zu meiner Überraschung machte er das Handy aus und führte mich langsam aus der Wohnung hinaus, auch wenn ich selbst in der Lange war zu gehen. Ein diabolisches Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus. Tja. Ich stand wohl an erster Stelle.....

Auf Wunsch einer Leserin ein extra langes Kapitel. Habt einen schönen Montag.  Stay immer fresh und bleibt alle immer Iblali positiv. Bis bald eure
Mona LP Bam

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