Lächelnd mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Zum Glück muss ich auch für diese Reise keinen einzigen Koffer packen. Der Laptop auf meinem Schreibtisch blinkt wild und ich klappe ihn auf. Ein Fenster leuchtet auf. Ich schnappe nach Luft. Hört das denn nie auf? „Bez?" Keine Reaktion. „Bez! Ich meine Jaden! Beweg deinen Arsch sofort hierher!" Okay, Brüllen sollte ich in Zukunft vermeiden. Meine Ohren werden es mit danken. Zerspringendes Glas klingt im Hintergrund auf, kurz darauf folgen schnelle Schritte, die lautlos über den Boden zu schweben scheinen. „Was ist?" Bez erscheint im Türrahmen und stürzt auf meinen Schreibtisch zu. Kaum hat er einen Blick auf den Bildschirm geworfen, flucht er los. „Wie kann das sein? Da drüben sind die besten Leute, die wir haben!" Er fährt sich mit der Hand über sein Gesicht. „Wir müssen etwas unternehmen. Und ich sage es dir, wer mich dann noch einmal nervt, kriegt richtig eins auf die Glocken!" Ich schnappe mir meine Handtasche, den Laptop, Bez und einen Autoschlüssel. „Lara? Ich muss gehen. New York geht klar, du erhältst alle nötigen Infos per Post!", rufe ich im Vorbeilaufen und renne aus dem Haus. Beinahe sportlich gleite ich in den fetten Geländewagen vor dem Haus, starte den Motor und drücke das Gaspedal voll durch. Bez nimmt mir den Laptop ab und beginnt, darauf zu tippen. „Die Videoverbindung läuft über das Internet. Anscheinend hat jemand unbemerkt die Webcam angeschaltet." Ich rase um die Ecke und nehme einen Plastikpfosten mit. Aber das ist mir herzlich egal. „Wer steckt dahinter?" Bez schüttelt den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Man sollte meinen, du hast genug Exempel statuiert. Aber da legt es jemand besonders drauf an, dich näher kennen zu lernen." Ich schaue noch einmal auf den Laptop, doch das Bild hat sich nicht verändert. Doc und Fothy sitzen gefesselt, geknebelt und bewusstlos Rücken an Rücken auf dem Boden eines Hauses, von dessen großen Fenstern aus man deutlich ein Ortschild erkennen kann. Cambridge. Sie haben es also bis zur Uni geschafft. Immer noch mit Vollgas lenke ich das Auto auf den Flughafen von Miami zu und lege vor den privaten Terminals eine saubere Vollbremsung hin. Soweit die sauber sein können. Der erste Butler kommt angelaufen und will mir den Autoschlüssel abnehmen. „Bis wann wird Ihr Wagen voraussichtlich hier stehen, Miss Stoneforth?" „Behalten Sie das Teil." Ich schmeiße ihm den Zündschlüssel zu und renne mit Bez an meiner Seite in das Flughafengebäude. Der einzige Schalter in der edlen Halle ist mit einer Frau besetzt, die mit gespitzten Lippen auf eine Tastatur einhackt. Als wir sie erreichen, schaut sie kurz hoch. „Miss Stoneforth, was kann ich für Sie tun?" „Wie lange dauert es, bis mein Flugzeug startklar ist?" Nun schaut sie ein wenig länger hoch. „Ich habe nicht viel Zeit. Würden Sie also die Freundlichkeit besitzen, mir zu antworten?", lege ich giftig hinterher. „Aber natürlich. Ihr Firmenjet ist leider gerade in der Inspektion. Aber Sie hätten noch einen Jet, der vor etwa zwei Monaten hier angekommen ist. Das dürfte aber eine Stunde dauern." Ich schaue Bez an, der nickt. „Das wäre wunderbar", sagt er sehr viel freundlicher. „Wir kommen dann wieder." Die Frau lächelt beeindruckt und löst ihren Blick augenscheinlich widerwillig von Bez. Er nimmt mich am Arm und führt mich zurück nach draußen. „Du musst Contenance wahren." Ich zucke zusammen. „Tut mir leid." Bez winkt ab. „Ist jetzt eh zu spät. Der Jet wurde vor zwei Monaten für den Fall der Fälle hierher gebracht. Er ist voll bewaffnet für zivil." Ich schaue ihn verständnislos an. „Heißt: Wir haben genug Waffen an Bord, um das FBI anzugreifen, solange du keinen Luftangriff starten willst." Ach so. „Wo ist der Wagen?" Bez schaut sich suchend um. „Habe ich verschenkt." Kleinlaut betrachte ich den Boden. „Was?" Bez schüttelt den Kopf. „In diesem Fall müssen wir schon jetzt in den Flieger einsteigen." Wir gehen wieder zurück ins Gebäude und auf der anderen Seite gleich wieder hinaus. Keine 50 Meter weiter befindet sich ein riesiger Hangar, dessen Tore schon geöffnet wurden. „Ist das ein Scherz?" Bez schaut sich verwundert um. „Was soll ein Scherz sein?" Ich deute auf das Flugzeug, das vor uns steht. „Du sagtest, wir nehmen einen Privatjet. Sind die nicht eigentlich ein bisschen dezenter? Ein kleines Bisschen?" „Hä? Ist doch ganz normal." Ich schüttele den Kopf. Das kann noch was werden. Der kleine Privatjet, von dem die Rede war, ist in Wahrheit ein ausgewachsenes Passagierflugzeug. Um das Fahrwerk des Privatjets wuseln ein paar Leute und machen das Flugzeug startklar. Von allen Seiten werden wir freundlich begrüßt. Irgendwie fühle ich mich wie auf dem Präsentierteller. Zum Glück ändert sich das, als wir den Jet über eine Treppe betreten haben. Ich schnappe nach Luft. Das Innere des Flugzeuges besteht aus Militärschränken, die mit Waffen und allerlei Technikkram gefüllt sind. In der Mitte des Rumpfes steht ein langer schmaler Metalltisch um den viele bequem aussehende Sessel positioniert sind. „Scheiße ist das cool." Ich lasse mich in einen der Sessel fallen. „Nicht schlecht." Bez lächelt mich an und stellt den Laptop auf den Tisch. Das Bild ist nach wie vor unverändert. „Wir sollten uns jetzt darum kümmern." Er deutet auf den Bildschirm und ich setze mich wieder gerade hin. „Verstärkung können wir nicht anfordern, das dauert zu lange und ist viel zu schwer zu koordinieren. Wir kriegen das aber problemlos alleine hin." Er tippt auf der Tastatur herum, woraufhin die Webcamaufnahme auf den Tisch projiziert wird. „Wir haben hier ein riesiges Tablet, um es einfach auszudrücken", sagt Bez, als er meinen verwunderten Blick bemerkt. Alles klar... „Der Grundriss eines wie es scheint riesigen Gebäudes leuchtet auf. „Das ist dein Haus in Cambridge. Es gibt mehrere Eingangstüren im Erdgeschoss, bodentiefe Fensterfronten sind auch viel zu finden. Es wird also sehr schwer werden, unbemerkt an das Haus heranzukommen." Ich unterbreche Bez. „Wieso ist das so? Sollte es nicht ein bisschen blickdichter sein?" „Eigentlich sind wir ja auf der anderen Seite, heißt, wir können jeden Angreifer besser sehen als er uns. Ist jetzt halt irgendwie blöd gelaufen." „Kann man so sagen." Bez schaut mich an. „Hast du eine Idee, wie wir da reinkommen? Ich nämlich nicht." Ihn ratlos zu sehen, nimmt mir den Mut. Aber das kann ich mir jetzt nicht leisten. „Gibt es einen Plan vom Untergeschoss?" Bez tippt einen Moment auf dem Tisch herum. „Hier haben wir ihn." Schnell studiere ich die Zeichnung. „Es gibt also eine Tiefgarage. Wenn ich richtig schaue, hat sie keine Schranke. Die Kontrolle findet also an der Zufahrt statt. Der Aufzug in den ersten Stock steht gar nicht erst zur Debatte. Wir müssen über die Treppe. Die ist aber garantiert auch gesichert. Wenn wir es mit Profis zu tun haben, wovon ich aber ausgehe." Bez beginnt, meine Überlegungen aufzuschreiben. „Die Garage können wir also vergessen. Erster Stock?" Eine neue Zeichnung erscheint. Im selben Moment schließt sich die Tür des Flugzeuges und wir setzen uns in Bewegung. „Es gibt anscheinend viele Fenster. Haben wir einen Brillianten an Bord?" Bez schaut mich verwirrt an. „Da es unser Haus ist, ist das Glas vermutlich kugelsicher. Ein einfacher Glasschneider reicht da nicht." Bez Augen leuchten auf. Er hat mich anscheinend verstanden. „Unten sind verschiedene Schmuckstücke. Keine Ahnung wieso, aber die befinden sich in jeder gut ausgestatteten Kommandozentrale. Das hier ist deine AirForce One", fügt er hinzu, als ich ihn fragend anschaue. Na dann... „Wenn wir durch das Glas brechen, macht das einigen Lärm. Doc und Fothy sind im Erdgeschoss. Wir müssen uns also beeilen, damit sie das überleben." Bez Stimme bricht ab. „Das sind vermutlich nicht die Typen, die auf eine zufällig gelieferte Pizza hereinfallen." Bez schüttelt den Kopf. „Vermutlich nicht." Ich überlege einen Moment. Das ganze Vorhaben spielt sich in meinen Gedanken schon einmal ab. Wenn wir genau das tun was ich zu tun gedenke, sollte es funktionieren. Ich erkläre Bez mein Vorhaben und er stimmt mir zu. „Wir sollen packen." Inzwischen befinden wir uns auf normaler Flughöhe. Gespannt folge ich Bez in das untere Stockwerk. Auch hier sind die Außenwände des Flugzeugs mit Militärausrüstung voll gestellt. Bez bedeutet mir, mich umzuziehen und ich folge einer Regalreihe zu den Klamotten. Vorsichtig ziehe ich Sachen in meiner Größe aus den Stapeln hervor und schlüpfe hinein. Okay, das sieht jetzt etwas peinlich aus. Ich gehe zurück zu Bez. Er trägt inzwischen denselben hautengen schwarzen Anzug. Ich kann ein Lachen nicht zurückhalten. Angesichts der Situation ist das mehr als abstrakt. Aber na ja. Ich bin ja kein Gott. Nachdem wir uns wieder eingekriegt haben helfen wir uns gegenseitig, schusssichere Westen anzulegen. „Die sind schnittiger geworden. Früher hat Jaxx mich manchmal gezwungen welche anzuziehen, wenn er beunruhigt war. Ich sage dir, das hat garantiert zwei Kleidergrößen mehr bedeutet..." Bez grinst mich an. „Kann ich mir vorstellen." Er reicht mir eine Hose mit eingenähten Beinprotektoren und eine dünne Jacke. Zuletzt ziehen wir uns Stiefel mit hohem Schaft an. „Wir sehen aus wie zwei durchgeknallte Agenten in einem schlechten Film." Aber eigentlich ist alles bequem und behindert absolut nicht die Bewegungsfreiheit. „Wenn Thekla mich so sehen würde..." Bez brummt vor sich hin. „Dann bräuchte ich kein Headset mehr." In der Tat, Thekla würde ihn zu Kleinholz verarbeiten. Wir gehen wieder auf das obere Deck, wo Bez uns miteinander verkabelt, während ich umständlich versuche, mir das eine oder andere Holster um die Beine zu schnallen – ohne bemerkenswerten Erfolg, bis Bez mir hilft. „Mit welcher Hand schießt du besser?" Er schaut mich fragend an. „Egal. Geht mit beiden Seiten gleich gut." „Ich gehe dann rechts, da bin ich stärker." Ich nicke. „Ansonsten bleibt nur noch, viel Glück zu sagen. Also: Viel Glück." Ich lächle ihn an. „Auf ein Neues."
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Victories (Buch 2)
ActionJaxx ist tot, er wurde während der Krönungszeremonie erschossen. Von Rachegedanken geplagt versucht Emilia Stoneforth als neue Victoria nun, die verantwortlichen Rebellen aufzuspüren - um ihnen zu geben, was sie verdienen...