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Wenig später kommen auch Fothy und Bez an und kauern sich hinter die zwei Bäume neben meinem. „Das ist auch was." Alle drei starren wir auf die Lichtung. Vor uns erstreckt sich eine Art eingezäunter Zeltplatz. Allerdings würde ich als Familie da keinen Urlaub machen wollen. Als Einzelperson auch nicht. Bewaffnete Menschen laufen durch das hell erleuchtete Lager, einige schleppen Kisten hin und her, andere haben sich in Kleingruppen um Tische und Flipcharts versammelt und scheinen was auch immer zu diskutieren. „Ich würde sagen, dass das eine Art Rebellenlager ist." Bez kratzt sich am Kopf. „Das gibt Arbeit." Fothy sieht so aus, als würde er sich gleich übergeben. „Ist alles okay mit dir?" Er nickt. „Die gehen mir auf den Keks." Kann ich verstehen. Bez zieht eine Tasche zu sich, die er mit in den Wald geschleppt hat. „Die müssen wir auf einem Baum platzieren." Er reicht mir zwei Richtmikrofone, Kabelbinder und Klebeband. Mit der Hand gestikuliert er wild herum. Allerdings verstehe ich nicht so wirklich, was er von mir will, weshalb ich ihn verständnislos anschaue. Er verdreht die Augen. „Du gehst auf die andere Seite des Lagers und klebst die Teile dort irgendwo fest." Ach so. Kann er ja gleich sagen... Ich mache mich auf den Weg. So leise wie möglich husche ich von Baum zu Baum und vergewissere mich jedes Mal, dass ich nicht gesehen wurde. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich die andere Seite des Lagers erreiche. Von hier aus hat man einen besseren Blick auf die Flipcharts. So schnell wie ich kann klettere ich auf einen stabil aussehenden Baum. Das ist gar nicht so einfach wie man denkt, wenn da überall noch Äste an der Seite runterhängen. Als ich das in Monks Parcours gemacht habe, war das viel einfacher. Vorsichtig setze ich mich auf einen dicken Ast und klebe zuerst eines der Richtmikrofone fest. Wenn man jetzt vom Lager aus diesen Baum anschaut, wird man nichts als einen unauffälligen Laubhaufen an einem Ast sehen können. Und wo ich gerade hier oben bin, ziehe ich das Zielfernrohr aus meiner Tasche und werfe einen Blick auf eine der Flipcharts. Die waren echt gründlich! Der Grundriss des allgemein zugänglichen Teils der Baze hängt neben einem Verzeichnis, dessen Inhalt ich nicht erkennen kann. Die haben also entweder weitere Kontaktmänner in der Baze oder sie waren bei der Krönung dabei. Oder beides. Tatsächlich kommen mir ein paar der umstehenden Gesichter auch bekannt vor, aber das kann jetzt auch einfach nur Wunschdenken sein. In so einer Situation würde ich vermutlich in jedem Menschen einen Verräter sehen. Außer natürlich in Bez und Fothy. Als ich genug gesehen habe springe ich vom Ast auf den Boden. Und lande absolut dilletantisch auf dem Bauch. Der Aufschlag presst mir die Luft aus der Lunge und lässt mein Headset in die Büsche fliegen. Und als ob das nicht reichen würde, habe ich mit meinem ungalanten Abgang auch noch einen Heidenlärm veranstaltet. Wie kann man nur so doof sein? Immer noch außer Puste drehe ich mich auf den Rücken. Und blicke in blank polierte Gewehrläufe. Toll, Emilia. Unsanft werde ich auf die Beine gezerrt. Ich beginne zu protestieren und mich zu wehren, aber das interessiert die Anwesenden nicht wirklich. Unter einem wortreichen Aufstand werde ich in das Zeltlager geschleift und dort mit Handschellen um einen Pfosten gekettet. Fehlt nur noch, dass die Männer beginnen, tanzend um mich herumzuhüpfen und Beile zu schwingen! Aber so weit kommt es dann doch nicht. Ich verschließe meinen Mund, als ein ziemlich autoritär aussehender Mann auf mich zukommt und etwa so amüsiert dreinschaut wie ein Polizist in einer Drogenhölle. Mit zusammengekniffenen Lippen bleibt er wenige Zentimeter vor mir stehen und mustert mich mit seinen kalten Augen. Der Ernst der Situation holt mich schlagartig ein. Ich stecke echt in Schwierigkeiten. Hoffentlich haben sie Bez und Fothy nicht entdeckt! Aber ich bezweifle, dass die beiden galant wie ein Nashorn von einem Baum gefallen sind. Der Mann greift mir in die Haare und riecht an ihnen. Was für ein perverses Schwein! „Miss Stoneforth. Sie kommen also zu uns, das ist ja praktisch." Einer Eingebung folgend ramme ich dem Typen mein Knie in die Weichteile. Fast augenblicklich wird sein Kopf knallrot, er kneift die Beine zusammen und quietscht ein wenig, hat sich aber sonst unter Kontrolle. „Du... Du..." Ich sehe nicht kommen und abblocken kann ich erst recht nicht. Seine flache Hand klatscht gegen meine Wange und schleudert meinen Kopf zur Seite. Bewusst blende ich den Schmerz aus und richte mich wieder auf. „War das alles?" Angeekelt spucke ich ihm Blut vor die Füße. Im selben Moment trifft er meine andere Wange und schleudert meinen Kopf in die andere Richtung. Ein leises Pochen macht sich in meinem Gesicht bemerkbar. So gut es geht ignoriere ich es und konzentriere mich auf den Mann. „Was ist? Was wollen Sie von mir?" Provokant strecke ich das Kinn nach vorne und schaue ihm auffordernd in die Augen. Er taxiert mich immer noch mit seinem bohrenden Blick, aber dieses Mal halte ich ihm stand. „Das ist erst der Anfang vom Ende, das kannst du mir glauben!" Ich ziehe ungläubig eine Augenbraue nach oben. „Sicher? Sie wollen mit den paar Zeichnungen meine Baze einnehmen?" Das scheint ihn zu verunsichern, sein Blick zuckt kurz zu der Flipchart hinüber. Schnell hat er sich wieder unter Kontrolle. „Das kann dir ja egal sein. Tatsache ist, dass du das Licht nicht mehr sehen wirst. Genieße deinen letzten Tag auf der Erde!" Er dreht sich um und verschwindet in einem der Zelte. Kaum hat er den Platz verlassen, da formieren sich ein paar der anderen Anwesenden um meinen Marterpfahl und richten die Läufe ihrer Waffen auf mich. In jedem Gesicht sehe ich puren Hass. Wie komme ich hier nur wieder raus?

Die Sonne hat sich inzwischen erhoben und steigt immer weiter über den Horizont. Weder von Fothy noch von Bez habe ich inzwischen ein Lebenszeichen erhalten. Nach wie vor bin ich von wütenden Gesichtern umgeben, die kein Wort mit mir wechseln, wenn ich sie anspreche. Abgesehen davon wechselt etwa jede Stunde die Besetzung. Missmutig lasse ich mich auf den Boden sinken. Meine Beine schmerzen ein bisschen, weil ich die letzten vier Stunden unbewegt an einen Pfosten gefesselt dagestanden habe. Die Läufe der Waffen folgen meiner Bewegung und ein Finger nähert sich sogar verdächtig schnell dem Abzug. „Alles okay, ich habe nicht vor, mich durch den Boden zu graben."


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt