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Kurz darauf stehe ich in einer verdammt teuren Hose mit passender Bluse wieder vor dem Spiegel und begutachte mich kritisch. Ich sehe aus wie eine sehr teure Schaufensterpuppe. Aber ich brauche noch etwas Protziges. Mit den Augen suche ich den Raum nach einer schmalen Schubladenfront ab, die ich schließlich direkt unter der mit dem Bildschirm entdecke. Schnell gehe ich darauf zu und ziehe sie heraus. Mir stockt der Atem. In der Schublade befinden sich Uhren von den großen Marken dieser Welt. Die haben sicherlich einen Gesamtwert von einer Million Dollar! Wer denkt sich so was nur immer aus? Mehr als die Zeit anzeigen können die Teile nämlich auch nicht. Aber egal. Ich nehme behutsam eine silberne Uhr mit schwarzen Steinen heraus und lege sie mir um mein Handgelenk. Aus Spaß recherchiere ich den tatsächlich Preis der Uhr und will sie kurz darauf wieder ausziehen. In den darunter liegenden Schublanden finde ich auch den dazugehörigen Schmuck. Schließlich verlasse ich den Kleiderschrank mit voller Schmuckausrüstung, dem ein oder anderen Messer und sündhaft teuren Schuhen. „Kommst du bald?", ruft Bez von unten. Ich laufe los und rutsche das Treppengeländer herunter, damit es schneller geht. Bez wartet am Fuß der Treppe auf mich und reicht mir den Arm. „Ihr seht nett aus, Miss. Wenn ich das bemerken darf." Ich schaue ihn empört an. „Es geziemt sich nicht, mein Herr! Eine Dame von Welt hat stets einen dezenten Begleiter." Mit erhobenem Kinn ziehe ich ihn mit nach draußen, wo wir in das wartende Auto einsteigen und losfahren. „Was haben wir eigentlich genau vor?" Bez schaut mich mit gerunzelter Stirn an. „Ich habe dir ein Klemmbrett bereit gelegt." „Ich habe keins gesehen." Er schüttelt den Kopf. „Wir kümmern uns jetzt darum, dass du zwar einen Abschluss bekommst, aber nicht sonderlich oft erscheinen musst. Deine Zeit ist zu kostbar, als dass du täglich stundenlang in Vorlesungen sitzen kannst. Der Präsident des MIT weiß um die Mafia Bescheid." Na dann dürfte das wohl kaum schwer werden. „Was machen wir dann da?" Bez atmet schwer aus. „Naja, ich habe zu ihm ein weniger gutes Verhältnis. Ich habe dir ja erzählt, dass ich meine Eltern nicht kenne, weil ich schon als Baby in die Baze gekommen bin. Das stimmt nicht so ganz." Hä? Ich schaue ihn verwirrt an. „Mein Vater ist für mich tot, aber er lebt noch. Er ist der Präsident des MIT. Vor ein paar Jahren habe ich wieder Kontakt zu ihm aufgenommen. Wir verstehen uns nicht besonders gut. Ich weiß, das klingt blöde, aber er hat mich damals einfach abgegeben. Bei der Mafia! Welcher Vater macht so was? Mit einem Baby? Versteh mich nicht falsch, es ist das Beste, was mir passieren konnte. Aber trotzdem bin ich nicht sein größter Fan. Er ist absolut egoistisch, opportunistisch und über die Maßen gierig." Das ist eine harte Nuss. „Und ich dachte, mein Vater ist ein Arschloch, weil er mich siebzehn Jahre angelogen hat und mich dann entführen ließ. Aber das ist echt Sonderklasse." Bez schaubt. „Das kann man wohl so sagen." Er biegt auf einen Parkplatz ein, der garantiert nur für Mitarbeiter vorgesehen ist. Elegant gleitet er aus dem Auto und hilft dann mir. Zielstrebig gehen wir Seite an Seite einen gepflasterten Weg entlang auf ein riesiges Gebäude zu. Schon jetzt werden wir von allen Seiten angestarrt, was bei meiner funkelnden Juwelenkollektion aber kein Wunder ist. „Ich bin jetzt schon froh, hier nicht so oft sein zu müssen. Ich fühle mich wie ein Tier im Zoo!" Bez lacht leise. „Kann ich mir gut vorstellen. Aber das war bei dir früher jeden Tag in der Schule so." Jetzt, wo er es sagt... Nach einem viel zu langen Weg erreichen wir endlich unser Ziel: Ein hohes Gebäude mit eindrucksvollen Stuckarbeiten und einer riesigen Treppe vor dem Eingangsportal. „Nicht schlecht." Im Gebäude ist es zum Glück klimatisiert, aber hier drin werden wir noch penetranter angestarrt. Von allen Seiten schauen die Leute ungeniert direkt zu uns hinüber. Ich versuche die Umgebung zu ignorieren. Bevor ich komplett verrückt werden kann, erreichen wir zum Glück aber eine Tür. ‚H. Grimms' steht auf dem Schild. Ohne anzuklopfen öffnet Bez die Tür und begrüßt die junge Blondine freundlich, die im Raum hinter einem großen Tisch sitzt. „Wir haben einen Termin bei Mr. Grimms." Sie schaut uns geschockt an. „Ja, natürlich. Er erwartet sie bereits." Er holt ein letztes Mal tief Luft, dann öffnet Bez die Tür und winkt mich hinein. Das Büro von Bez Vater ist dunkel eingerichtet, ein massiver Schreibtisch steht in der Mitte des Raumes. Alle Wände sind voller Bücher. So unauffällig wie möglich schaue ich mich um und registriere jedes Detail. Mr. Grimms sieht aus wie ein Teleshoppingverkäufer: Sein Grinsen ist breit, seine Zähne machen jedem Schneemann Konkurrenz. Ach so, und er ist mindestens zwei Meter groß. „Jaden, mein Lieber. Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen." Bez verzieht den Mund. „Hi." „Naja, das bekommen wir schon hin. Und das ist dann vermutlich die berühmte Emilia Stoneforth, von der alle Welt spricht." Ich reiche ihm die Hand und er nimmt sie mit seinen Pranken. „Es ist mir eine Ehre." Schleimig lächelt er mich an. Ich kann ihn schon jetzt nicht mehr leiden. Das dürfte ein Rekord sein. „Setzen wir uns doch." Mr. Grimms winkt und zu einer Sitzgruppe aus schwarzen Sesseln und lässt sich selbst in den direkt unter dem Fenster nieder. „Es freut mich, endlich deine Frau kennen zu lernen. Woher kennt ihr euch wenn ich fragen darf?" Bez hält sich die Hand vor die Augen und seufzt. Da ich befürchte, dass sich sein Zustand die nächsten paar Minuten nicht mehr ändern wird, beginne ich zu sprechen. „Die Freude ist ganz meinerseits. Aber erstens, um das klar zu stellen: Ich bin nicht nur seine Frau, ich bin auch sein Chef. Falls sie meinen anderen Namen nicht kennen: Ich bin Victoria." Bez Vater klappt die Kinnlade runter, doch einen Moment später hat er sich wieder gefangen. „Nicht schlecht, mein Junge, nicht schlecht." Bez seufzt noch theatralischer. „Waffenproduzentin und Königin. Ich ziehe meinen Hut." Ich verdrehe die Augen. „Wir sind hier, um zu verhandeln. Tatsache ist, dass ich zwar an der Uni eingeschrieben bin, aber keine Zeit habe um zu studieren. Ich möchte aber dennoch ein Zeugnis haben." Mr. Grimms nickt. „Ich verstehe. Das wird natürlich Einiges kosten." Ich nicke. „Was stellen Sie sich vor?" Seine Augen beginnen zu leuchten. „Ich möchte bei der Mafia einsteigen. Top Secret Informationen und so. Möchte richtig groß rauskommen. Schwarzmarkthandel, Drogenhandel. In den Laboren der Studenten wird so Einiges zusammengebraut." Man kann förmlich die Dollarzeichen in seinen Augen sehen. Ich lächle ihn süffisant an. „Mr. Grimms. Ich weiß nicht, für wie blöd Sie mich halten. Top Secret Informationen bekommen nur drei Personen auf dieser Welt, zu denen Jaden und ich zählen. Glauben Sie ernsthaft, ich würde SIE mit ins Boot holen?" Sein Lachen erlischt. „Junge Lady, ich glaube, dann kann ich nicht viel für Sie tun." Okay, ich hatte gehofft, das friedlich lösen zu können, aber da Bez sich immer noch nicht bewegt hat... „Nein, nein. Sie können viel für mich tun, und das werden Sie auch. Es ist nämlich ganz einfach so: Wenn Sie nicht tun was ich will, überleben Sie die nächsten paar Sekunden nicht, dann steckt Ihnen schneller ein Messer im Hals als Sie ‚Dollar' sagen können. Und ich werde Sie einfach ersetzten. Durch irgend so einen Friseur." Mr. Grimms zuckt zusammen. „Alles, was Sie kriegen werden, ist Geld. Wenn Sie das nicht wollen, genügt ein einziges Wort." Er starrt mich an. „Ich nehme das Geld." Jetzt lache ich. „Wusste ich es doch. Ich bin mir sicher, dass Sie das alles regeln. Ich will keine negative Presse, kein kritisches Wort, keine Vermutungen über mich lesen oder hören. Und in vier Jahren möchte ich ein Zeugnis über einen Masterabschluss in Elektrotechnik im Briefkasten haben. Klar?" Er nickt. „Okay. Dann kriegen Sie das hier." Ich entledige mich des Schmuckes und der Uhr und ziehe ein Bündel Scheine aus Bez Jackett. „Das hier hat einen Wert von etwa zehn Millionen Dollar." Ich ziehe Bez hoch und drehe mich zur Tür. „Aber... Die Bildung. Ohne das nötige Wissen kann ich aus moralischen Gründen kein Abschlusszeugnis ausstellen..." Der ist echt hartnäckig. In der Tür drehe ich mich noch einmal um. „Wissen Sie was, Mr. Grimms?" Seine Augen werden vor Erwartung groß. „Lecken Sie mich doch am Arsch." Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Bez schaut sauer auf den Boden und kickt einen Stein vom Gehweg. „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber dein alter Herr ist ein ganz schönes Arschloch." Bez schnaubt. „Kann man so sagen. Weißt du, was er gesagt hat, als ich ihm eröffnet habe, dass ich sein Sohn bin?" Er lacht abschätzend. „Sein genauer Wortlaut war: Womit habe ich das nur verdient!" „Wow. Das ist schräg." Wir erreichen den Parkplatz. Ich stöhne genervt auf. „Was ist das denn?" Um unser Auto herum hat sich eine Menschentraube versammelt und schaut es an. „Wer macht denn so was?" Ich dränge mich durch die Versammlung nach vorne und öffne das Auto. Die Menge weicht ein Stückchen zurück, verschwindet aber nicht. Stattdessen deuten sie mit den Fingern auf mich und beginnen zu tuscheln. „Bist du Emilia Stoneforth?" Ich drehe mich so cool wie möglich um. „Wer will das wissen?" Der Sprecher tritt ertappt hervor und räuspert sich schüchtern. „Ich. Fred Ripley." Das nervt echt. Wenn die was wissen wollen, sollen sie einfach fragen. Anscheinend ist das aus meinem Geschichtsausdruck zu erkennen. „Ist das etwa ein Bugatti?" Verdutzt drehe ich mich um und schaue mein Auto an. Mir fehlen die Worte. Aber irgendwie war das ja klar. „Ähm... Jap. Sonst noch was?" „Stimmt es, dass du für die Mafia arbeitest?" Eine Stimme, die von weiter hinten kommt, den Sprecher kann ich nicht erkennen. „Nein. Es ist ganz einfach so gewesen, dass ich Drohbriefe erhalten habe und mich deshalb für eine längere Zeit auf Kuba zurückgezogen habe. Stattdessen wurde dann mein Vater umgebracht. Shit Happens." Ich zucke mit den Schultern bis mir auffällt, dass das vielleicht ein wenig taktlos war. „Was ich jeden Tag bedauere", hänge ich deshalb noch schnell hinten dran. „Studierst du jetzt hier?" Ich nicke. „Tue ich. Aber jetzt muss ich gehen. Hab noch einen Termin mit meiner Firma." Ich steige in den Wagen und fahre los. Bez neben mir grinst mich an. „Das war interessant." Ich schnaube. „Habe ich zufällig einen Alienrüssel auf der Nase, oder warum reden die nicht einfach mit mir?" Bez legt mir eine Hand auf den Arm. „Du schüchterst nur alle immer ein. Vermutlich oder besser hoffentlich unbewusst und unbeabsichtigt. Aber alle werden so reagieren, wenn sie dich sehen werden. Damit musst du dich abfinden. Und könntest du bitte ein bisschen langsamer fahren? Ich habe Angst um mein Leben." Ich drossele das Tempo ein wenig. „Ich glaube, ab und zu werde ich doch mal im Unterricht erscheinen, das könnte ganz witzig werden. Und ich muss ja Rekruten finden." „Hast du überhaupt eine Ahnung von Elektrotechnik und dem ganzen Kram?" Ich schüttele den Kopf. „Aber von Waffensystemen. Und um den Rest zu lernen gehe ich ja auf die Uni. Ich kann als Königin ja wohl entscheiden, was ich mache. Wenn ich den ganzen offiziellen Kram nicht verpenne. Und wie gesagt, ich muss ja nicht jeden Tag kommen." Mit einem sturen Blick schaue ich auf die Straße und sage nichts mehr.


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt