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Die Mittagssonne blendet mich, als ich das Hotel durch einen Seiteneingang verlasse. Mit einer Sonnenbrille auf der Nase mache ich mich auf den Weg in die Vatikanstadt um meine Pflicht zu erfüllen. Mein Ziel ist ein flaches Gebäude, das nicht weit entfernt vom Petersdom in einer großen Gartenanlage steht und von außen kaum einsehbar ist. Im Schatten der hohen majestätischen Mauern schleiche ich mich an der Schweizer Garde vorbei, die sich um den Petersdom arrangiert hat. Mehrfach laufe ich Gefahr entdeckt zu werden. Mit einem Hechtsprung und einem anschließenden Rollmops rette ich mich über den Zaun des Gartengeländes, auf dem das Haus steht. Schnell haste ich hinter einen Baum und warte, bis die Schritte der herannahenden Wachen wieder verschwunden sind. Gebückt schleiche ich zwischen den Sträuchern und Bäumen hin und her. Das letzte Stück zwischen Garten und Haus ist licht, ich kann mich also nirgendwo verstecken. Deshalb beobachte ich das Haus eine Weile um festzustellen, ob sich jemand darin befindet. Tatsächlich sehe ich nach einer Weile einen Schatten am Fenster, dann wird ein Fensterflügel geöffnet. Ein Kopf erscheint im Freien und ich kann den Mann als mein Ziel identifizieren. Dass er mir das Fenster sogar freiwillig geöffnet hat, freut mich. Ich warte, bis der Mann wieder in dem Zimmer verschwindet, dann verlasse ich meine Deckung und renne los. Mit einiger Anstrengung zwänge ich mich durch das schmale Fenster und lande auf den Füßen. Bewegungslos warte ich darauf, dass der Mann zurück ins Zimmer stürmt und mir mit einem Schürhaken eins überzieht, aber anscheinend ist der Gute stocktaub. Auf Zehenspitzen schleiche ich los. Glücklicher Weise sind die Türangeln gut geölt und ich werde nicht von einem lauten Quietschen überrascht. Der Mann befindet in der Küche und spült ab, was ich dadurch erfahre, dass ich an ihm vorbeilaufe und in das Zimmer nebenan, das Wohnzimmer, husche. Die Einrichtung des gesamten Hauses scheint aus der gleichen Zeit zu stammen wie das Haus selber. Die Möbel sind hoffnungslos veraltet und ein wenig eingestaubt. Hier im Wohnzimmer mit dem alten Sofa bringe ich die erste Kamera an. In einer Ecke auf einem Schrank hat sie den gesamten Raum im Blick. Insgesamt habe ich sechs Kameras zur Verfügung. Die nächste klebe ich im Schlafzimmer in einer Nische, die dritte kommt in die Küche, als meine Zielperson auf dem Weg ins Badezimmer ist. Der letzte Raum ist eine kleine Kapelle und sogar die kann mich vor der Überwachung nicht abschrecken. Ab sofort klebt unter dem Altar verdeckt von einem Spitzendeckchen eine Kamera und zeichnet sämtliche Beichten und Gottesdienste auf, die man in diesem Minizimmer nur abhalten kann. Das Badezimmer will ich auch noch überwachen, abgehalten werde ich aber durch den Wind der entsteht, als der Mann den Raum wieder verlässt. Hat der sich die letzten fünf Jahre nur von Bohnen ernährt? Das ist ja krank! Schnell verstecke ich mich in dem Raum mit dem offenen Fenster und entfleuche durch Selbiges. Ich habe immer noch zwei Kameras übrig, und so verpasse ich eine dem Baum, von aus man den besten Blick auf die kleine Terrasse hat. Die letzte klebe ich schließlich neben das Gartentor, damit ich jeden eintreffenden Besuch überwachen kann. Zufrieden mit mir selbst verstecke ich mich wieder hinter einem Baum, ziehe meine Wechselklamotten aus dem Rucksack und zwänge mich in das enge Kleid. So gekleidet trete ich aus dem Schatten der Bäume heraus und verlasse das Grundstück über das Gartentor. Jetzt hat das Versteckspiel mit der päpstlichen Garde ein Ende. Falls das überhaupt möglich ist, ist es inzwischen noch wärmer geworden als es vorher schon war. Ich habe das Gefühl gleich einzugehen und rette mich in das nächste Geschäft, als ich wieder in Rom bin. Natürlich handelt es sich um ein Klamottengeschäft. Aber wo ich schon mal hier bin... 


Zwei Stunden später verlasse ich das Geschäft mit mehreren Tüten in der Hand und einer riesigen Sonnenbrille auf der Nase, die hoffentlich mein Gesicht einiger Maßen verdeckt. Ich habe das Verlassen der klimatisierten Räume so lange wie möglich herausgezögert und es hat sich tatsächlich gelohnt. Die Luft ist schon ein wenig abgekühlt und die Sonne scheint mir nicht mehr direkt aufs Dach. Leider verlaufe ich mich prompt und komme an einem anderen Hotel als beabsichtigt heraus. Genervt drehe ich mich in alle Richtungen und suche nach einem Hinweis, zum Beispiel einem Straßenschild. Leider weiß ich nicht einmal den Namen des Hotels und so bleibt mir nichts anderes übrig, als einmal die Vatikanstadt zu umrunden. Hoffentlich finde ich dieses verdammte Teil, bevor die Sonne untergegangen ist! Das Glück scheint mir gewogen: Ich muss lediglich zwei Straßen entlanglaufen, dann stehe ich auch schon vor dem massiven Portal des Hotels. Diesmal betrete ich es durch den Haupteingang und werde sofort von einem Pagen belagert, der mir die Taschen abnimmt und mich auf die Suite bringen will. Der Manager kommt mir entgegengehastet und verbeugt sich. „Ich hatte keine Ahnung, dass Sie das Hotel verlassen habe. Kann ich etwas fur Sie tun?" Ich nicke. Es gibt in der Tat etwas: „Ich bräuchte einen Koffer. Können Sie den beschaffen?" Er nickt fleißig und eilt davon. Gut gelaunt steige ich in den Fahrstuhl und gebe dem Pagen an der Tür der Suite ein riesiges Trinkgeld. Jetzt ist auch er vergnügt und lässt mich in Ruhe. Schon wieder völlig am Ende meiner Kräfte schmeiße ich mich auf das Bett und angele mir aus einer ungünstigen Position heraus den Laptop. Unwillig drehe ich mich auf den Bauch und klappe den Deckel hoch. Auf dem Bildschirm sind schon die kleinen Bilder der Kameras zu sehen. Bernie hat wohl ganze Arbeit geleistet. Mein Ziel ist im Moment dabei, fernzusehen. Eigentlich ist es eine Schande, dass jemand wie diese Person in einer derart wertvollen historischen Stätte wohnt und gleichzeitig ein derart schmutziges Geschäft ausübt. Wobei ich noch Glück habe: Ich muss lediglich einen der Berater überwachen. Sein Name klingt so ähnlich wie Glocke und der Gute dürfte bereits scheintot sein. Laut einer angelegten Akte in der Baze ist er nicht mehr ganz so aktiv wie alle anderen und ist wenn überhaupt für die Nachrichtenübermittlung zuständig, die er gewissenhaft und erfolgreich durchführt. Bis heute ist es der italienischen Polizei nicht gelungen, seine Vorgehensweise zu durchschauen. Aber obwohl ich diese Eigenschaften sehr schätze und bewundere, finde ich es doch verachtenswert, dass dieser Teil der Cosa Nostra ihren Genossen in den Rücken fällt. Verbrecher sollten zusammenhalten, um diese Welt zu verbessern. Wie wollen sie langfristig etwas erreichen, wenn sie schon dabei versagen, Gleichgesinnte als solche zu behandeln? Wie soll so jemals eine neue Gesellschaftsordnung entstehen, wenn der unterste Stand sich untereinander bekriegt? Bevor ich weiter in trübseligen Gedanken versinken kann, rettet mich der alte Mann davor, als er die Tür öffnet und ein ebenfalls alter Mann das Zimmer betritt. Es folgt der obligatorische Kuss auf beide Wangen und eine lange Umarmung, dann setzten sie sich ins Wohnzimmer und beginnen zu reden. Natürlich auf Italienisch und so verstehe ich kein Wort. Aber Bernie hat mir eine Liste von Schlüsselwörtern geschrieben. Wenn ich eine dieser Bezeichnungen höre, kann ich mir einiger Maßen sicher sein, dass mein Ziel das richtige Ziel ist. Aber bis jetzt bin ich nicht davon überzeugt. Gelangweilt stelle ich den Ton laut und schlurfe zur Minibar. Ich schnappe mir die Erdnüsschen und reiße die Verpackung so ungeschickt auf, dass ich mir die Hälfte des Snacks über die Arme schütte. Aber es gibt ja ein Zimmermädchen. Als ich schon auf dem Weg zurück zum Bett bin fällt mir siedend heiß ein, dass es ja tatsächlich ein Zimmermädchen gibt, dass heute morgen mein Zimmer durchwühlen konnte. Fieberhaft überlege ich, was ich heut morgen noch rumliegen hatte, komme aber zu dem positiven Schluss, dass ich alle verdächtigen Sachen dabei hatte und die Waffen, die in meinem Koffer waren, im Safe verstaut waren. Trotzdem rufe ich an der Rezeption an und bestelle den Putzservice für die Dauer meines Aufenthaltes ab. Nach einem kurzen Telefonat mit Bernie und Fothy lege ich mich ins Bett und schlafe schnell ein.


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt