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Den Rest des Fluges sitzen wir am Schreibtisch und überlegen, wie wir vorgehen sollen. Und tatsächlich haben wir den einen oder anderen Einfall, der sich umsetzen ließe. Pünktlich landen wir wieder in Cambridge und steigen in einen wartenden Geländewagen, der nur ein paar Zentimeter neben der Gangway parkt und uns ermöglicht, einzusteigen, ohne gesehen zu werden. Egal von wem. Und so kommt es, dass wir tatsächlich pünktlich in dem Haus in Cambridge ankommen. Als ich die Tür aufschließe, kommt mir ein undefinierbarer Geruch entgegen. Etwas verbrannt, aber irgendwie auch ganz gut. Neugierig betreten wir die Küche. Dort steht Fothy mit einem Feuerlöscher in der Hand auf einer kleinen Leiter und verteilt ABC-Pulver über dem Herd. „Was ist denn hier passiert?" Doch er rührt sich nicht und sprüht munter weiter. Bez betrachtet die Arbeitsplatten genau und lacht los. „Was ist so witzig?" Verständnislos blicke ich zu ihm und lege meine Stirn in Falten. „Anscheinend wollte Fothy Haschisch mit Gummi strecken." Jetzt betrachte auch ich die Arbeitsfläche. Als erstes springt mir ein Fahrradreifen ins Auge und eine Tafel Schokolade liegt direkt daneben. Fothy hat inzwischen das Sprühen eingestellt und klettert von seiner Leiter herunter. Als er uns entdeckt, läuft er rot an und schaut zu Boden. Doc betritt hinter uns den Raum. „Was zur Hölle ist das denn?" Ich muss mich sehr zusammenreißen, um nicht wie die Schwester eines Fleischwolfes zu klingen. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung." Trotzdem beginnt Doc ebenfalls zu lachen, als ihm klar wird, was er da sieht. Fothy zuckt mit den Schultern, zieht sich ein sehr großes Paar Handschuhe über und trägt damit einen Topf in den Garten, der noch leicht qualmt, ansonsten aber komplett mit Schaum gefüllt ist. Mit einem leisen Schnauben schließt er die Terrassentür wieder hinter sich und wendet sich dem Chaos in der Küche zu. „So ein Mist. Da kümmert man sich ein einziges Mal selbst um diesen Kram, und dann muss man putzen." Ich muss breit grinsen. „Was genau machst du da eigentlich?" „Ich mache die Arbeit von anderen." Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. „Ich suche neue Möglichkeiten, Shit zu strecken. Verschafft uns höhere Einnahmen und den Junkies ein längeres Leben." Na dann... „Und wieso schneidest du dann Fahrradreifen klein?" Bez lacht und legt einen Arm um meine Schultern. „Erklär ich dir später alles." Nur weil er mich berührt bemerke ich, dass er nicht so gelassen ist, wie seine Stimme es vermuten lässt. Doc geht an uns vorbei und nimmt die Fahrradreifen von der Küchenplatte, die er nach draußen bringt. Fothy grummelt immer noch vor sich hin. Ich schaue Bez an und will ihn fragen, ob wir Fothy nicht einweihen sollten. Immerhin gehört er zu meinem inneren Kreis. Anscheinend besitze ich kein Pokerface oder es hat Ferien, denn Bez scheint meine Frage verstanden zu haben und nickt nach anfänglichem Zögern. Irgendwie heitert mich das ein wenig auf und ich folge ihm in den Keller. Unten erwartet uns ein ziemliches Chaos, das wir das letzte Mal dort hinterlassen haben. Ich steige in den Ring und lege mich flach auf den Boden. Die Decke sieht aus wie ein Sternenhimmel mit lauter kleinen Lämpchen. Ich wünschte, ich wäre in diesem Moment dort oben, um mich nicht mit den irdischen Problemen auseinandersetzen zu müssen. Dann wäre ich bei Jaxx. Aber natürlich geht das nicht. Ein mir bisher unbekanntes und unangenehmes Gefühl breitet sich unter meinen Rippen aus und hinterlässt einen kalten Hauch. Überrascht lege ich eine Hand auf die schmerzende Stelle und lasse sie dort ruhen. Durch den Stoff meiner Kleidung kann ich meinen Herzschlag kräftig spüren. „Was machst du da?" Bez beugt sich über mich und versperrt mir die Sicht auf den Sternenhimmel. „Ich glaube, ich fühle." Die Worte rutschen mir aus dem Mund, ich kann sie nicht zurückhalten. Bez Augen weiten sich überrascht und er setzt sich neben mich auf den Boden. „Was fühlst du?" Jetzt einen Rückzieher zu machen ergibt keinen Sinn. „Leere." Eine bessere Beschreibung fällt mir in diesem Augenblick nicht ein. Bez nickt, nimmt meine Hand in seine und hält sie fest. „Es freut mich, dass du normale Reaktionen zu entwickeln scheinst. Aber Leere ist gefährlich. Leere lässt dich Dinge machen, die sehr leichtsinnig und dumm sind. Nur damit du etwas anderes fühlst. Aber lass es." Ich runzele die Stirn. Eigentlich hatte ich nicht die Absicht, mich selbst in Gefahr zu bringen und auch jetzt scheint mir die Idee mehr als blöd. Einzig und allein das Loch in meiner Brust pulsiert leicht und betäubt meine Gedanken ein wenig. „Keine Angst, ich habe nichts vor." Um nicht weiter an Jaxx denken zu müssen, stemme ich mich hoch und klettere aus dem Ring. Bez folgt mir und schaut mich besorgt an. Doch ich lasse mich von ihm nicht verunsichern. Und je länger er mich anschaut, desto kleiner wird das Loch, bis es schließlich komplett geschlossen ist. Eine innere Ruhe erfasst mich. Vermutlich könnte mich in diesem Augenblick nicht einmal Doc aufregen.


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt