51

135 7 0
                                    


Wenig später gehe ich zurück zu den anderen. Anscheinend haben sie inzwischen auch verstanden, dass ich das beste Schlafzimmer annektiert habe, weshalb Doc und Bernie ein wenig angesäuert sind. Sie müssen sich ein Badezimmer teilen. Nur Fothy scheint erfreut. „Die Küche hier ist ein Traum." Ich drehe mich einmal um meine eigene Achse. „Das ist genau dieselbe wie in meiner Wohnung." „Aber die wurde noch nie benutzt. Was eine Verschwendung", mault er. Da hat er natürlich Recht. „Wie dem auch sei, ich habe uns was zu futtern gemacht." Damit führt er mich auf die Terrasse und wir setzen uns an einen großen Tisch, auf dem bereits zweischichtig unser Abendessen liegt. „Hau rein", sagt er und beginnt, sich einen Teller mit italienischen Köstlichkeiten aufzuhäufen. „Haben wir eigentlich schon einen konkreten Plan, was wir tun werden?", frage ich unerhörter Weise mit vollem Mund. Fothy schüttelt den Kopf und schenkt sich ein Glas Wein ein. „Wir haben vier Teams losgeschickt, die sich nach dem Aufenthaltsort des USB-Sticks erkundigen sollen, von dem Copper gesprochen hat. Und wenn wir den haben, können wir wieder gehen." Na das klingt doch nach einer guten Neuigkeit. „Und später müssen wir noch mit Clara und Bez sprechen, ob uns die Geheimdienste dieses Komplott abkaufen." Ich nicke und mampfe still weiter. 


Kurz darauf stoßen auch Bernie und Doc zu uns, die sich immer noch ein wenig zu kabbeln scheinen: „... und ich sage dir, du hast mein Handtuch doch angefasst!", schimpft Doc. „Nein, verdammt, habe ich nicht! Was sollte mir das auch bringen? Es gibt die Schwerkraft, das ist eine ziemlich alte Erfindung. Und manchmal führt diese ominöse Kraft eben dazu, dass dein nasser Stoffhaufen auf den Boden klatscht. Wo er auch hingehört, schließlich brauche ich diesen Haken für mein Handtuch." Fothy und ich kichern wie kleine Kinder. „Was denkst du, wer gewinnt?", fragt er mich. „Ich tippe auf Bernie", flüstere ich zurück. „Abgemacht. Fünfzig Dollar für den Gewinner." Wir schütteln uns die Hände und hören weiter zu. „Das denkst aber auch nur du! Hast du schon mal etwas von Staubunverträglichkeit gehört? Die führt dazu, dass ich anschwelle wie ein Atompilz. Und dann passe ich nicht mehr durch die Tür. Wie soll ich dann reagieren, wenn Victoria mal wieder kaputt ist? Häh?" Wirklich jetzt? „Als ob. Wenn sie sich mal wieder was bricht, ist es ihr egal. Und es braucht keinen Arzt, um ein Pflaster aufzukleben. Das habe ich schon im Kindergarten vortrefflich gekonnt!" „Als ob du jemals im Kindergarten warst. Du hast doch schon als Kleinkind deine Eltern erpresst!" „Da war ich dreizehn! Außerdem waren es meine Pflegeeltern." „Wieso wohl?" „Weil ich dich schon zu gut gekannt habe!" Touché, Bernie, Touché. Fothy flucht los und reicht mir einen Fünfziger über den Tisch. Das scheint die beiden aus ihrer Streiterei zu wecken, denn sie werfen sich einen letzten Blick zu und beginnen dann synchron damit, uns mit Essen zu bewerfen, als ich gerade den Schein in Empfang nehme. Gleichzeitig tauchen wir unter den Tisch und kriegen uns vor lachen gar nicht mehr ein. Der Tag endet damit, dass ich in den Pool geschmissen werde, Fothy auf einer Liege am Pool einschläft, Bernie neben ihm auf dem Boden liegt und Doc sich in der Küche zusammenrollt mit dem Kopf auf einem Stapel Handtücher.


Mit einem fiesen Muskelkater wache ich auf, als die Sonne mich beim Aufgehen blendet. Verschlafen robbe ich ins Haus und klettere die Treppe hinauf. Mit letzter Kraft lege ich mich in die Badewanne und drehe das Wasser auf. Meine Kleider kleben mir schon jetzt unangenehm eng am Körper und aus meinen Haaren bröselt Salz, das ich noch aus dem Pool auf dem Kopf habe. Denn natürlich ist auch das Wasser hier nicht normal: Anstatt dass man in Chlorwasser planscht, wird man hier mit echtem Meerwasser beglückt. Und das ist unfassbar salzig. Wie dem auch sei: Lustlos schrubbe ich mir die Salzflocken aus der Kleidung und den Haaren und ziehe mir frische Sachen an, die ich noch aus dem Erdgeschoss holen muss, weil ich meinen Koffer noch nicht nach oben getragen habe. Und weil es schon jetzt unfassbar warm ist, schwitze ich aus allen Löchern. Nebenbei fällt mir siedend heiß ein, dass wir vergessen haben, uns bei Clara und Bez zu melden. Da haben wir gestern Abend einfach nicht mehr dran gedacht. Nach und nach werden auch die anderen wach und retten sich ins Haus. Fothy scheint unter die Katzenliebhaber gegangen zu sein: Er hat neben Muskelkater auch noch einen ausgewachsenen Kater, der ihm laut eigener Aussage beinahe das Gehirn aus den Windungen schraubt. Aber das kommt davon, wenn man im Alleingang den Weinkeller leert.


Gegen Mittag haben wir es schließlich alle auf die Beine geschafft und wir drängeln uns vor die Webcam eines Laptops, auf dem ein Kontaktmann der vier Gruppen erscheint, die Italien durchsucht haben. „Wir haben lange gebraucht, um auf eine Spur zu stoßen, anscheinend legen es die Staaten wirklich darauf an, nicht entdeckt zu werden. Aber im Norden haben wir ein Team der CIA aufgegriffen, das aus Langley geschickt wurde, um einen Transport durchzuführen. Wir wissen noch nichts Näheres über das Corpus Delicti, aber laut unseren Kontakten in der CIA in Amerika wissen wir, dass es sich um einen USB-Stick handelt, der auf Coppers Beschreibung passt." Na toll, nachdem wir und der Probleme mit dem FBI entledigt haben, rückt die CIA auf der Liste der Unruhestifter nach. Fothy scheint dasselbe zu denken, denn er seufzt lang und gedehnt und hält sich eine Hand vor die Augen. Das kann aber auch immer noch an seinem Kater liegen. Keiner kann das so genau sagen. „Darüber hinaus haben wir erfahren, dass der Stick hier in Italien von einem Boss der Cosa Nostra aufbewahrt wird." Bernie nickt angespannt. „Hatte ich mir fast schon gedacht. Anscheinend wurde der Stick aus Coppers Safe tatsächlich von den Italienern gestohlen und das haben unsere Kontakte mit Problemen mit aufmüpfigen Mafiosis gemeint." „So sieht es aus. Jedenfalls wird der Stick auf dem Markt angeboten und die CIA hat zugeschlagen. Die Übergabe findet heute Nacht statt und die Regierung hat vier Flugtickets für übermorgen gebucht. Und wir haben die Adresse des Gebäudes, in dem sich der Außenposten der Amerikaner befindet. Nach dem Handel müsste der Stick also lediglich abgeholt werden. Die Koordinaten schicke ich auf Fothys Handy." Der Angesprochene nickt und wir verabschieden uns von dem Spion. „Na das sind ja ganz tolle Neuigkeiten. Jetzt haben wir nicht nur die Amerikaner sondern auch noch die Italiener an der Backe kleben." Fothy flucht äußerst unanständig und haut auf den Tisch. „Wir müssen die CIA unbedingt auch auf unsere Seite ziehen", meint Doc und fährt sich über die Haare. In diesem Moment klingelt Fothys Handy und die Koordinaten des Wespennests erscheint in Großbuchstaben auf dem Display. „Immerhin haben die anderen gute Arbeit geleistet." Ich schnappe mit den Laptop und gebe die Adresse bei Google Maps ein. „Naja. Leicht wird das trotzdem nicht werden." Bernie blickt auf die Seite, die sich öffnet und flucht laut. Anscheinend haben sich unsere Ziele in dem Hotel eingemietet, in dem sich zur Zeit auch Clara und Bez befinden. „Wir müssen zurück nach Bologna und das vor Ort schnell und problembegrenzend erledigen", meint Fothy und stößt auf Zustimmung. „Vermutlich werden sie die ganze Zeit überwacht. Wenn wir anrufen und sie warnen, kann das böse nach hinten losgehen. Dann riechen die den Braten garantiert. So blöd sind nicht einmal die Agenten der Staaten."


Gesagt, getan. Wir benötigen keine zwei Stunden um unsere Sachen zu packen und zu verladen. Den Großteil unseres Gepäcks lassen wir im Haus, wir wollen nämlich wieder zurückfahren, wenn wir das erledigt haben und ein wenig ausspannen. Wenn Fothy das sagt, klingt es allerdings viel lustiger. Bevor wir endgültig losfahren, legen wir uns alle noch mal hin und schlafen ein wenig, weil wir möglichst wach sein müssen, um die CIA- Agenten nach der Übergabe zu überraschen. So kommt es, dass wir schließlich mitten in der Nacht aufgeteilt auf zwei Autos wieder losfahren. Dieses Mal benutzen wir auch die direkte Zufahrtsstraße nach Bologna. Fothy, der neben mir sitzt und das Auto steuert, scheint in Gedanken immer noch bei seinem Bett zu sein, seine Augen fallen ihm andauernd wieder zu und er spricht nicht besonders viel. Aus Angst um die Mission und auch ein wenig aus Angst um mein Leben befehle ich, dass die Kolonne kurz anhält und wir die Seiten tauschen. Danach kommen wir auch schneller voran und Fothy, dieser Verräter, pennt einfach weg, während ich hinter den anderen über die stockdunkle Landstraße fahre und kurz darauf auch auf der Autobahn. Und trotzdem bin ich so nett, dass ich Fothy ein Kissen unter den Kopf schiebe, damit er nachher nicht wieder mit Muskelkater aufwacht, wegen dem er den ganzen Tag herumgemault hat.


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt