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Ich glaube, ich bin zu stark gegen eine Wand gelaufen. Jaxx ist noch nicht lange tot, und ich beginne was auch immer mit seinem besten Freund! Wütend auf mich selbst vergrabe ich meinen Kopf unter einem Kissen und beginne zu schreien. Die ganze aufgestaute Wut strömt durch meinen Mund und hinterlässt ein Klingeln in meinen Ohren. Wie! Konnte! Ich! Nur! Aber es hat keinen Sinn, sich darüber aufzuregen, jetzt ist es sowieso zu spät. Und außerdem ist Jaxx tot. Ich kann nicht ewig auf jemanden warten, der inzwischen nicht mehr unter den Lebenden verweilt. So leise wie möglich stehe ich auf, damit Bez nicht aufwacht. Als ich die Decke zurückschlage fällt mir auf, dass er gar nicht neben mir liegt. Ich ziehe mir ein Stück Tape vom Bein und gehe zu der Küche des Kellers. In diesem Moment höre ich das unverkennbare Schließgeräusch der Kellertür und kurz darauf erscheint Bez am Fuße der Treppe. „Hi." Er schaut betreten zu Boden. „Das war vermutlich nicht die beste Idee, die wir jemals hatten." Ich gehe auf ihn zu und hebe sein Kinn vorsichtig mit meinem Zeigefinger an, sodass er mir direkt in die Augen schaut. „Er ist tot und ich bin keine Nonne. Es ist unser gutes Recht. Und ehrlich gesagt, auch wenn das jetzt doof klingt, was mir übrigens leid tut, es war gar nicht so schlecht und fühlt sich zumindest für mich richtig an. Zumal wir schon verheiratet sind." Erleichtert lächelt Bez mich an. „In diesem Fall", er zieht eine kleine Schachtel mit einem Ring darin aus seiner Hosentasche und öffnet sie, „bitte ich dich, dieses Teil dauerhaft zu tragen." Er steckt mir den Ring an den rechten Ringfinger. „Der ist eigentlich nur Tarnung." Staunend betrachte ich ihn. Jetzt trage ich am linken Ringfinger einen schwarzen Diamanten und am rechten einen lupenrein weißen. Ich schlinge meine Arme um ihn. „Das Angebot nehme ich gerne an." Er küsst mich am Hals. „Das könnte ewig so weiter gehen. Aber jetzt müssen wir wirklich trainieren." Seufzend lässt er von mir ab und reicht mir ein paar Handschuhe ohne Finger mit den passenden Fußschonern. „Die habe ich auch gerade geholt. Was Tape alles anrichten kann, haben wir ja bereits gesehen." Er lächelt mich an und hilft mir, die Teile über meine Hände und die Füße zu ziehen. „Das sind Kampfhandschuhe mit beweglichen Protektoren, direkt aus der Technikabteilung. Die verhindern Schürfwunden an den Knöcheln und Zehen und stützen deine Handgelenke." Vorsichtig öffne und schließe ich meine Hände. Die Handschuhe sind kaum spürbar, obwohl sie eng anliegen, ebenso die Fußschoner. „Haben die schon einen bestimmten Namen?" Bez schüttelt den Kopf. „Glaube nicht." Ich überlege einen Moment. Aber bevor mir eine geeignete Bezeichnung einfällt, winkt Bez mich in den Ring. „Kämpfen kannst du, auch wenn du Technik relativ ignorierst. Aber das ist sehr gut. So hat ein Angreifer keine Chance sich deinem Stil anzupassen, weil du ohne System kämpfst. Im einen Moment fuchtelst du einem noch mit Karate vor der Nase herum, im nächsten Moment brichst du sie mit Krav Maga. Wenn mein ehemaliger Trainer dich sehen würde, würde er sich glatt aus dem Fenster stürzen, wenn er das nicht schon getan hätte." Ich lache auf. „Das klingt ja sehr ermutigend." Bez grinst breit. „Ja, oder? Aber egal. Wir fangen jetzt mit deiner Beinarbeit an." Ich stelle mich ihm gegenüber und nehme eine Kampfhaltung ein. „Du glaubst doch jetzt nicht wirklich, dass ich gegen dich kämpfe? Ich will meinen Kopf schon noch ein bisschen behalten." Ich schaue ihn verwundert an. „Wer sollte sonst?" Aber anstatt mir eine Antwort zu liefern, drückt Bez einen Schalter, der sich an einem der Ringpfosten befindet, woraufhin ein runder Holzbalken vertikal aus dem Boden fährt, in dem einige Querstreben stecken. „Das ist dein Sparringpartner. Der kann sich nicht weh tun und du bemerkst es sowieso nicht." Zweifelnd schaue ich ihn an. Aber na gut, wenn er meint, dass das funktioniert, dann mache ich einfach mit. „Das ist natürlich nicht einfach nur der klassische Holzbalken, die Querstreben bewegen sich, wenn er erschüttert wird. Fang an." Ich beginne, den Pfosten zu treten. Und tatsächlich, kurz nachdem der Balken zu beben beginnt, zuckt eine der Querstreben unerwartet ein Stückchen nach oben. Mein Kampfgeist meldet sich. Etwas härter trete, schlage und weiche ich aus. Irgendwie macht das Spaß. Je schneller ich mich bewege, desto schneller reagiert der Balken. Bald sehe ich nicht mehr klar, ich bewege mich zu schnell und wirbele herum wie ein Ventilator. Das Stechen in meinen Lungen bemerke ich kaum. Ich könnte ewig so weiter machen. Wenn Bez nicht danebenstehen würde. „Okay, das reicht!" Völlig außer Atem stoppe ich mich und trete ein Stück vom Balken zurück. Ein paar Mal zuckt er noch, dann halten die Querstreben an. „Also dir möchte ich nicht begegnen, wenn du sauer bist." Fothys Stimme bohrt sich durch meinen Verstand. Seit wann ist der denn hier? Er bemerkt wohl mein erstauntes Gesicht. „Ich wollte nur mal schauen, was ihr so macht. Und wie ich sehe, seid ihr schwer beschäftigt." Ich springe aus dem Ring, dieses Mal sogar ohne in den Seilen hängen zu bleiben. Immer noch japsend bleibe ich neben ihm stehen und ziehe die Handschuhe aus. „Zeig deine Hände lieber nicht Doc. Der rastet aus!" Ich schaue verwundert herunter. Ups. Meine Knöchel sind trotz Protektoren rot und blutig. „Ich kümmere mich darum." Bez verschwindet hinter der Kücheninsel. „Habt ihr Hunger?", fragt Fothy im Gehen und dreht sich noch einmal kurz um. „Wir kommen gleich hoch", sage ich, bevor er wieder nach oben verschwindet. „Komm her." Bez nimmt vorsichtig meine Hände in seine und tupft mit einer alkoholgetränkten Kompresse auf den Wunden herum. „Pizza oder Chinese?"


Victories (Buch 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt