Bernie ist wie gewohnt in der Zentrale und sitzt an seinem Tisch in der Mitte des Raumes. Um ihn herum hat sich mein kleines Team versammelt und diskutiert angeregt über unseren nächsten Schritt. „Wir müssen das auf jeden Fall an die Presse bringen", meint Bez. Ich runzele die Stirn. „Ist das nicht etwas blöd?" „Nein, nein, ich meine damit, dass wir unsere ‚Kollegen' davon unterrichten, um deine Postition zu stärken. Bei allem dürfen wir die Politik nämlich nicht vergessen. Das hätte fatale Folgen!" Na, wenn er das meint. „Also gut. Wer kümmert sich darum?" Chili dreht sich um und geht zu seinem Schreibtisch. „Okay. Dann müssen wir jetzt besprechen, wie wir ansonsten weitermachen." Fothy zieht sich einen Stuhl heran und lässt sich ächzend nieder „Wie wäre es, wenn wir die Black Site zivil veröffentlichen? Das würde der Regierung ordentlich Ärger machen. Die ganzen Menschenrechtsorganisationen und oppositionelle Politiker haben dann etwas, um die Regierung anzugreifen. Und wir haben wieder bessere Möglichkeiten, um Zivilisten auf unsere Seite zu bringen." Der Vorschlag hat meine Lippen verlassen, bevor ich darüber nachdenken kann, aber die anderen scheinen ihn einleuchtend zu finden. „Das klingt gut. Die jetzige Regierung wird mir sowieso im Moment etwas zu mächtig, da müssen wir unbedingt etwas ändern", sagt Bernie und notiert sich etwas. „Ich bin dafür, dass wir trotzdem nach Europa reisen. Damit locken wir die Geheimdienste ins Ausland und können sie dort treffen, wo sie verletzlich sind, weil sie keine staatliche Unterstützung haben." Fothys Augen beginnen zu leuchten. „Und dort können wir gleichzeitign unsere Position stärken. Die Italiener sind momentan etwas aufmüpfig, das können wir dann gleich regeln. Außerdem ist es diplomatisch sinnvoll, wenn du das Land mal verlässt und im Ausland deinen Einfluss beweist." Bez Aussage ist zwar nicht von schlechten Eltern, aber dennoch schaut er mich dabei so an, als hätte ich seine Oma im Meer versenkt. Später muss ich deshalb unbedingt mit ihm sprechen. Das kann so nicht weitergehen. Ich schnappe mir einen Stift und beginne, alle Vorschläge auf einer Flipchart zu notieren. Und nach einer halben Stunde haben wir ein unübersichtliches Netz aus Linien und Wörtern. „Also gut. Wer von euch spricht Italienisch?" Ausnahmslos alle Hände gehen nach oben. „Und wer spricht Chinesisch?", frage ich zum Spaß hinterher. Nach wie vor sind alle Hände erhoben. Ich schnaube und bedeute ihnen, ihre Arme wieder zu senken. „Ist das jetzt euer Ernst?" Sie nicken. „Ach, haltet alle die Klappe und macht euch an die Arbeit!" Ich drehe mich um und sammle meine Sachen zusammen. Bez bleibt neben mir stehen und schaut mich an. „Gibt es was?" Er nickt. „Na dann schieß los." Er räuspert sich umständlich, was mein Verlangen steigert, ihm eine reinzuhauen. „Da du mir jetzt die Erlaubnis erteilt hast mit dir zu sprechen, wollte ich fragen, ob es unbedingt nötig ist, dass ich mit nach Italien komme." Daher weht der Wind also. „Ich weiß zwar nicht, was dich daran jetzt stört, aber ich werde meinen Job erledigen. Wenn dir das nicht passt, kannst du dich ja versetzen lassen. Zum Beispiel in die Buchhaltung oder zum Zirkus." Mein dazugehöriger Blick könnte vermutlich die Klimaerwärmung stoppen. Bez nickt nur und dreht sich wieder um. „Vergiss was ich gesagt habe. Wenn es ein Problem für dich ist, dann kannst du natürlich hierbleiben." „Nein, du hast Recht. Es ist schon gut so. Ich gehöre zu deinem inneren Kreis und da muss ich meine Gefühle hinten anstellen." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verlässt er den Raum. Er hat genau genommen nichts falsch gemacht, ich bin diejenige, die ihn von sich gestoßen hat. Und in diesem Moment könnte ich mir dafür eine Woche Toilettendienst in einem Einkaufszentrum aufbrummen. Aber ich habe mich dafür entschieden, nicht weiter in dieser Lüge zu leben. Mein restliches Leben ist schon erstunken und erlogen, da brauche ich nicht auch noch einen wirklich lieben Menschen mit hineinziehen. Das hat Bez nicht verdient und ich möchte, dass er glücklich wird. Auch wenn das für mich Verzicht bedeutet. Aber wenn mein Vater mir etwas beigebracht hat, dann, dass glückliche Arbeiter einen besseren Job erledigen. Und ich habe nicht vor, an dieser Maxime etwas zu ändern, solange es nicht unbedingt nötig ist. Und für mich hat sich die Sache damit erledigt. In meinem Herzen habe ich Bez in die Reihe meiner Mitarbeiter zurückgedrängt und beabsichtige, ihn auch da zu behalten. Dass ich mit ihm gewisser Maßen gespielt habe, muss er verkraften können. Und jetzt muss ich packen!
Als hätte ich meinen Gedanken hinaus auf den Ozean gebrüllt, steht Lara keine zwei Stunden später in Begleitung von Fothy und Doc in meinem Aufzug und mustert mich herablassend. „Ist irgendetwas mit meinem Gesicht?" Sie nickt. „Und wie. Hast du mal deine Augenbrauen gesehen? Und deine Fingernägel erst! Abgesehen von der Tatsache, dass deine Haare grün sind! Wolltest du etwa so nach Italien fliegen?" Ich verdrehe die Augen und schaue zu Fothy und Doc. „Okay. Wer von euch beiden hat sie angerufen?" Sie unterdrücken beide ein Lachen und schauen mich nicht an. „Wisst ihr, was ihr da angerichtet habt?" Meine Stimme hat inzwischen eine panische Tonlage erreicht. Und das zu Recht: „Du kommst jetzt erst einmal mit." Lara packt mich am Arm und zieht mich mit sich in meinen Kleiderschrank. Dort haben bereits zwei Leute damit begonnen, übermäßig teure Koffer mit übermäßig teurer Ware zu befüllen. „Habe ich dir schon meine beiden Assistenten vorgestellt? Emilia, das sind Gabby und Carl." Die beiden nicken schüchtern und deuten eine Verbeugung an. „Wozu hast du bitte Assistenten?" „Ach, du weißt schon. Ich habe viel zu tun." Oh mein Gott. Hätte ich sie bloß nicht angestellt. Was haben die mit ihr an dieser Schule gemacht? Sie ist in diesen wenigen Minuten beinahe unerträglicher als all die Jahre zuvor. Eingeschlossen der Zeit, die ich mit ihr in Miami verbracht habe. „Wir haben aber auch gar keine Zeit zu diskutieren. Setz dich hin und sei leise." Sie drückt mich in einen der breiten Sessel im Kleiderschrank. Viel mehr bekomme ich nicht mehr mit, da sie mir gnädiger Weise einen Ipod gibt und ich mit geschlossenen Augen darauf warte, dass sie wieder verschwindet. Eine gefühlte Ewigkeit später (in dieser Zeit dürfte sich Keith Richards auch noch das letzte Bisschen seiner Stimmbänder weggeräuchert haben) nimmt die mir die Kopfhörer ab und erlöst mich aus meinem Halbschlaf. Gabby hält mir einen Spiegel vor das Gesicht, das mich erstaunlich adrett und aufgeräumt anblickt. „Ich habe deine Haare ein bisschen gefärbt und aufgefrischt, deine Wimpern verlängert, deinen Augenwald gerodet und vielleicht deine Lippen ein wenig gefärbt. Und jetzt schau nicht so leidend!", fügt sie hinzu, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkt. Gabby und Carl haben inzwischen ihren Dienst erfüllt und alle Koffer gepackt. Auch wenn ich mit denen im Gepäck für zwei Jahre um die Welt reisen könnte. Aber das ist jetzt auch egal. Gemeinsam schleppen wir die Koffer ins Wohnzimmer, wo Fothy sie schon auf ein Rollbrett stapelt. Ich öffne ihm die Tür zur Garage und helfe ihm, die Fracht in ein Auto zu verstauen. Hinterher helfe ich auch den anderen beim Packen und Schleppen, sodass wir zwei Stunden später aufbrechen können. Lara steckt mich noch in ein Reisekostüm, mit dem ich beinahe nicht hinter mein Steuer klettern kann. Aber als ich diese Hürde auch gemeistert habe, können wir endlich starten. Unbemerkt ziehe ich meine High Heels aus und kicke sie in den Fußraum des Beifahrersitzes. Lara lehnt sich durch mein Fenster und drückt mich. „Pass da drüben auf dich auf. Und angel dir unbedingt einen heißen Italiener. Die sollen besonders leidenschaftlich sein." Na gut, das war dann wohl meine Verabschiedung. Und so setzt sich die Kolonne wieder einmal in Bewegung. Ganz vorne fährt Bez mit dem einzigen Auto, das nicht in die Reihe passt: Im Gegensatz zu allen anderen fährt er einen großen Geländewagen. Ich hingegen sitze in einem gediegenen Sportwagen. Fothy hinter mir sieht im Rückspiegel hinter dem Steuer aus wie ein Zwerg, weil das Lenkrad ein wenig zu hoch eingestellt ist. In der Reihe fahren wir die zwanzig Etagen der Garage hinunter, sodass ich unten angekommen einen leichten Drehwurm habe. Aber ab diesem Zeitpunkt läuft die Operation Europa wie geschmiert: Wir erreichen den Frachthafen pünktlich und werden vom Kapitän höchstpersönlich zu unseren Zimmern gebracht. Und der Tag klingt damit aus, dass wir vom ersten Maat erzählt bekommen, wie er das Monster von Loch Ness gesehen hat. Nachdem er bereits eine Menge getrunken hat, ist Nessie auf einmal rosa. Ich fühle mit dem armen Tierchen.
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Victories (Buch 2)
AcciónJaxx ist tot, er wurde während der Krönungszeremonie erschossen. Von Rachegedanken geplagt versucht Emilia Stoneforth als neue Victoria nun, die verantwortlichen Rebellen aufzuspüren - um ihnen zu geben, was sie verdienen...