J o y c e l i n
🦋Natürlich bin ich jede Minute immer kurz davor, Sav anzuschreiben und ihr zu beichten, dass etwas dazwischengekommen ist oder ich krank im Bett liege. Mir ist sogar schon die Idee gekommen, einfach vom Dach zu springen und mir ein Bein zu brechen, damit ich ins Krankenhaus komme. Doch das ist wohl etwas zu übertrieben für meinen Geschmack, weshalb ich diesen Vorschlag gleich wieder vergesse.
So bleibt mir kaum was anderes übrig, als Angelina beim Abendessen Bescheid zu geben, dass ich heute sehr spät nach Hause komme. Daraufhin zieht sie spöttisch eine Augenbraue nach oben, die genauestens zeigt, dass sie nicht einmal im Traum daran denkt, dass ich auf eine Party gehe. Und bis vor ein paar Tagen hätte ich das wahrscheinlich selbst nicht geglaubt.
»Na, dann wünsche ich dir natürlich viel Erfolg bei der Erstellung des Projektes. Ich gehe aber morgen übrigens mit deinem Vater essen, sobald er von seiner Geschäftsreise in Marokko zurückkommt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass du ihn morgen erst sehr spät siehst. Vielleicht aber auch am nächsten Tag, da wir hoffentlich den ganzen Tag zusammen verbringen werden.« Mit ihrer herablassenden Miene und den Spott in ihrer Stimme beäugt sie mich kurz, ehe sie eine weitere Gabel mit Salat in ihrem Mund schiebt. Ja, sie ist gerade auf Diät, obwohl manch einer denken könnte, dass sie bei ihrer dünnen Figur magersüchtig ist.
Ich lege meinen Löffel weg, da ich mir eine Suppe gekocht habe. Dann schreibe ich etwas auf meinen lila Notizblock und zwinge mich dazu, dabei nicht die Augen zu verdrehen. Wenn ich das mache, fällt ihr wahrscheinlich auch noch ein, dass sie mich dafür bestrafen kann und mir verbietet, Spaß mit meinen Freunden zu haben. Denn je länger ich an einem Tisch mit meiner blondierten Stiefmutter sitze, die heute immer noch ziemlich eifersüchtig auf meine echte Mum ist, da Dad noch sichtlich an ihr hängt, desto dringender möchte ich aus dem Haus kommen und auf diese blöde Party aufkreuzen. Hauptsache weg von ihr.
[Ich gehe auf eine Party. Und ich denke nicht, dass Dad den ganzen Tag unterwegs sein möchte. Er ist nach seinen Geschäftsreisen doch immer ziemlich ausgepowert.]
Mit diesen Worten stehe ich auf und nehme meinen Teller Suppe mit hoch in mein Zimmer, da ich auf ihre Gesellschaft lieber verzichte. Sie zeigt mir klar und deutlich, dass ich ein Problem in ihrem Auge bin. Das macht sie schon, seitdem sie Dad kennengelernt hat. Die beiden unternehmen ziemlich häufig etwas und Dad würde mich am liebsten überall mit dabei haben, doch Angelina macht ihm da immer wieder einen Strich durch die Rechnung, indem sie behauptet, dass sie nur noch zwei Tickets für das Festival ergattern konnte. Oder das Restaurant hatte nur noch einen Tisch für zwei Personen übrig. Oder das Wellness-Hotel wäre nur für volljährige Personen, während auf dem Prospekt Kinder in einem Wasserbecken planschen.
Und Dad ist blind vor Liebe. Er kauft ihr alles ab und schenkt mir dafür immer einen entschuldigenden Blick und das Versprechen, das nächste Mal etwas zu dritt als Familie zu machen. Aber Angelina gehört eben nur zu seiner Familie. Nicht zu meiner. Und das wird sie auch nie.
Jedenfalls esse ich auf meinem Bett noch eilig meine Suppe auf, während ich der gegenüberliegenden Wand einen grimmigen Blick zuwerfe. Den leeren Teller stelle ich danach auf meinem Schreibtisch ab und schlendere dann mit einem tiefen Seufzen zu meinem Schrank, um mir ein Outfit für heute Abend zusammenzustellen. Und während ich zunehmend aufgeregt und nervös werde, bekomme ich kaum mit, wie es an der Tür läutet und Angelina schon kurz darauf jemanden empfängt, der mir wage bekannt vorkommt. Zumindest habe ich diese Stimme schon mal irgendwo gehört.
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Shutterfly
Teen FictionJoycelin Andrews ist eigentlich ein ganz normales Mädchen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie stumm ist und ihr Garten im Sommer von Schmetterlingen nur so wimmelt. Sie ist der Inbegriff des Einzelgängers und lebt die meiste Zeit in ihrer eigenen kl...