• N E U N U N D V I E R Z I G •

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J o y c e l i n
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Die Nachricht meines Dads ist wie ein Fausthieb in meinen Magen. Für einen Moment, der nie zu enden scheint, kann ich nicht atmen und alles um mich herum dreht sich. Ich höre noch, wie Dad irgendetwas sagt und sich Mace gestresst durch die Haare fährt.

Völlig unruhig tigert er im Zimmer umher, während ich kurz davor bin zu hyperventilieren, als ich es endlich wieder schaffe, irgendwie zu atmen. Doch ich habe das Gefühl, nie genügend Luft einzusaugen, weshalb ich pro Sekunde mindestens zehnmal die Luft einziehe und wieder ausstoße. Und der Raum scheint immer weiter Karussell zu fahren, als ich mein Handy weglege.

Mit den Händen stütze ich meinen Oberkörper ab, als ich drohe, nach vorne zu fallen. Mir wird gleichzeitig heiß und kalt und plötzlich kommt mir der Raum so unsagbar klein vor.

Endlich schießen die erwarteten Tränen in meine Augen und meine Schnappatmung verschlimmert sich nur. Sterne beginnen vor meinen Augen zu tanzen und ich weiß, dass ich kurz davor bin, in Ohnmacht zu fallen.

Auf einmal ist Mace neben mir, der mich besorgt anschaut. Ich höre ihn etwas laut rufen, kann ihn aber nicht verstehen. Ich nehme nur meine schnelle Atmung wahr.

Schon im nächsten Moment sind auch Cam und Sav im Raum und bleiben wie angewurzelt stehen, als sie uns erblicken. Dann eilen auch sie herbei, gerade als Mace mich sanft zurück auf das Bett drückt.

Mein Mund ist zu einem stummen Schrei geöffnet und ich wünsche mir so sehr, meinen Schmerz irgendwie hinausschreien zu können. Dieses Innere Brennen verlangt mir fast meine ganze Kraft ab und ich habe keine Ahnung, wie ich mich jemals wieder beruhigen kann.

»Joyce, du musst langsamer atmen. Du kippst gleich um«, redet Cam auf mich ein und erst jetzt bemerke ich, dass alle drei um mich herumstehen und mich mit sehr besorgten Mienen anschauen.

Doch ich schüttle nur den Kopf. Ich kann einfach nicht. Ich brenne innerlich und ich muss atmen, um diese Hitze zu lindern.

Wieder öffnet sich mein Mund und ich will schreien. Wieder kommt nichts heraus und ich schließe die Augen, um der Dunkelheit ausgeliefert zu sein.

Ich muss an Mum denken und an die ganzen Erinnerungen, die sich alle in diesem Haus und vor allem in diesem Garten abgespielt haben. Muss an all die Nächte denken, die Mum und ich zusammen in unserem geheimen Versteck verbracht haben, an die unzähligen Schmetterlinge, die von Blume zu Blume geflogen sind. An all die Momente nach ihrem Tod, an denen der Garten der einzige Trost war, den ich hatte. Der einzige Ort, der mir das Gefühl gegeben hat, dass Mum noch hier ist.

Ich spüre, wie sich etwas einen Weg von meinem Hals aus nach oben bahnt und kann nicht deuten, was genau es ist. Doch in meinem seelischen Schmerz denke ich nicht lange darüber nach und lasse es einfach heraus. Allerdings hatte ich keine Ahnung, was ich da freigelassen habe.

Ein lauter, krächzender Schrei entringt mir, der sich vollkommen zerbrechlich anhört. Ich schluchze, als dieser versagt und registriere nicht die aufgeklappten Münder der anderen, sondern spüre nur das Brennen in meiner Kehle.

Als ich mir über die Augen wische und wieder einigermaßen scharf sehen kann, beruhigt sich auch meine Atmung wieder.

»Joyce?«, fragt Sav sehr langsam und vorsichtig und sie sieht so aus, als wüsste sie nicht, ob ich es wirklich bin, die da vor ihr auf dem Bett liegt.

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