• V I E R U N D Z W A N Z I G •

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M a s o n
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Tage vergehen und ziehen an mir vorbei, wie die grauen Wolken am Himmel, bei denen jeder nur noch darauf wartet, dass sich die Schleusen öffnen und sich der Regen über uns ergießt. Bei all den Dramen ist der ganze Schulstress wegen den Tests  schon Nebensache geworden und ich bin fast nur auf Joyce fixiert und darauf, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen.

Dass Luke sie jeden Tag zur Schule mitnimmt und sie des Öfteren auch wieder nach Hause fährt, scheint mir immer noch eine recht gute Idee zu sein. Als sie sich noch nicht lange kannten, haben sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Doch jetzt sind sie dabei, gemeinsame Interessen zu finden und führen ein völlig entspanntes Gespräch miteinander. Luke scheint es nicht wirklich zu stören, dass er deshalb mit Zetteln bombardiert wird. Wie ich scheint er sich langsam aber sicher daran gewöhnt zu haben.

Was mir aber gewaltig gegen den Strich geht, ist Cam. Nach wie vor steht er vor Schulbeginn bei Arthur, Luke und mir und beteiligt sich an unseren Gesprächen, als wäre nichts gewesen. Naja, wenn er nicht gerade mit seinem nächsten Opfer in der Abstellkammer verschwindet und viel zu spät zu den Unterrichtsstunden auftaucht. Allerdings scheint er trotzdem immer einen gewissen Abstand zu mir einzuhalten. Wir sehen uns nicht an, reden nur mit den anderen und stehen uns immer gegenüber und nie nebeneinander. Unser Verhalten finde ich gewissermaßen ziemlich kindisch. Trotzdem hatte ich bis jetzt nie das Bedürfnis, daran etwas zu ändern.

Dass Joyce vor Schulbeginn nicht zu unserem Kreis dazu stößt, schiebe ich ebenfalls auf Cam. Denn statt mit Luke zu uns zu gehen, verschwindet sie schnurstracks in der Schule und wirft mir nur ein kleines Lächeln zu. Ich sehe sie erst wieder in der Mittagspause. Aber auch nur, wenn wir uns zum Mittagessen verabredet haben. Ansonsten hält sie sich die gesamte Pause über wer weiß wo auf. Wahrscheinlich an einem Ort, an dem niemand sonst ist.

Doch sonst sind die Mittagspausen immer sehr entspannt. Manchmal auch nervig, wenn Sav und Em sich zu uns setzen und Sav die ganze Zeit über ihren James redet. Vor allem die letzten paar Tage ist die Vorstellung, ihr den Mund mit Sekundenkleber zuzukleben, immer reizvoller erschienen, da sie ununterbrochen von ihrem bevorstehenden Date mit James schwärmt. Eigentlich wäre es meine Aufgabe als großer Bruder gewesen, James zu drohen, dass er meine Schwester ja gut behandeln soll. Aber Erstens mal ist er ein anständiger Typ und Zweitens mag er Cameron ebenso wenig wie ich. So gesehen gebe ich ihm grünes Licht und wir beide machen unser eigenes Ding.

Grünes Licht hat meine Schwester mir und Joyce übrigens auch schon gegeben, indem sie uns mit einem genervten Stöhnen gefragt hat, wann wir uns endlich zusammenreißen und uns küssen würden. Nur, weil wir uns vielleicht fünf Sekunden länger umarmt haben als sonst. Okay, möglicherweise auch etwas länger. Aber das muss gar nichts bedeuten!

Nach wie vor fährt Joyce oft mit mir und Sav nach Hause und wir verbringen ziemlich viel Zeit zu dritt. Und das, obwohl ihr Dad von eine seiner vielen Geschäftsreisen wieder Zuhause ist und sie ihn nicht oft zu sehen bekommt.

Auch die Sache mit ihrem Dad hat sie meiner Schwester und mir in den letzten paar Tagen anvertraut. Joyce hat bisher nur selten über sich und ihre Familie gesprochen. Wir wussten zwar, dass sie ihre Mum vor zwei Jahren verloren hat. Damals hat sich diese Neuigkeit wie ein Lauffeuer in der Schule verbreitet. Allerdings konnte ich da noch recht wenig mit dem Namen Joycelin Andrews anfangen. Zu diesem Zeitpunkt war sie schließlich eine ganz normale Schülerin wie jeder andere auch.

Weil wir in ihr nicht schmerzhafte Erinnerungen an ihre Mutter hervorrufen wollten, haben Sav und ich uns darauf geeinigt, sie nicht über ihre Familie auszufragen und lieber zu warten, bis sie von sich aus was erzählt. Und das hat sie vor ein paar Tagen dann auch getan.

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