• D R E I U N D Z W A N Z I G •

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J o y c e l i n
🦋

In Zeitlupe gehe ich auf eine der Bänke ganz in der Nähe von Brooke zu, welche direkt neben dem Spielplatz mit den Rutschen, der Wippe und dem Sandkasten steht. Ich setze mich und versuche so unauffällig wie möglich zu wirken, indem ich mein Handy herausziehe und so tue, als würde ich darauf herumtippen. Währenddessen wandert mein Blick aber immer wieder zurück zu meiner ehemaligen besten Freundin, welche auf einmal zu grinsen beginnt. Verwirrung steigt in mir auf, bis ich sehe, dass ein kleiner Junge, der kaum älter als 2 Jahre ist, auf sie zugewankt kommt. Daraufhin hebt sie ihn hoch und wirbelt ihn durch die Luft, was ihm ein fröhliches Quietschen entlockt. Danach stellt sie ihn wieder auf die Füße und geht mit ihm zusammen zum Sandkasten.

Was macht Brooke zusammen mit einem kleinen Jungen im Park?

Ich beobachte sie weiter und sehe zu, wie sie ihm durch die Haare wuschelt und dann mit ihm gemeinsam eine kleine Sandburg baut.

Was mache ich hier eigentlich? Wieso verfolge ich jede Bewegung von Brooke? Ich seufze tief und lasse meine Gedanken von meiner ehemaligen besten Freundin zurück zu Crystal wandern. Was sie zu mir in den Garderoben des Ladens gesagt hat, hat mich verletzt, auch wenn ich das nie zugeben würde und zu allem Übel kann ich sie sogar noch verstehen. Sav und sie sind schon seit Jahren befreundet und jetzt muss sie mitansehen, wie Sav sich immer mehr von ihr entfernt. Und schuld daran sind Em und ich. Natürlich machen wir das nicht absichtlich und es ist immerhin Savs Entscheidung, mit wem sie ihre Freizeit verbringen will. Das ist nun mal nicht Crystal und es versetzt sie in blanke Wut. Trotzdem verstehe ich nicht, weshalb sie alles an mir auslässt, wenn sie doch eigentlich zu Savannah gehen und mit ihr reden sollte. Das würde weitaus mehr bringen, als mir das Leben in der Schule zur Hölle zu machen und wahrscheinlich würde das die Kluft zwischen ihr und Sav noch mehr vergrößern. Anscheinend sieht Crystal das aber nicht so.

»Joyce?«

Ich zucke zusammen, als ich abrupt aus meinen düsteren Gedanken gerissen werde. Anscheinend war ich so vertieft, dass ich nicht einmal mitbekommen habe, dass sich eine Person direkt vor mich gestellt hat. Mit klopfendem Herzen blicke ich auf und starre direkt in ein paar braune Augen, die mir nur allzu bekannt sind. Brooke steht direkt vor mir und augenblicklich nehme ich ihr Parfüm wahr, das sie immer trägt. Sie riecht nach Frühling und duftenden Blumen.

Ihre braunen Locken fallen ihr den Rücken hinunter und durch die kurze Jeanshose kommen ihre gebräunten Beine gut zur Geltung. Dabei trägt sie noch ein gemustertes weißes Top und die vielen Armreife um ihr rechtes Handgelenk klirren fröhlich vor sich hin, wenn sie ihre Hand bewegt.

Unfähig, etwas anderes zu tun, starre ich sie einfach nur an und frage mich, wieso ich nicht bemerkt habe, dass sie auf mich zukommt. Hat sie mich etwa beim Beobachten erwischt? Ich hoffe doch, dass das nicht der Fall ist, denn sonst würde ich vor Scham im Erdboden versinken. Ein leichter Wind streicht über mein Gesicht, der meine glühenden Wangen ein wenig abkühlt und ich bin mir sicher, dass ich schlimmer als eine Tomate aussehe.

Nichtsdestotrotz reiße ich mich irgendwann zusammen und tue so, als ob alles ganz normal wäre. Zwar etwas spät hebe ich meine Hand und winke ihr zur Begrüßung zu, trotzdem bin ich stolz auf mich, da ich wieder einigermaßen die Kontrolle über mich selbst erlangt habe.

»Was machst du hier allein im Park?«, fragt sie und allein ihre Stimme, die ich schon so lange nicht mehr gehört habe, jagt einen kleinen Schauer über meinen Rücken. Und von einem Moment zum Nächsten werde ich überflutet von Erinnerungen. Brooke und ich, wie wir als kleine Mädchen mit Puppen gespielt haben. Wie wir zusammen in ihrem großen Bett liegen, an die Decke starren und gemeinsam über die idiotischsten Dinge lachen. Wie wir unseren ersten Schultag gemeinsam antreten. Ich sehe uns beide vor meinem geistigen Auge, als wir zusammen für Tests lernen, wie wir uns über Arthur und Cameron auslassen. Wie Arthur plötzlich Interesse an Brooke hat und wir uns streiten. Wie sie mich im Stich lässt, als meine Mum gestorben ist und an den letzten Satz, den ich gesagt habe, der für sie bestimmt war: »Ich bereue jede einzelne Sekunde, die ich mit dir verbracht habe, wenn du mich für jemanden wie Arthur in Stich lässt, jetzt, wo ich dich noch nie dringender brauche.« Und ich erinnere mich, wie sie wortlos davongerauscht ist.

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