Kapitel 23

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Ich lebte wie in einer Seifenblase. Beschützt und behütet vor der Außenwelt. Die Realität war durch eine Seifenblasenwand getrennt von mir. Ich konnte in die Realität blicken, aber ich lebte nicht in ihr. Die Seifenblase mochte mich lange beschützt haben, aber eine einzige Tat konnte sie platzen lassen. Wörter konnten sie zerstören. Stimmen brachten mich in die Realität zurück. Ein einziger Mensch konnte mir meine geschützte und geliebte Seifenblase nehmen. Sie zerstören. Er hatte mein gehütetes Leben zum platzen gebracht. Er hatte mich zurück in die Realität katapultiert. Ich war schmerzhaft auf dem Boden der Realität angekommen.

Daniel hatte mir meine Seifenblase genomnen. Er hatte mich zurück in die Realität geschleudert. Seine Worte hatten mein Herz zerstört. Sie hatten mich zerstört. Er hatte mir ein Messer in mein Herz gerammt, ohne es zu wissen. Vielleicht wusste er es, aber hatte es trotzdem getan aus reinem Egoismus. Nur damit ihm nichts passierte, hatte er mich vor den Lauf einer Pistole gestellt und abgedrückt.

Es wirkte alles so gut. Seine Lippen auf meinen und wie er mich angeschaut hatte. Alles wirkte perfekt. Aber Daniel hatte es für Selbstschutz zerstört.
Wie konnte er mir das antun? Wie konnte er das überhaupt zulassen, wenn er es am Ende zerstörte? Machte es ihm Spaß mich verletzt zu sehen? Hatte es ihm gefallen mir den Boden unter den Füßen wegzureißen und mich einfach in den Abgrund fallen lassen?
Der harte Aufprall hatte all meine Knochen brechen, meine Hoffnungen zerplatzen und mein Herz in tausend Teile zerklirren lassen.

Ich öffnete die Augen. Blickte nach vorne. Ohne Emotionen schaute ich mich im Spiegel an. Meine Haut war blass und an manchen Stellen gerötet. Meine Lippen waren trocken und schmal. Ich sah ein kleines Stück höher in meine Augen. Sie waren gerötet und glasig, weil immer noch unzählige Tränen in ihnen schwammen. Meine Augen waren grün, aber nicht das gewohnte kraftvolle grün. Das Kraftvolle war verloren. Der Glanz war verloren. Man erkannte keine Gefühle darin.

Nur ein einziges Gefühl erkannte man vielleicht neben der Gleichgültigkeit. Meine Augen strahlten pure Trauer aus. Schmerz, der nicht ansatzweise auszuhalten war.

Daniel hatte mir das angetan. Er hatte den Glanz und die Freude aus meinen Augen gestohlen. Dazu hatte er noch mein zersplittertes Herz bekommen. Das einzige was übrig geblieben war, waren unaushaltbarer Schmerz und diese schreckliche Gleichgültigkeit.

Ich drehte den Wasserhahn auf und ließ eiskaltes Wasser über meine Hände und meine Handgelenke laufen. Ich beugte mich etwas herab und wusch mein müdes Gesicht. Ich putzte meine Zähne, ohne noch einmal in den Spiegel zu sehen. Ich ertrug diesen Anblick von mir einfach nicht. Mit gekämmten Haaren, lief ich zurück in mein Zimmer. Aus meinem Kleiderschrank zog ich eine schwarze Leggings und einen übergroßen dunklen Hoodie heraus. Ich zog mich um und ging mit meinem Rucksack runter. Ohne etwas gegessen zu haben und nur mit einer Wasserflasche ging ich aus dem Haus.

Es war Dienstag. Das Gespräch mit Daniel war jetzt schon zwei Wochen her. Nach dem Gespräch mit ihm hatte ich mir eine Erkältung eingefangen und blieb die restliche Woche mit Fieber und Schnupfen zu Hause. Letzte Woche war Daniel nicht da und wir hatten Ausfall, beziehungsweise eine Vertretungsstunde. Ich hatte ihn also seit unserem Gespräch nicht mehr gesehen und ausgerechnet heute, wo ich ihn das erste Mal wieder sah, hatte ich natürlich auch noch zwei Stunden Unterricht mit ihm. Das Schicksal musste mich hassen.

Schlecht gelaunt kam ich kurz vor dem Unterrichtsbeginn im Zimmer an. Ohne aufzusehen, bemerkte ich Daniel's Blick auf mir und mir wurde unwillkürlich heiß. Ich ging auf meinen Platz zu und bereitete mich, so gut es ging, auf den Unterricht vor. Dabei ignorierte ich, wie die letzten Tage auch schon, die fragenden und verzweifelten Blicke meiner Freundinnen. Ich hatte ihnen nichts von Daniel und mir erzählt. Auch nicht nach unserem Gespräch. Ich hatte einfach nicht die Kraft mit ihnen oder generell mit irgendjemanden darüber zu reden. Es war schwer für mich damit klar zu kommen. Mit etwas, das verboten und strafbar war. Außerdem wollte ich Liv und Abby da nicht mit reinziehen.

Die Stimme von Mr. Smith unterbrach meine Gedanken. Mein Kopf schoss hoch in seine Richtung und ohne dass ich es wollte, sah ihn an. Er wirkte auch müde und ausgelaugt. Seine Haare waren verwuschelter und sein Bart ungepflegter als sonst. Er hatte dunkle Ringe unter seinen Augen.
Daniel sah nicht besser aus als ich. Ihn hatte die Sache also auch mitgenomnen. Bei dem Gedanken keimte Hoffnung in mir auf, aber mit meinem nächsten Gedanken war die Hoffnung schon erloschen.
Vielleicht nahm ihn auch etwas anderes mit.

"Rose?"

Ich drehte meinen Kopf zu Abby und sah sie fragend an.

"Wieso weinst du?" ihre Stimne war nicht mehr als ein flüstern und sie hielt mir ein Taschentuch hin.

Überrascht berührte ich meine Wangen und tatsächlich waren sie nass. Ich nahm mir schnell das Taschentuch und versuchte mich zu beruhigen. Mich brachte also schon der bloße Anblick und die Stimme von Daniel zum weinen. Wie sollte das bloß die restlichen 85 Minuten weitergehen?

"Danke." ich versuchte Abby anzulächeln, aber aus einem dankbaren Lächeln wurde eine gequälte Grimasse.

"Was ist los, Rose? Irgendetwas stimmt bei dir nicht. Liv und ich wollen dir doch nur helfen. Du weißt wir unterstützen dich. Ganz egal was passiert ist." Abby versuchte es erneut. Liv und sie hatten schon unzählige Male versucht mir ihre Hilfe anzubieten, aber ich konnte ihnen das einfach nicht sagen.

"Du hast Recht Abby. Bei mir stimmt etwas ganz und gar nicht. Aber ihr könnt mir dabei nicht helfen. Ich muss das alleine überstehen." versuchte ich sie abzulenken.

"Wenn etwas nicht stimmt, dann sag es uns einfach. Du musst es sagen und dann helfen wir dir. Wir können dir bei allem helfen, selbst wenn wir dir nur deine Hand halten können und dabei zusehen müssen wie du untergehst. Wir sind bei dir und unterstützen dich, aber bitte sag uns endlich was los ist." flehte mich Abby flüsternd an.

Ich schüttelte meinen Kopf. Ich konnte es ihnen einfach nicht sagen. Es ging einfach nicht. "Tut mir leid Abby, es geht einfach nicht."

"Aber-" fing Abby etwas lauter an, wurde aber von jemandem unterbrochen.

"Sind Sie dann endlich fertig, Abigail? Ich möchte mit meinem Unterricht weitermachen." Daniel klang wütend, aber er sprach ruhig und bestimmend.

Abby nickte neben mir nur zaghaft und schaute dann wieder in ihr Heft und arbeitete weiter.
Mein Blick striff durch den komplett ruhigen Raum, bis ich Daniel direkt in die Augen sah. Er wirkte verletzt, obwohl er doch mich verletzt hatte.

Mein Gesicht drückte eine einzige stumme Frage aus.
Warum?

Daniel schaute mich weiterhin an und sein Blick wurde entschuldigend.
Es tut mir leid.

Es klingelte und die zarte Seifenblase unserer Blicke zerplatzte. Vielleicht endgültig.

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Endlich mal wieder ein neues Kapitel. Diesmal etwas sentimental. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem. 🙈😅
Und es tut mir echt leid, dass so lange kein neues Kapitel gekommen ist, aber ich hab zur Zeit mega den Schulstress... Nächste Woche wird deswegen voraussichtlich auch nur ein Kapitel kommen, aber ich hoffe, dass danach wieder regelmäßiger die Kapitel kommen. 🙈
Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende ❤🤗

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