Kapitel 59

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Mein Kopf dröhnte und mein Körper fühlte sich an, als wäre ich einen Marathon gerannt. Jede einzelne Zelle tat weh. Ich drehte mich auf die Seite und kuschelte mich etwas mehr in die warmen Laken. Der Geruch nach Kaffe und Gebäck ließ meinen Magen bedrohlich knurren. Ich öffnete langsam meine Augen und sah mich um. Das war nicht mein Zimmer. Schnell setzte ich mich auf. Etwas zu schnell, denn das Zimmer begann sich zu drehen. Ich blinzelte ein paar Mal und sah mich um. Der Raum kam mir vage bekannt vor, aber ich konnte ihn keiner Person zuordnen.

Vorsichtig stand ich auf und lief langsam zur Tür. Ich hörte leise Musik laufen und das Klappern von Geschirr. Langsam lief ich den Geräuschen entgegen und blieb vor einer angelehnten Tür stehen. Ich hob meine Hand und schob die Tür etwas weiter auf. Meine Augen wurden groß und ich stockte in der Bewegung.
Daniel stand an der Theke und schnitt Obst.

Erschrocken sah er zu mir hoch und ein unsicheres Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
"Guten Morgen. Willst du dich setzen?"

Ich nickte nur und setzte mich an den Tisch. Daniel kam mit einem Glas Wasser und einer Tasse Kaffe zu mir.

"Hier du musst Kopfschmerzen haben. Da liegt eine Schmerztablette für dich."
Er stellte beide Getränke vor mir ab und zeigte auf eine weiße Tablette.

Ich räusperte mich kurz.
"Danke." sagte ich mit kratziger Stimme.
Ich nahm die Tablette und schluckte sie mir dem Wasser runter.

"Wir können erst mal frühstücken und dann fahr ich dich nach Hause, wenn du willst." sagte Daniel und stellte das geschnittene Obst auf den gedeckten Tisch.
Es standen Marmelade, Käse und Wurst, so wie Croissants und Brötchen auf dem Tisch.

"Danke. Wieso bin ich eigentlich hier?" fragte ich vorsichtig nach und nahm mir ein Croissant.

"Was weißt du denn noch?" stellte Daniel mir eine Gegenfrage.
Er nahm sich ein Brötchen und beschmierte es mit Marmelade.

"Ich war mit Liv und Abby feiern und wir haben gertunken. Dann waren wir tanzen und Tyler war da. Danach hören die Erinnerungen langsam auf." erklärte ich Daniel.

"Ich war auch in dem Club." begann Daniel.
"Und als ich zur Toilette wollte, habe ich gehört wie jemand gesagt hat, er will das nicht. Ich bin also dahin gelaufen und habe gesehen wie ein Typ ein Mädchen bedrängt hat und auf die Bitten des Mädchens aufzuhören nicht reagiert hat. Ich hab also den Typ weggezogen und gemerkt, dass Tyler dich bedrängt hat. Ich hab ihn ein paar Mal geschlagen und mich dann dir zugewandt."

"Ich erinnere mich." sagte ich leise und geschockt. Ich sah Daniel mit geweiteten Augen an.

Tyler hatte mich ausgezogen und mich angefasst, obwohl ich das nicht wollte. Er hatte gesagt, er hätte mit anderen Mädchen geschlafen. Er hatte mich betrogen.
Tränen stiegen in meinen Augen auf, die ich nicht zurück halten konnte.

Daniel stand auf und kam auf mich zu. Er legte seine Arme um mich und zog mich näher an sich.
"Hey, es ist alles gut. Nicht weinen. Alles ist gut."
Er strich mir über die Haare und meinen Rücken.

Ich genoß seine Berührung so sehr, dass ich nicht losgelassen werden wollte. Er roch noch so wie früher. Aber es fühlte sich intensiver an als früher. Ich hatte ihn vermisst. Extrem vermisst. Und mir wurde auch klar, dass ich ihn immer noch liebte. Ich liebte ihn mit allem was ich hatte. Er hatte mir mit seiner Hilfe die Augen geöffnet. Tyler war nur eine Ablenkung gewesen. Das war keine richtige Liebe. So hart es auch klang, Tyler war nur eine Übergangslösung und das wurde mir gerade schlagartig bewusst.

"Geht's wieder?" fragte Daniel nach einer Weile. Ich nickte und er setzte sich wieder auf seinen Platz.
"Du hast auf dem Boden gehockt und warst weggetreten. Dein Top und dein BH waren runtergezogen und deine Hose war geöffnet. Ich hab dir meine Jacke angezogen und dich aus dem Club getragen. Und dann hab ich dich zu mir gebracht und in mein Bett gelegt." erzählte Daniel weiter.

"Aber wieso habe ich jetzt ein T-Shirt von dir an?" fragte ich ihn und lächelte leicht.

"Ich wollte dich nicht so schlafen lassen. Also habe ich dich ausgezogen und dir mein T-Shirt angezogen. Ich hoffe das war Okay?" Daniel sah mich unsicher an und wurde leicht rot. 

Schnell nickte ich.
"Danke, dass du mich gerettet hast."

"Es tut mir leid, dass ich nicht eher da war. Wie konnte dieses Arschloch dir das nur antun?" Daniel's Hände ballten sich zu Fäusten und sein Kiefer spannte sich an.

Ich legte unüberlegt meine Hand auf seine Faust.
"Ist schon Okay. Du hast mir geholfen."
Ich lächelte Daniel sanft an. Sofort lockerte er seine Hand und drehte sie, so dass er meine in seine nehmen konnte.

Nachdenklich sah ich auf unsere Hände.  Es fühlte sich gut an ihn zu berühren. Nein, es war immer noch nicht richtig. Langsam zog ich meine Hand weg und aß weiter. Meine Stimmung war getrübt und traurig, wie an einem verregneten Tag.

"Er hat mich betrogen." sagte ich nach einer Weile leise in die Stille.

"Ich werde ihn so was von umbringen." knurrte Daniel.

"Nein, wirst du nicht. Du hast ihn schon geschlagen. Selbst das dürftest du als Lehrer nicht. Ich werde mit ihm Schluss machen."

"Ich hätte ihn gerne noch mehr geschlagen. Du hast etwas viel besseres als ihn verdient." erwiderte Daniel.
Er sah mir in die Augen und drückte kurz meine Hand.

Ich weiß. Dich zum Beispiel, dachte ich.

Natürlich war mir klar, dass das, was zwischen Daniel und mir einmal war, nie wieder vorkommen durfte. Daniel war für mich die verbotene Frucht.
Vielleicht kam ich irgendwann über ihn hinweg. Im Moment war das jedoch ausgeschlossen. Aber vielleicht konnte ich ihn irgendwann vergessen.
Meine Gefühle für Daniel hatten immer existiert. Ich hatte sie nur verdrängt und mir andere Gefühle eingeredet. Aber die Gefühle für Daniel waren da und sie waren verboten.

Ich hatte keine Ahnung was ich tun sollte. Ich hatte starke Gefühle für meinen Lehrer. Mein Freund hatte mich angefasst, obwohl ich es nicht wollte. Er hatte mir gestanden, dass er mich betrogen hatte. Und das nicht nur einmal.

In mir kamen die Tränen wieder hoch und eine eiskalte schwere Hand legte sich um meine Kehle und drückte zu. Ich versuchte zu schlucken und alles runter zu würgen. Ich musste stark sein. Wenigstens bis ich zu Hause war und Daniel mich nicht mehr sehen konnte.
Ich war verdammt enttäuscht von Tyler. Mir wurde zwar gerade klar, dass ich nicht ihn, sondern Daniel liebte, aber ich hatte trotzdem Gefühle für ihn.
Das machte alles so kompliziert.

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Und noch ein Kapitel für euch. 😊❤

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