Chapter Thirty-Six

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Es ist fast unvorstellbar, wenn man bedenkt, welchen Ruf Herr Carter hat. Eine ganz neue, bewundernswerte Seite offenbart er mir - eine Seite, die keine Angst vor Berührungen mit fremden Menschen hat. Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachte ich, wie er mit den Kindern aus dem Dorf Fußball spielt.

Aber da ist auch eine andere Seite, eine, die beängstigend ist, wenn man genauer hinsieht. Bewaffnete Männer sind ständig um uns herum, sie schützen uns vor noch schlimmeren Männern, die andere Dörfer überfallen und Herr Carters Projekte sabotieren wollen. Dennoch bewundere ich seinen Mut und seine Hingabe, seinen Traum zu verfolgen, etwas zu bewegen und zu verändern.

Wir haben alles - Geld, Essen, Wasser, Strom. Und sie? Sie haben so wenig und sind doch so glücklich. Sie sind dankbar für jede Kleinigkeit, die sie besitzen. Was für eine Welt ist das, in der Kinder ohne Schuhe, ohne richtige Kleidung, ohne tägliches Essen leben müssen? Was für Menschen sind wir, die alles haben und es nicht zu schätzen wissen?

Herr Carter hat mir eine Welt gezeigt, die all das nicht hat, und doch sind die Dorfbewohner unglaublich lebensfroh. Diese Erfahrung hat meine Perspektive verändert und mich tief bewegt.

Plötzlich greift eine kleine Hand nach meiner. Ein Paar brauner, wunderschöner Kulleraugen blickt mich funkelnd an. Doch bevor ich reagieren kann, packt einer der Männer den Jungen und reißt ihn von mir weg, so dass er in einer Pfütze landet.

Was zur Hölle soll das?

Der Junge sieht betrübt auf seine verschmutzten Hände, wischt sie an seiner schon dreckigen Kleidung ab und versucht sich aufzurichten. Niemand kommt ihm zu Hilfe. Also gehe ich in die Hocke und reiche ihm meine Hand. "Hab keine Angst." Flüstere ich ihm zu und lächle beruhigend.

Herr Carter unterbricht das Spiel und seine Aufmerksamkeit richtet sich auf uns. Mit einem Funken Wut in den Augen sehe ich auf und fixiere den Mann, der dem Jungen dies angetan hat. "Was erlauben Sie sich eigentlich?"

"Sie sollten diesem Jungen keine Beachtung schenken!" Erwidert er mit einem gleichgültigen Ausdruck.

"Was?" Meine Stimme klingt überrascht und entsetzt zugleich. Wie kann jemand so kalt und herzlos sein?

Herr Carter kommt auf uns zu und in seinen Augen liegt ein trauriger Glanz. "Er ist-" Er bricht ab, schüttelt den Kopf und kniet sich zu uns. "Er wurde von den Dorfbewohnern verbannt."

"Aber-" Ich beginne zu protestieren, aber er unterbricht mich.

"Seine Familie hat ihn verstoßen. Sie glauben, er ist ein Hexenkind. Deshalb beachtet niemand in diesem Dorf den Jungen oder gibt ihm etwas zu Essen oder zu Trinken."

Ein Gefühl der Fassungslosigkeit durchfährt mich. Wie grausam. Wie kann man ein Kind so behandeln, es ausstoßen und verleugnen? Es ist kaum zu glauben, dass solche Praktiken in dieser modernen Welt immer noch existieren. Es bricht mir das Herz.

Herr Carter beobachtet meine Reaktion, seine Augen sind aufmerksam und abwartend. Doch für mich steht fest: Ich kann diesen Jungen nicht sich selbst überlassen. Selbst wenn ich das ganze Dorf gegen mich aufbringe. Er kann nicht älter als vier Jahre sein. Wie soll so ein kleines Wesen in einer Welt, die schon am Rande des Abgrunds steht, überleben?

Entschlossen hebe ich ihn hoch und nehme ihn beschützend in meine Arme. Entsetzte Blicke treffen mich, doch ich ignoriere sie. Ich weiß, dass alle hier Hilfe benötigen, besonders die Kleinsten. Aber er benötigt sie noch viel dringender. Erschöpft legt er seinen Kopf an meine Schulter und schließt die Augen. Sein kleiner Körper besteht nur noch aus Haut und Knochen - es bricht mir das Herz. "Dann werde ich ab jetzt für ihn sorgen. Ihn füttern, kleiden und seine Beschützerin sein."

Is It Love - ColinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt