Kapitel 49

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Einen Tag später

Mark's POV


Er saß im Schneidersitz auf dem Bett und sah zu seinem Freund hinüber. "Ach, Tilmann, was soll ich denn sagen? Ist doch alles gut." Seit Mark seinem Freund ein wenig erzählt hatte, was Phil so über seine Ängste dachte, wollte dieser ihn die ganze Zeit analysieren. "Das liegt am Unfall und nicht an unserer Vergangenheit." versuchte Mark ihn endlich von diesem Thema abzubringen. Es war ihm irgendwie unangenehm und eigentlich galt es, eine Lösung zu finden und nicht eine Therapie zu machen.

Und das nur, weil er sich nicht getraut hatte, allein vom Rollstuhl ins Bett zu kommen, diesen Bettgalgen so lange gemustert hatte, bis Tilmann ihn darauf angesprochen hatte. "Was kann denn passieren, wenn du es nicht schaffst?" hatte er ihn gefragt. Und da war es Mark so richtig bewusst geworden, wie recht Phil doch hatte, sich seine Ängste nur in seinem Kopf abspielten. "Nichts." hatte er deprimiert feststellen müssen. Er hätte lediglich zurück in den Stuhl fallen können. Also hatte er es schließlich versucht, und geschafft.

Und seitdem wollte sein Kumpel wissen, warum Mark diese Ängste hatte. "Natürlich haben die Ängste ihren Ursprung in dem Unfall, klar. Aber es hat doch einen Grund, warum es bei uns unterschiedlich ausgeprägt ist. Ich kann mir für mich schon denken, warum ich meine Angst auf dich projiziert hab." grübelte Tilmann laut. "Weißt du, mein Vater war ja Pastor und wir wurden frei, aber auch mit einem großen Verantwortungsbewusstsein erzogen. Und er hat sich immer für die Armen eingesetzt, denen, die am meisten gelitten haben, denen es nicht so gut ging. Um die haben wir uns dann immer gekümmert, auch, wenn sie krank waren. Das war meinem Vater immer so wichtig. Das ist bei uns in Fleisch und Blut übergegangen. Nicht die Familie war der Mittelpunkt, sondern der Mensch. Und vor allem der, der am meisten Hilfe brauchte."

Mark seufzte auf. "Aber ich gehör' ja nicht wirklich zu den Bedürftigen. Ich glaub', das war Zufall, weil wir hier in dem Zimmer zusammen sind. Spielt doch auch keine Rolle, weil es eigentlich darum geht, dass wir die eben verlieren." Er wusste, dass er als Kopfdude vielleicht zu viel nachdachte, was es nicht so leicht machte, Gedanken, die in seinem Kopf herumspukten, so einfach abzuschalten. Wahrscheinlich lag es an dem Gefühl der Schwäche und dass er es nicht einschätzen konnte. Und ihn wohl verunsicherte.

"Ne, ne." Tilmann setzte sich auf und an seinen Bettrand, ließ die Beine baumeln. "Wie bist du denn aufgewachsen? Hast du da viel Verantwortung getragen?" wollte er nun wissen. Mark stöhnte kurz auf, musste dann aber doch spontan lächeln, als er an Tilmann's Worte dachte und ihm selber was dazu einfiel, was er auch sofort aussprach: "Ich hab' ja ne polnische Mutter und'n Haufen Tanten und so, aber keinen Pfarrer in der Familie, und wir ha'm auch niemanden so geholfen. Aber die Polen sind schon sehr gastfreundlich, und grad an Weihnachten gibt's da die Tradition, dass da jedem, der an diesem Tag kommt, die Tür geöffnet wird und dann auch jeder was zu essen und trinken und so bekommt." Dabei musste er grinsen, da er gerne an Weihnachten in Polen bei der Verwandtschaft seiner Mutter war.

"Ne schöne Tradition. Aber du bist da nicht aufgewachsen, hast du ja gesagt. Dann besuchst du sie öfter?" Tilmann schien wirklich interessiert, und Mark nickte. "Ja. So an Feiern ab und zu, aber auf jeden Fall an Weihnachten. Da kommen dann alle." Das war ihm heilig. In dieser Zeit nahm er auch keine Angebote an.

"Hm." machte Tilmann. "Und was ist mit deinem Vater? Kommt er da auch?" Oh. Mark biss sich auf die Innenseite seiner Lippe und rückte seine Brille zurecht. "Kein gutes Thema?" fragte Tilmann nun behutsam und Mark überlegte, was er dazu sagen konnte, zuckte dann nur mit den Schultern. "Nicht so wichtig." murmelte er leise, wollte das auf jeden Fall nicht intensivieren. 

Tilmann brummelte vor sich hin, schien in Gedanken, was Mark nun doch wieder schmunzeln ließ. Er war schon ein toller Freund, der wirklich immer an andere dachte. Bei ihm machte seine Biografie allerdings durchaus Sinn. "Also Mark,..." riss Tilmann ihn aus seiner Grübelei, "...ich weiß, ich dräng' dich da wahrscheinlich, aber du weißt, dass ich es echt nicht böse meine, oder?" Fragend sah er zu ihm hinüber und Mark zuckte mit den Schultern. "Joa, klar, weiß schon..." murmelte er. Was kam jetzt?

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