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„Man aber wenn du dem angeblich keine Tropfen verpassen konntest, wie ist das Bild überhaupt entstanden?"
Eigentlich war Thiel genervt, weil er andere Sachen jetzt wichtiger fand, aber das musste er schließlich auch wissen.
„Das hab ich heimlich gemacht. Nach der letzten Semesterfeier war Boerne betrunken und ich hab den nach Hause gefahren und der ist direkt eingepennt."
Das erklärte natürlich so einiges. So musste sie es nur noch aussehen lassen, als wäre es einvernehmlich gewesen.
„Und wie kam dein Haar gestern in Boernes Bett?"
„Boerne hatte gemeint, dass er sich nicht so wohl fühlte und hat sich hingelegt. Man, ich dachte die scheiß Tropfen wirken. Er hat sich ins Bett gelegt und etwas später hab ich mich zu ihm gelegt... Er hatte nicht geschlafen..."
„Versteh ich glaub ich, aber was ist dann passiert? Also, mit deinem Vater?"

Plötzlich stürmte Nadeshda in den Raum zurück.
„Boerne ist so ein Genie und wir haben das Bild gefunden mit den Zahlen. Sie haben aus versehen einen Screenshot gemacht."
„Green was?"
„Unwichtig. Boerne sagte was von ABC und 1234. Die Zahlen sind Buchstaben und wir haben das aufgeschrieben. Sommer und das da unten heißt Keller!"
Schlagartig stand Thiel vom Stuhl auf.
„DU, du kommst mit!"

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„Sommer ist dein Vater, nicht wahr?", fragte Thiel, der sich im Auto neben Luisa gesetzt hatte.
„Ja, Heiko Sommer. Man der ist total ausgetickt, als er das Bild gesehen hat. Der hat gemeint ich wäre eine Schande und würde mich durch die Gegend bumsen und er will so jemanden nicht in seiner Familie."
„Und dann hast du die anschließende Vergewaltigung erfunden?"
„Naja nicht direkt! Ich hab ihm gesagt, dass Boerne wollte, dass wir das Bild machen und ich jetzt seine Freundin spielen muss, damit er in seinen Kreisen als super Hecht dasteht und angeben kann. Mein Vater ist komplett ausgerastet und hat nur noch Mist geredet. Von wegen dass meine Leistungsnachweise ja nur so schlecht wären, weil Boerne dass mit Absicht alles inszeniert hat, um mich zu ihm zu locken. Ich weiß das es blöd war, aber ich kam aus der Nummer doch nicht mehr raus. Ich hätte doch nicht gedacht, dass mein Vater so eine Aktion startet."
Für Luisas Tränen hatte Thiel so überhaupt kein Verständnis. Neben dieser jungen Frau sitzen zu müssen ekelte ihn im Grunde genommen nur noch an.
„Und dann hast du ihm auch noch erzählt, dass er dir K.o-Tropfen versucht hat unterzujubeln oder wie?"
Luisa zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß nicht warum ich das getan habe. Ich hatte Angst! Mein Vater würde mich umbringen, wenn ich von der Uni flieg und erst recht, wenn er erfahren hätte, dass ich auf Boerne stehe und nicht er auf mich."

****

„Wie geht's jetzt in den Keller?", fragte Thiel, als sie mit Verstärkung am vermeintlichen Tatort ankamen.
„Die Treppen runter, dann rechts und wenn man noch ein Stück weitergeht, dann ist da so eine Art geheimer Gang. Das Haus ist uralt, da war mal ein Weinkeller."

Mehr Infos brauchte Thiel nicht.
„DU BLEIBST DA!"

Mit geladener Waffe stürmte er aus dem Auto und Nadeshda folgte ihm sogleich.
„Zugriff!", schrie Thiel den anderen Kollegen zu, die ihm teilweise folgten, andere wiederum sperrten diverse Fluchtwege ab.

Voller Adrenalin rannte Thiel in den Keller. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren, weshalb es gut war, dass auch schon Notarzt und RTW bestellt waren, die ebenfalls jede Sekunde vor dem Haus ankommen mussten.

Auf leisen Sohlen näherten sie sich den Stimmen und durch den Spalt der Tür, konnte Thiel Boerne sehen, der fast apathisch am Boden lag und stöhnte.
„Hast du echt geglaubt, ich würde dich raus lassen? Du kommst hier wirklich lebend raus und das Leben von Isa geht weiter? Du hast sie total verkorkst mein Freund. Du ganz alleine und dafür wirst du büßen. Isa gehört zu mir und das wird sie noch kapieren!"
Als Thiel durch den Türspalt linste, war er mehr als geschockt, dass nicht Heiko Sommer ihn bedrohte sondern Jakob, der Kommilitone von Luisa.
Plötzlich fiel ihm endgültig der Groschen. Hätte das wirklich ein Geräusch gegeben, hätte man den Aufschlag selbst in Japan gehört.

Jakob Frank, das meinte Boerne also in seiner verschlüsselten Nachricht. Nicht Frank Thiel. Natürlich nicht Frank Thiel! Warum war da keiner drauf gekommen? Hatten sie sich doch zu sehr auf Luisa versteift, anstatt da mal näher nachzuhaken, wie die Studenten untereinander zueinander standen? Aber warum? Warum Jakob? Thiel war baff und formte mit den Lippen das Wort 'Jakob', weshalb Nadeshda auch entsetzt drein blickte.

„Ich wollte dich einige Stunden leiden lassen, ohne Wasser, ohne Brot, ohne alles Dr. B!"
Da sich Jakob plötzlich von Boerne abwendete schob Thiel die Tür ein Stück weiter auf und war entsetzt, als er einen gefesselten und geknebelten Heiko Sommer auf dem Stuhl sitzen sah.
„Ich weiß was du davon hältst Heiko, aber glaub mir... Ich tu uns allen dreien einen Gefallen, wenn ich ihn aus dem Weg räume."
Der Alte Sommer schüttelte den Kopf und versuchte sich wie ein wahnsinniger aus dem Stuhl zu befreien, doch so sehr er sich bemühte, er hatte keinen Erfolg damit.
Jakob lachte nur kurz und drehte sich wieder zu Boerne, auf welchen er noch immer die Waffe richtete.
„Vollgepisst hast du dich, wie ein inkompetenter, alter Sack.", witzelte Jakob voller Überheblichkeit und trat mit dem Fuß auf Boernes Bauch.
„In.... Inkon...tinent...wenn....schon.", presste Boerne schwer atmend hervor und hob dazu auch noch allen Ernstes den, von Thiel allseits verhassten Zeigefinger.
Da hätte der Hauptkommissar dann fast laut lachen müssen. Boerne war dem Tode nahe und trotzdem konnte der sich nicht verkneifen, selbst da noch die Leute zu verbessern.
„Dein Thiel wird dir jetzt auch nicht mehr helfen können. Bis die gecheckt haben, wo du bist, schmorst du schon längst in der Hölle du perverser, alter Sack!"
Heftig trat der junge Mann in Boernes Genitalbereich, doch mehr als ein erstickter Laut, kam nicht mehr über seine Lippen.
„Ich weiß nicht, wo ich dir die Kugel zuerst rein jagen soll. In den Kopf? Ins Herz oder in deine Eier?"

Da schlug Thiel die Türe mit dem Fuß auf, Jakob zuckte erschrocken zusammen und blickte zu dem Störenfried.
„Waffe fallen lassen!"
„Nur-über-meine-Leiche."
Zornig blickte er wieder zu Boerne, hielt diesem die Pistole an den Kopf und schon ertönte ein lauter Knall.
Thiels Herz setzte vermutlich in diesem Moment aus und er konnte nur die Hände vors Gesicht schlagen.
Als er aber dann zwischen seinen Fingern  hindurch blinzelte, sah er dass Jakob zu Boden ging und Nadeshda neben ihm die Hand noch immer am Lauf ihrer Waffe hatte. Erleichtert schrie er auf, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und stürmte zu Boerne.

„Holt sofort den Notarzt."
Sofort kniete er sich auf den Boden. Dass er sich inmitten der gigantischen Blutlache befand, störte ihn überhaupt nicht. Zaghaft streichelte er über Boernes Gesicht und schluckte heftig, als dieser nicht im Ansatz reagierte.
„Boerne hey.", wimmerte Thiel und da blinzelte der Professor doch tatsächlich einen Moment, hatte aber keine Kraft die Augen offen zu halten.
„Thiel.", presste Boerne hervor, bevor er Anfang Blut zu erbrechen und Thiel ihn sofort zur Seite drehte.
„Macht doch mal einer was!", schrie Thiel flehend, wurde aber von Nadeshda und einem Kollegen weggezogen.

Während sich der Notarzt und die Sanitäter auf Boerne stürzten, hatte Nadeshda Mühe ihren Chef festzuhalten, damit dieser nicht die Rettungsmaßnahmen behindern konnte. Als Thiel dann aber sah, dass einer die Hand an Boernes Hals legte und den Kopf schüttelte, brach er einfach in Nadeshdas Armen zusammen.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt