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„Nein, immer noch nicht. Man, wie lange dauert das denn noch?", stöhnte Thiel frustriert ins Telefon.
„Das wird schon Herr Thiel. Noch bekommt er doch in geringer Dosis die Medikamente, dass haben Sie doch selbst gesagt.", erinnerte ihn Frau Haller.
„Ja schon, aber so ein büschen schneller könnte, dass ja schon gehen.", brummte der Kommissar weiter.
„Das verstehe ich doch. Ich kann's auch kaum erwarten, dass endlich die frohe Botschaft verkündet wird. Sie müssen mir dann aber unbedingt Bescheid geben Herr Thiel."
Natürlich versprach er Alberich, dass er sie darüber in Kenntnis setzen würde, doch irgendwie hatte er den Eindruck, dass das wohl mit Sicherheit noch eine Weile auf sich warten lassen würde.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatten, legte Thiel eine CD von Richard Wagner in den Radio, welchen Uli ihm freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. Leise, aber doch laut genug, ertönten die ersten Klänge und Thiel war sich sicher, dass es sich hierbei um die dazu gehörige Operette von Tristan und Isolde handeln musste.
„Mild und leise, wie er lächelt, wie das Auge
hold er öffnet, - seht ihr's, Freunde?
Säh't ihr's nicht? Immer lichter wie er leuchtet,
sternumstrahlet hoch sich hebt? Seht ihr's nicht?", sagte Thiel, denn das war das Einzige, was ihm noch hängen geblieben war.

Frustriert sah er wenig später zu Boerne und die traurig wirkende Musik, machte ihm schwerer zu schaffen, als er es wollte.
Klar wären gute Laune - Schlager jetzt auch nicht so das Richtige, aber vermutlich besser, als dieses Gejaule, welches aus dem Radio drang.
Andererseits schwor Boerne ja auf diese Musik, weshalb er sich dazu entschied, in den sauren Apfel zu beißen und es eine Weile über sich ergehen zu lassen.

****

Am Nachmittag lag Thiel dann wieder im Bett. Zu seiner Freude, ja das konnte man durchaus so sagen, war Vaddern ein wenig vorbei gekommen und auch Hanne hatte heute schon mit ihrer Anwesenheit an Boernes Bett geglänzt.

Mittlerweile saß Thiel wieder an Boernes Seite und hielt wie selbstverständlich seine Hand. Mit der anderen, strich er dem Professor eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht und musste leicht grinsen, weil ihm plötzlich der Gedanke kam, dass Boerne früher deutlich längerer Haare hatte, als heute.
Natürlich, es waren ja mehr als zehn Jahre vergangen und auch Thiel hatte sich den ein oder anderen Fauxpas mit seiner Frisur erlaubt.

Grinsend erinnerte er sich an ein Ereignis, welches er bis heute nicht vergessen hatte.
Damals hatte Thiel mit seinen Kumpels zusammengesessen und Fußball geschaut. Da er der Einzige war, der auf einen Sieg seitens St. Pauli glaubte, war er dann diese dämliche Wette eingegangen und hatte tatsächlich verloren. Eigentlich hatte er sich ja noch drücken wollen, doch Wettschulden waren halt eben Ehrenschulden und so kam es, dass ihm seine Kumpels einen Irokesenschnitt verpasst hatten. Sicher war es gerade in seinem Beruf keine seriöse Frisur, weshalb Thiel die ganzen nächsten Tage stets eine Wollmütze trug, um sich nicht vor seinen Kollegen, allen voran Nadeshda, der Klemm und Boerne lächerlich zu machen. Doof, dass Thiel sich nicht mehr Gedanken um eine bessere Ausrede gemacht hatte, denn keiner wollte ihm so recht glauben, dass er eine ansteckende Erkrankung der Kopfhaut hatte, die unter keinen Umständen mit Sonnenlicht in Berührung kommen durfte. Immer und immer wieder bohrten Nadeshda und Boerne nach und einmal da wollte der Professor ihm doch tatsächlich die Mütze vom Kopf ziehen.
Thiel schüttelte lachend den Kopf.
Natürlich kam der Tag-X und Thiel musste vor versammelter Mannschaft ohne Mütze aufschlagen. In Anzug und aufgestyltem Iro, war er damals auf die Anderen zugetreten und vermutlich hatte er sich selten so geschämt, wie an diesem Tag.
Was Thiel dann aber noch mehr gewundert hatte, war die Tatsache, dass keiner sich zu seiner dämlichen Frisur geäußert hatte. Nicht einmal Boerne, wobei der wirklich so aussah, als hätte dem irgendeine spitze Bemerkung auf der Zunge gelegen.
Stattdessen standen sie ein wenig später alleine nebeneinander, Boerne blickte ihm auf die Frisur, was Thiel aus den Augenwinkeln mitbekommen hatte und dann sagte der Professor allen Ernstes:

Stattdessen standen sie ein wenig später alleine nebeneinander, Boerne blickte ihm auf die Frisur, was Thiel aus den Augenwinkeln mitbekommen hatte und dann sagte der Professor allen Ernstes:

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(Quelle: Boernepedia)

Das war wirklich so ein Moment gewesen, in dem er Boerne am liebsten einen Kuss auf die Wange gedrückt hätte, weil er das so niedlich gefunden hatte, dass er ihn nicht noch mehr gedemütigt hatte, als er es ja ohnehin schon war.

Thiel sah ein, dass es wirklich auch schöne Momente mit Boerne gab, welche er leider gerne verdrängte, denn meistens war sein Zorn über die unbedachten Handlungen des Professors ein Grund, weshalb er ihn am liebsten geteert und gefedert hätte.
Thiel hatte aufgehört zu zählen, wie oft er Boerne schon das Leben gerettet hatte, doch wenn er ehrlich war, beruhte dass auch wiederum auf Gegenseitigkeit. Außerdem musste Thiel zugeben, dass Boerne ihn tatsächlich oft mit der Nase direkt auf die Lösung eines Falles gestoßen hatte, auch wenn er dem Pathologen immer wieder erklärte, dass das nicht stimmte.

„Eigentlich dachte ich ja immer, Sie wären der Einzige, der es schafft mich zu loben und im selben Atemzug zu beleidigen, aber die Klemm, die kann das auch ganz gut. Wissen Se' was die einmal zu mir gesagt hat?", begann Thiel und erinnerte sich noch haargenau daran.
„Guter Instinkt Thiel, aber ohne Boerne hätten Se's auch nicht geschafft.", gab er die genauen Worte der Staatsanwältin wieder.
„Und weißt du was Nachbar? Die hat Recht. Es gab so viele Fälle in denen ich nicht weiter wusste und dank Ihnen,.. dir, da hat sich dann doch alles geklärt. Du hast Recht gehabt Boerne! Wir sind ein Team, ein verdammt gutes sogar."
Thiel hatte keine Lust mehr auf dieses Sie/Du Spiel, weshalb er sich ab sofort vornahm, ihn so lange zu duzen, bis der andere wieder bei Bewusstsein war oder es nötig war, den liebenden Lebensgefährten zu spielen.
Prinzipiell fragte Thiel sich sowieso, warum sie sich nach all den vielen Jahren noch immer siezten, doch vermutlich war Boerne einfach so eitel und wollte ihm damit seine Überlegenheit verdeutlichen und auch die Tatsache, dass er einfach etwas besseres war, als der schnöde, untersetzte Hauptkommissar.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt