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*_Ein Monat später_*

Obwohl es eigentlich völlig egal gewesen wäre, hätte  Thiel und Boerne ihre Beziehung am Anfang geheim gehalten, wahrten sie, wie einen Schatz. Sicher hatten Alberich, Nadeshda, die Klemm und auch Vaddern versucht irgendwas auffälliges zu bemerken, doch Thiel und Boerne verhielten sich erstaunlich professionell auf der Arbeit.
Mochte sein, dass Boerne noch öfter als gewöhnlich im Präsidium 'rumhing und Thiel vielleicht ein wenig unnötig oft im Institut, aber trotzdem hatte es bisher niemand geschafft, hundertprozentig behaupten zu können, ob die Beiden nun fest zusammen waren oder nicht.

Natürlich kam der Tag X, an dem die beiden aufflogen und der Grund dafür war eigentlich enorm lächerlich, wenn sich irgendwie abstrus.
Boerne hatte sich wie üblich mal wieder in einen Fall eingemischt, was aber gar nicht das eigentliche Problem war. Der Grund weshalb es zum Streit gekommen war, war dass Boerne sich mal wieder unnötig in Gefahr gebracht hatte, weil er das dringende Bedürfnis verspürte, auf eigene Faust zu ermitteln und den Täter auf einem alten Fabrikgelände dingfest machen zu wollen. Natürlich waren Thiel, Nadeshda und deren Team ja auch nicht von gestern und verfolgten die selbe Fährte. Boerne war halt mal wieder einen Ticken schneller und wie so meist auch viel zu unvorsichtig, weshalb Hufschmied ihn bemerkt und mit der Waffe bedroht hatte. Zum guten Glück waren die Kommissare da bereits vor Ort angekommen und Thiel konnte Hufschmied von hinten überwältigen. Stolz wie Oskar, meinte Boerne schließlich, dass er ja besonders gute Vorarbeit geleistet hätte, was bei Thiel die Sicherungen durchbrennen ließen.
Ohne darüber nachzudenken, hatte er Boerne angeschrien, dass er den Scheiß lassen sollte, dass er hier nur wieder in Thiels Handwerk gepfuscht, sich und mal wieder alle anderen in Gefahr gebracht hatte und er gar nicht glauben brauchte, dass er das am Abend wieder gut machen konnte. Da würde ein süßes Grinsen, sein Geklimper mit den Augen und der sexy Hüftschwung auch nicht ausreichen, um ihn wieder gnädig zu stimmen und überhaupt hinterfragte er allen Ernstes, ob dass hier überhaupt eine Zukunft hatte. Ja, da stand nicht nur Boerne mit weit geöffneten Munde da, sondern auch Nadeshda und der Rest der Bande. Bis Thiel kapiert hatte, was er mit seinem impulsiven Wutanfall angerichtet hatte, war natürlich alles zu spät und es dauerte keine zwei Tage, bis sich das im gesamten Präsidium, aber auch in der Pathologie herum gesprochen hatte. Was aber mehr als zwei Tage dauerte, war Boerne wieder zu besänftigen, denn der war zu Tode beleidigt gewesen und strafte Thiel sogar volle 24 Stunden mit Nichtachtung.
Schließlich hatte sich Boerne dann aber doch wieder beruhigt und sie einigten sich darauf, dass sie solche Situationen zukünftig vermeiden wollten. Außerdem musste Boerne versprechen, dass er von nun an vorher Thiel darüber in Kenntnis setzte musste und sich nicht mehr alleine auf so waghalsige Manöver stürzte.
Damit war dann auch wieder Friede im Hause Thiel und Boerne eingekehrt und die Gewitterwolke im Paradies hatte sich verzogen.

****

Die ganzen Tage über, hatte Thiel die Blicke der Kollegen gespürt, aber keiner hatte ihn auf die Sache, was ja eigentlich nicht nur eine Sache war, sondern viel mehr, angesprochen. Das fand er auch ganz gut so, denn arg viel Lust sich belächeln zu lassen oder nervige Fragen beantworten zu müssen, hatte er ja eh nicht gehabt.

„Soll ich Sie ein Stück mitnehmen?", fragte Nadeshda, nachdem die Kommissare bereit waren, in den wohlverdienten Feierabend zu starten.
Thiel kam aber gar nicht dazu, ihre Frage zu beantworten, denn Boerne stand plötzlich im Büro und lehnte sich lässig in den Türrahmen.
Oh, nein. Der würde jetzt doch nicht vor Nadeshda so geschwollen daher reden, wie er es immer tat, wenn sie nicht alleine waren. Gut, dass wäre erstmal nichts ungewöhnliches, aber in Anbetracht dessen, dass jeder nun von ihnen wusste, war es Boerne durchaus zuzutrauen, dies jetzt auch direkt überschwänglich kundzutun.
Das wird nicht nötig sein, liebes Fräulein Krusenstern. Da ich unweit von hier eine Erledigung zu tätigen hatte, dachte ich mir, ich könnte meinen liebreizenden Lebensabschnittsgefährten abholen. Wären wir denn soweit, Frank?", hörte er Boerne in seinem Inneren Ohr sagen, ahnend, was nun folgen würde. In drei.... zwei.... eins... und bitte!
„Ach was, Nadeshda."
Boerne winkte ab.
„Ich hab Alberich die restliche Leiche überlassen, weil sie das A, auch ohne mich hinbekommt, sie ist zwar klein, aber dafür doppelt so klug und ich B, meinen Freund ganz gern entführen würde. Schwiegervaddern will dass wir zum Essen kommen. Nicht das ich da scharf drauf wäre, aber wir können ja im Anschluss... Schadensbegrenzung betreiben. Hole in One oder so!", plapperte Boerne selbstbewusst, zog dabei ein amüsiertes Schnütchen und löste seine Krawatte, welche er untypischer Weise in die Tasche seines Jacketts stopfte.
Während Thiel fassungslos da stand und nicht glaubte, was da gerade nonchalant aus Boernes Mund gekommen war, hatte Nadeshda wohl auch kapiert, worauf Boerne angespielt hatte und wurde augenblicklich rot.
„Äh, ich glaub, so genau will ich's gar nicht wissen."
„Ich spreche natürlich vom Golfen. Frank ist da ja ganz gut, also im.."
„Ich muss... los. Schönen Abend die Herren!" und damit verschwand Nadeshda schleunigst aus Thiels Büro.

Als die Tür ins Schloss fiel, zog Boerne die Schultern nach oben und prustete los.
Thiel hingegen begann allmählich zu begreifen, was hier gerade abging und stützte die Hände in die Hüften.
„Sa'ma' tut dir die Luft im Leichenbunker neuerdings nicht mehr gut oder was war das grad?", fragte Thiel entrüstet.
„Keineswegs, aber da du uns, ohne mich zu fragen will ich anmerken, geoutet hast, war das jetzt nur recht und billig. Außerdem hat es noch nie geschadet, die Gerüchteküche ein wenig zu schüren.", erklärte Boerne informell und zog Thiel grinsend am Kragen seines T-Shirts zu sich.
„Spinner!"
Thiel konnte gar nicht anders, als über beide Backen zu grinsen, denn irgendwie fühlte sich das unfassbar gut an, wenn man sich nicht mehr verstecken brauchte. Okay, Boerne war zwar mal wieder maßlos übers Ziel hinausgeschossen, aber das gehörte eben genauso zu ihm, wie seine Anzüge und  Schnuten.
„Ja, das hat man mir des Öfteren schon nachgesagt.", meinte Boerne grinsend und legte seine Lippen auf die des Kommissars.
Natürlich war Thiel nicht sauer, eher fast schon ein bisschen gerührt, ob der Offenheit des Anderen und erwiderte die zarte Geste.
„Das magst du doch so an mir.", murmelte Boerne an Thiels Lippen.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt