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„Ach, auch schon munter, ja?"
Thiel war noch nicht mal ganz im Zimmer, als Boerne direkt los plapperte.
„Moin Boerne.", brummte Thiel und war fast schon genervt, bevor er die Tür richtig geschlossen hatte.
„Guten Morgen, Frank."
Erst jetzt sah Thiel, dass Boerne ja gar nicht alleine war.
„Moin Hanne."
Na super. Kaum war er hier, durfte er auch schon einen auf Pärchen machen und das, obwohl er sich doch gerade noch vorgenommen hatte, seinen Schmetterlingen im Bauch den Kampf anzusagen.

Boerne, welcher am Bettrand saß, erhob sich schwerfällig und winkte Thiel zu sich.
„Guten Morgen, Schatz."
So schnell wie Boerne ihn an sich gezogen hatte und zu allem Überfluss auch noch seine Lippen auf Thiels Mundwinkel waren, konnte der Kommissar gar nicht reagieren und ließ es deshalb einfach geschehen.
„Moin Schnuckiputz.", murmelte Thiel verlegen und hatte augenblicklich mit seinem viel zu schnellen Puls zu kämpfen.
„Spielen Sie einfach mit!", flüsterte der Professor fast tonlos in Thiels Ohr und drückte sich demonstrativ noch näher an den Kommissar.
„Du hast mir gefehlt.", fuhr Boerne nun wieder in Zimmerlautstärke fort.
„Na frag mich mal.", entgegnete Thiel, der gar nicht mehr wusste, was er am Besten sagen sollte.
Lächelnd setzte sich Boerne auf sein Bett zurück und zog Thiel sofort neben sich.
„Ihr zwei seid ja putzig."
„Joa, find ich auch.", stieß Thiel verlegen hervor und überlegte kurz, ob es sinnvoll wäre noch einen drauf zu setzen und entschied sich spontan dafür.
Als wäre es das normalste der Welt, legte Thiel seinen Arm um Boernes Taille und erwartete eine abwehrende Reaktion seitens des Professors. Doch dieser verkrampfte sich nicht wie erwartet, sondern legte seinen Kopf auf Thiels Schulter und schloss auch noch säuselnd die Augen.
„Du riechst gut.", flüsterte Boerne und Thiel rollte innerlich mit den Augen. Das fand der ja jetzt doch etwas zu dick aufgetragen.
Als Boerne dann auch noch anfing, mit dem Finger an Thiels T-Shirt zu nesteln, räusperte sich der Blonde und griff nach seiner Hand, um sie ruhig zu stellen.
Gut, eigentlich diente es eher dazu, dass Thiels Gedanken nicht weiter Fasching feierten und er sich nicht weiter vorstellte, wo die Hand sonst noch so sein könnte, wenn sie alleine gewesen wären.

„Wie ich sehe, bist du ja jetzt bestens versorgt. Euch stört es doch nicht, wenn ich los mache? Ich möchte gerne einkaufen gehen, ehe es auch allen in den Sinn kommt und die dann die Läden stürmen, nur weil sich das Wochenende nähert."

****

Kaum hatte Hanne das Zimmer verlassen, ließ Boerne von Thiel ab und erhob sich vom Bett.
„Haben Sie meine Uhr dabei?"
Fassungslos blickte Thiel zu Boerne.
Wie machte der das nur, dass der von jetzt auf gleich so anders sein konnte?
In der einen Sekunde spielte er den liebenden Freund und in der Nächsten war er wieder Ekel Alfred in Vollendung.
„Was denken Sie denn?"
Aus der Hosentasche kramte er Boernes Armbanduhr und legte sie auf das Nachtkästchen des Professors.
„Und sagen Se' mal... Musste das grad wirklich sein? Also noch 'n büschen auffälliger ging's wohl nicht oder?", motzte Thiel, um seine Enttäuschung, welche plötzlich da war, zu vertreiben.
„Ich weiß nicht wovon Sie sprechen, mein lieber Thiel. Außerdem haben Sie mitgespielt und wenn ich mich recht erinnere, waren Sie derjenige, der mich umklammert hat."
„Das ist doch echt eine Unverschämtheit, Sie eingebildeter Pinsel! Als würde ich Sie freiwillig anfassen! Träumen Se' mal schön weiter!"
Thiel war richtig wütend und funkelte den Professor auch dementsprechend an.

„Oh, Ärger im Paradies?", fragte Uli, die zu allem Übel nun auch noch erschien.
„Pfff.. Näää!", brummte Thiel und setzte sich mit verschränkten Armen auf den Stuhl.
„Merk ich schon. Lagerkoller?", fragte sie und lächelte in die Runde.
„Nein."
„Ja!"
Uli musste lachen, weil sich beide widersprochen hatten.
„Na wie wär's denn, wenn du deinen Herzbuben mal ein wenig ausführst? Ihr könntet mal in den Park gehen, statt ständig in der muffigem Bude zu sitzen."
Boerne zog pikiert eine Augenbraue nach oben und Thiel musste Grinsen.
Die Idee von Uli fand er gar nicht so übel.
„Das hört sich doch gut an oder was meinst du Pussibärchen?"
„Gut? Ich soll meinen geschwächten Körper nach draußen hieven und mich so in der Öffentlichkeit blicken lassen? Was sollen denn bitte die Leute von mir denken?", schnaubte Boerne und dieses Mal war von seinem, sonst so Laissez-faire wirkendem Getue nichts mehr übrig. Komisch, sonst schämte der sich doch  auch für nichts?
„Was die Leute denken? Die denken, dass Sie ein Patient sind, welcher mal frische Luft schnappen möchte.", kam es trocken von Uli, weshalb Thiel nicht umhin kam zu lachen.
„Komm Schatz, zieh dir was an. Ich schieb dich auch!"
„Soweit kommt's noch!"

****

Ja, soweit kam es tatsächlich, denn Boerne hatte bereits nach dem Verlassen der Intensivstation schlapp gemacht und ließ sich jetzt von Thiel durch die Gegen schieben.
„Können wir nicht mal 'ne Pause machen, Boerne? Ich schwitze und meine Beine fallen gleich ab.", beschwerte sich Thiel, nach der fünften Runde im Park.
„Ich weiß nicht was Sie haben Thiel. Das ist doch herrlich."
„Joa, wenn ich nur blöd 'rumsitzen würde, fänd' ich's sicher auch ganz nett."
Thiel steuerte schließlich auf eine Bank zu, welche er entdeckt hatte und setzte sich schließlich darauf.
„So und jetzt sagen Se' mal warum wir vor ihrer Schwester heute so ein Affentheater veranstaltet haben."
„Affentheater? Wovon reden Sie, Herr Thiel?"
Boerne sah ernsthaft verdattert aus und kratzte sich dabei am Hinterkopf.
„Sie ham' mich geküsst!"
Ja, raus damit, dachte Thiel und sah ernst zu seinem Nachbarn.
„Geküsst nennen Sie das?"
Boerne begann in seiner gewohnten Manier zu lachen.
„Glauben Sie mir, wenn ich die Absicht gehabt hätte, Sie richtig zu küssen, dann hätten Sie aber weiche Knie gehabt, mein Lieber."
Selbstgefällig lachte Boerne noch immer und feierte sich für seinen Spruch offensichtlich selbst am Meisten.
„Einbildung ist auch 'ne Bildung."
„Lieber eingebildet, als ungebildet, nicht?", konterte Boerne erneut und zog dabei seine legendäre Schnute, um sein Grinsen zu verbergen.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt