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Aufgebracht und mit einem Puls nahe der 180, stürmte Thiel auf Boerne zu und zog ihn am Hemdkragen zu sich.
„Was soll die Kacke, Boerne?"
„Jetzt beruhige dich doch mal. Das war ein kleiner, aber feiner Scherz!", entgegnete Boerne und versuchte sich aus dem Griff des Kommissars zu befreien.
„Hast du mich lachen hören?", fragte Thiel mit funkelnden Augen.
„Ach komm schon Frank, du hast mir die perfekte Steilvorlage geboten. Mir blieb praktisch gar keine andere Wahl."
„Das ist echt das Letzte!", brummte Thiel beleidigt und ließ von seinem Nachbarn ab.
„Wo willst du hin?", fragte der, als Thiel im Begriff war zu gehen.
„Nach was sieht's denn aus? Ich gehe!", motzte Thiel und trat aus dem Wohnzimmer.
„Hey, jetzt warte doch Mal. Ich wollte dich nicht verärgern!", kam es schuldbewusst von Boerne, welcher vor Thiel eilte, um ihn aufzuhalten.
„VERPISS DICH!", brüllte Thiel, der wirklich ordinär werden konnte, wenn er in Rage war. Um sich den nötigen Platz zu verschaffen, schubste er Boerne kräftig zur Seite und öffnete die Wohnungstür.
Als dieser aber stöhnend hinter ihm zu Boden ging, hielt Thiel jedoch die inne und erschrak über sich selbst.
„Scheiße, eh. Boerne!"
Sofort kniete er sich neben den Pathologen, der mit dem Hintern auf dem Boden saß und sich schmerzverzerrt den lädierten Arm hielt.
„Boerne. Das wollt ich nicht.", entschuldigte sich Thiel mit rabenschwarzem Gewissen.
Als er seine Hand an die Wange des Professors legte, schlug dieser die Hand aber panisch weg.
„Fass mich nicht an!"
Perplex hielt Thiel inne, bis er begriff, dass Boerne nicht per se ihn damit meinte, sondern den Anflug einer Panikattacke hatte.
„Hey Karl-Friedrich, ich bin's doch. Frank. Bitte, ich wollte dir nicht weh tun und erst recht keine Angst machen!", versuchte Thiel den anderen zu beruhigen, der apathisch da saß und die Knie an sich gezogen hatte. Ob es dem nun passte oder nicht, aber Thiel musste ihn jetzt einfach umarmen.
„Lass mich.", schluchzte Boerne, presste aber sein Gesicht an den Hals des Kommissars, als der ihn noch näher zog.
„Ich bin ein Hornochse. Beruhig dich bitte.", entschuldigte sich Thiel so ein bisschen und streichelte den Kopf des Pathologen, der unter seinen Streicheleinheiten immer ruhiger wurde.
„Es tut mir Leid. Ich dachte es wäre lustig.", entschuldigte sich der Braunhaarige und krallte sich mit den Händen in Thiels Hemd.
„Is' es eigentlich auch. Wer so dumm fragt, hat 'ne dumme Antwort verdient.", stieß Thiel etwas schmunzelnd hervor, der auch diesen Fehler eingesehen hatte.
„ABITUR AUF DEM ZWEITEN BILDUNGSWEG!!", sprachen die beiden Männer gleichzeitig und sahen sich lachend an.

„Möchtest du dann jetzt mit mir unser zweites Date haben oder willst du immer noch Fußball schauen, wo doch heute Spielfrei war.", fragte Boerne neckisch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Ach Spielfrei? Wusste ich gar nicht...", räusperte sich Thiel und grinste.
-Und natürlich wusste er zu gut, dass die ganze Woche kein, für ihn relevantes Spiel stattfand.
„Ja dann hab ich Zeit.", fügte er an und legte seine Hände an Boernes Wangen.
„Aber nur wenn du es noch möchtest. Ich.. hab mich so beknackt aufgeführt, dir weh getan und dir Angst gemacht."
„Finis coronat opus!", flüsterte Boerne und legte seine Stirn an Thiels.
„Hm?"
Anstelle einer Antwort, legten sich Boernes Lippen sanft auf die des Kommissars und da fand Thiel, dass ihm das Antwort genug war. Nonverbale Kommunikation war ihm sowieso am Liebsten, da wusste man wenigstens direkt das man nichts missverstand, zumindest nicht in dem Fall.
Boerne küsste ihn tatsächlich und so setzte auch Thiel seine Lippen in Bewegung und erwiderte diese zarte Geste.
„Darf ich das als ein Ja auffassen und wir verbringen den Abend gemeinsam?", fragte Boerne, nach dem, für Thiels Geschmack, viel zu kurzen Kuss.
Nickend lächelte er ihn an, hauchte dem Pathologen noch einen Kuss auf den Mundwinkel und erhob sich vom Boden, um den Anderen nach oben zu ziehen.

****

„Möchtest du ein Glas Wein oder lieber Bier?", fragte Boerne, der etwas nervös auf der Stelle tapste, während Thiel bereits Platz genommen hatte.
„Nachdem du den Wein so angepriesen hast, würde ich gerne ein Glas davon trinken. Das Bier heb ich mir für später auf!"
Ja, für später, denn Thiel hatte nicht vor, so schnell wieder nach Hause zu gehen.

Während Boerne die beiden Gläser füllte, musterte Thiel ihn haargenau.
Boerne hatte offensichtlich doch Gefühle für ihn. Wie lange kannten sie sich jetzt? Über 15 Jahre? Um jetzt zu merken, dass sie sich gar nicht so ätzend fanden, brauchten sie so lange?
Thiel schüttelte lächelnd den Kopf.

„Auf Onkel Gustav!", kam es wieder gleichzeitig über beide Lippen beider. Lachend stießen sie miteinander an und jeder genehmigte sich einen Schluck.
Boerne hatte nicht zu viel versprochen. Der Weißwein schmeckte herrlich.
„Also beim dritten Mal kostet es was, so heißt es doch oder?", fragte Boerne verschmitzt und zwinkerte Thiel durch seine Brille hinweg an.
„Gibt schlimmeres."
Endlich hatte Thiel Zeit das Essen zu bestaunen und besonders erfreut war er gewesen, als er sah, dass es sich hierbei um Quiche Lorraine handelte. Zugegeben, dass gab es bei Boerne ja des Öfteren Mal, aber irgendwie hatte Thiel da totale Lust drauf gehabt. Vor allem gab es dass auch an dem ersten Abend mit Onkel Gustav, was der ganze Angelegenheit somit die Krone aufsetzte.
„Hoffentlich hat Alberich dass nicht als Anschlag genutzt und uns Rattengift untergejubelt.", meinte Boerne und blickte etwas skeptisch auf seinen Teller.
„Damit sie die Leitung der Forensik übernehmen kann und Nadeshda meinen Posten? Na das könnte denen so passen.", entgegnete Thiel lachend.
„Naja, dann sterben wir zusammen, wie einst Romeo und Julia.", meinte Boerne grinsend und schob sich einen Bissen in den Mund.
„O wackrer Apotheker! Dein Trank wirkt schnell. - Und so im Kusse sterb' ich.", platzte es aus Thiel heraus und nippte theatralisch an seinem Weinglas. Anschließend faste er sich an die Brust und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen.
Plötzlich spürte er Boernes Lippen auf den Seinen. Wie es diese so schnell dorthin geschafft hatten, wusste der Hauptkommissar nicht, war ihm aber auch Schnuppe und er erwiderte den Kuss augenblicklich.
„An dir ist ja ein richtiger Poet verloren gegangen, Frank.", murmelte Boerne nahezu begeistert an Thiels Lippen.
„Bleibt in Zukunft trotzdem dein Part.", entgegnete er süffisant und legte seine Lippen wieder auf die des Professors.

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Thiels kleine Einlage stammte natürlich aus dem Werk von Shakespeare ~ Romeo und Julia.

Boernes Zitat:
Finis coronat opus - Das Ende krönt das Werk ~ Ovid
(Hatten wir glaub ich sogar auch schon mal in dieser Story😉)

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt