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Als Thiel unter der Dusche stand und den Tag Revue passieren ließ, fühlte er sich so befreit wie schon lange nicht mehr.
Endlich, endlich hatte er Boerne seine Liebe nicht nur gezeigt, sondern auch gestanden. Sicher hatte Boerne diese bestimmt nicht angezweifelt, aber er war da halt besser drin. Im Reden, im Komplimente machen, im 'ich liebe dich' sagen und das tat er sogar ziemlich oft. Ganz egal ob es früh morgens war und Thiel noch gar nicht ganz wach oder abends, bei einem Glas Wein oder Bier, einfach so, manchmal auch am Telefon, leise aber mit Ernsthaftigkeit oder aber auch, nachdem sie nach ihrem Höhepunkt verschwitzt und erschöpft beieinander lagen. Thiel hingegen hatte halt immer nur gelächelt, genickt, geküsst, ihn gestreichelt, aber seine Gefühle ausgesprochen, dass hatte er halt heute zum ersten Mal. Er wusste nicht einmal selbst genau, warum es ihm so schwergefallen war, aber vermutlich hatte er einfach nur Angst, zu viele Gefühle zuzulassen und in ihnen rettungslos zu ertrinken, sollte das alles mit ihnen nicht funktionieren.
Blödsinn war das. Sicher, sie hatten kürzlich ja diesen einen, fiesen Streit gehabt, aber niemals wäre es für ihn wirklich in Frage gekommen, sich von Boerne zu trennen.
Nicht jetzt, wo doch alles so schön, so neu und doch irgendwie vertraut war.

Der Tag war perfekt, also fast, dachte er und erinnerte sich an Boernes Geschwafel im Präsidium. Hole in One, Frank sei da ganz gut, hatte Boerne ja zur Nadeshda gemeint, aber genau das stieß dem Kommissar jetzt etwas sauer auf. Wollte Boerne damit sagen, das er jetzt endlich... Sex wollte? So richtigen Sex mit... im anderen sein, einen gemeinsamen Rhythmus finden und sich so nah sein, dass es nichts intimeres gab? War das eine versteckte Botschaft, eine Bitte oder ein Wunsch gewesen?
Natürlich hatten sie auch so eine Menge Spaß miteinander, also im Bett. War ja nicht so, dass sie lebten wie im Kloster. Natürlich küssten und streichelten sie sich, rieben sich gegenseitig mit den Händen zum Orgasmus oder verwöhnten einander mit dem Mund, aber so richtigen Sex, das hatten sie bisher noch nicht gehabt. Ebenfalls hatten sie sich gegenseitig auch schon an diese andere empfindliche Rückseite gewagt, aber mehr als ein wenig die Haut zu küssen oder sich voller Erregung am Hintern des Anderen zu reiben, war bisher noch nicht gelaufen.
Sicher verspürten beide enorme Lust darauf, das ganze endlich zu erleben, aber die Vernunft hatte seltsamerweise immer gesiegt, obwohl es ihnen wirklich oft schwer gefallen war. Boernes Gesundheit ging da aber vor und da der sich noch viel weniger körperlich betätigen durfte als Thiel, hatten sie sich halt irgendwie damit arrangiert.
Nun schien Boerne aber bereit zu sein, vielleicht bereiter als Thiel und das machte ihm schon ein wenig Angst. Angst, dass war vielleicht nicht das richtige Wort, aber Thiel hatte enormen Respekt davor und ein wenig Muffensausen, dass er sich extrem dämlich anstellen würde.
Was richtigen Sex anging, da wusste er noch nicht mal wie Boerne dazu stand und wie der sich das so vorstellte. Wer sollte das Kommando übernehmen? Musste es überhaupt jemand übernehmen? Wer würde den anderen lieben oder eben vom anderen geliebt werden?
Thiel stellte das warme Wasser aus und griff nach dem Handtuch.
Gewartet hatten sie jetzt eigentlich lang genug, warum also nicht den letzten Schritt wagen? Mit Sicherheit würde das ihr unsichtbares Band noch mehr stärken, wobei Thiel sich da nicht mal so sicher war, ob das überhaupt noch möglich war.

Nachdem er rasiert, gekämmt und angezogen war, war er sich dann aber sicher, dass er es wollte.
-Und sollte Boerne heute auch nur ein Signal senden, dass er es tatsächlich auch wollte, jetzt wirklich wollte, dann wäre Thiel bereit. Ganz sicher.

****

„Halt! Ich will das noch nicht."
Überrascht blickt Thiel zu Boerne, der sich windend unter ihm befand und eigentlich kurz vor seinem Höhepunkt stand.
„Ich will dich, Frank. Bitte."
„So ganz jetzt?", fragte Thiel, um auch richtig zu gehen, dass er hier nichts missverstand.
„Und äh... wie, ich meine... wer?", stammelte Thiel, nach dem Boerne genickt hatte.
„Fick mich!"
Okay, dass war wohl Aussage genug.
Thiel musste sich ein Grinsen verkneifen, denn wenn Boerne kurz davor war zu kommen oder so richtig in Fahrt war, vergaß der ganz gerne mal seine feine Etikette und trieb manchmal sogar Thiel, mit seiner Direktheit, die Röte ins Gesicht. Niemals im Leben hätte er gedacht, dass Boerne so... verdorben und anzüglich werden konnte, aber genau das gefiel ihm ausgesprochen gut. Allgemein war Boerne viel entspannter, seit sie zusammen waren und selbst auf der Arbeit guckten manche ganz komisch, wenn Boerne mal ein flotter Spruch, statt eine herablassende Bemerkung über die Lippen kam.
„Schatz, wollen wir jetzt Sex haben oder nur darüber nachdenken?", quengelte Boerne beinahe schon frustriert und legte seine Stirn in Falten.
Grinsend drückte Thiel Boerne einen Kuss auf die Lippen und angelte schließlich mit der Hand nach Boernes Nachttischschublade.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt