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„Zu Beginn hatte Jakob mich nur gefesselt und gemeint, dass ich jetzt Bedenkzeit hätte, ob ich Luisa wirklich die Zukunft versauen wollte. Natürlich habe ich Diskussionen mit ihm geführt, ihm gesagt, was sein Verhalten für Konsequenzen haben wird und dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Thiel hier aufschlagen würde, aber das hatte den nicht beeindruckt."
„Aber war es nicht dumm, dass er so eine Aktion startet, wo Sie doch am nächsten Tag eine Vorlesung halten sollten?", fragte Nadeshda nach.
„Der hat im Affekt gehandelt, da habe ich ihn erst mit der Nase darauf gestoßen, dass ich am nächsten Tag erwartet werden würde. Natürlich war er dann einen Augenblick in Panik geraten, meinte dann aber wenig später, dass dies kein Problem für ihn darstelle. Bevor er an dem Abend mal nach oben gegangen ist, hat er mich dann mit meiner Krawatte geknebelt, damit ich mich nicht mit Rufe bemerkbar machen konnte. Als ich mich dabei gewehrt hatte, hatte er mir mit der Pistole schon eins übergezogen und dann lag ich da. Kopfschmerzen hatte ich zuvor schon, aber ab da, waren sie unerträglich."
Boerne ließ den Kopf hängen und atmete einige Male tief durch.
„Boerne du... du hast mir eine SMS geschickt. Wie kamst du zu der Gelegenheit und warum hast du nicht konkret geschrieben, was los ist?", fragte Thiel und griff zögerlich nach Boernes Hand, welche eiskalt aber schweißnass war.
„Er hatte mir mein Handy nicht abgenommen, war vermutlich davon ausgegangen, dass ich es zu Hause liegen hatte. Wir haben doch mal zusammen den Film bei dir angeschaut. Du weißt schon, als wir damals den Hammer eingebuchtet hatten, da haben wir doch ein paar Tage später bei dir zu Hause eine Filmnacht gemacht.", begann Boerne zu erzählen und Thiel wurde augenblicklich rot. Irgendwie war es ihm schon ein wenig unangenehmen, dass Nadeshda und die Klemm erfuhren, dass Sie des Öfteren abends zusammen abhingen, wobei im Grunde eigentlich nichts dabei war. Trotzdem war es Thiel irgendwie peinlich, weshalb er zu Boerne blickte und sich räusperte.
„Ja, äh, ich erinnere mich schwach... Und was hat das damit zu tun?", fragte Thiel mehr stammelnd als fließend.
„Na da war eine Szene, in der ein Agent eine verschlüsselte Nachricht an den Mann geschickt hatte. Der hatte statt dem Alphabet auch Zahlen verwendet und ich dachte, du würdest damit etwas anfangen können. Außerdem musste ich davon ausgehen, dass Jakob etwas bemerken könnte, weshalb ich mir schon sicherheitshalber eine Ausrede parat gelegt hatte.", erklärte Boerne, als wäre es ja die logischste Schlussfolgerung der Welt gewesen.
„Aha und warum haben Sie sich dann bei der Auswahl der Zahlen verfranzt?", fragte Nadeshda und legte eine Kopie der Nachricht vor Boerne.
„Das kann überhaupt nicht sein. Ich mache keine Fehler.", stritt Boerne ab und erhob dabei belehrend seinen Zeigefinger.
„Da und da. Das Alphabet hat gar nicht so viele Buchstaben, Herr Professor!", gluckste Nadeshda belustigt, was Thiel doch etwas deplatziert fand, angesichts der pikierenden Umstände.
„Da... muss mir ... ein Maleure ... unterlaufen sein. Tatsächlich.", gestand Boerne und man sah ihm seine Verlegenheit deutlich an.
„Das kann doch aber gar nicht sein, ich..."
„Jetzt beruhige dich. Jeder macht mal 'nen kleinen Fehler. Auch du, du Intelligenzbestie.", grinste Thiel und kniff Boerne in den Oberschenkel.
„Ich bin untröstlich, dass gibt's doch gar nicht, da muss ein Irrtum vorliegen.", versuchte Boerne weiter seinen Kopf zu retten. Fehler einzugestehen, lagen ihm halt nicht wirklich. Gut, Thiel auch nicht, dachte er dann und grinste etwas breiter.
„Unwichtig, wir haben die Lösung ja gefunden. Das eine bedeutete Keller und das andere Sommer. Leider haben wir das Frank völlig fehlinterpretiert.", gestand Nadeshda ein.
„Wie meinen? Das war ja wohl offensichtlich!", sagte Boerne voller Unverständnis und blickte die Kommissare mit offenem Munde an.
„Naja eher nich' so. Thiel heißt auch Frank und das klang so, als hätten Sie ihn persönlich angesprochen.", klärte Nadeshda pflichtbewusst auf.
„Sie sind mir ja zwei saubere Spürnasen. Was denken Sie, warum habe ich das Wort Frank so in Szene gesetzt? Mir ist durchaus bewusst, dass unser allseits geschätzter Kommissar Frank heißt, aber da ich ihn bis dato nie beim Vornamen nannte, hatte ich gehofft, dass der Frank hier" er deutete auf Thiel „so viel Intelligenz besitzt, um zu wissen, dass es sich hierbei um einen Hinweis handelt."
Boerne klang noch immer fassungslos, dass seine meisterhafte SMS nicht die entsprechen Anerkennung bekam und rollte entnervt mit den Augen.
„Kleingeister!"
„Und warum haben Sie die Nachricht zurück gezogen? Oder hat sie Jakob dabei erwischt?", lenkte Nadeshda wieder das Gespräch auf die weiteren Abläufe.
„Natürlich kam er mehr als nur unpassend zurück und hat gesehen, wie ich das Handy verschwinden lassen hatte. Sofort hatte er die Nachricht zurück gezogen und mich gefragt, was dieser Scheiß sollte. Ich habe ihm dann erklärt, dass der werte Herr Thiel und ich gemeinsam Lotto spielen und das da meine Zahlen waren."
Boerne begann zu lachen. Scheinbar war ihm klar wie albern und unglaubwürdig diese Ausrede in Wirklichkeit war und so konnten sich auch Nadeshda und Thiel nicht mehr zurück halten.
„Oh man, Boerne. Scheinbar hat Jakob zum Glück genauso wenig Ahnung vom Lotto spielen wie du, sonst hätte der dir das doch nie abgekauft.", gackerte Thiel.
„Alleine bei den Zahlen.", prustete er weiter.
„Ich war selbst ein wenig verwundert, dass er es glaubte. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich keine andere Sorgen hätte, als in meiner Situation an Geld zu denken. Naja und über das Frank hatte der sich zuweilen auch keine Gedanken gemacht.", gab Boerne zu.
„Weil alle deine Studenten wissen, dass ich FRANK Thiel bin?", fragte der Kommissar und betonte seinen Namen besonders stark.
„Ja.", gestand Boerne leise ein und schloss seine Augen.
Sichtlich verlegen, nahm Boerne seine Brille ab, putzte sie an seinem Hemd, was einhändig so gar nicht funktionieren wollte und legte sie schließlich auf dem Tisch ab.

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„Hat Jakob sie geschlagen, misshandelt Ihnen irgendwas anderes angetan?", fragte Nadeshda weiter.
„Darüber möchte ich nicht sprechen!"
Boerne stierte auf die Wand und wurde von Sekunde zu Sekunde immer blasser.
„Wir müssen das wissen, Boerne.", versuchte Thiel ihm gut zu zusprechen und streichelte sanft über den Handrücken des Professors.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt