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„Bevor wir jetzt gleich noch Zeugen werden, wie Boerne Thielchen ein Liebesgeständnis macht, sollten sie wirklich wieder reingehen. Ich bin nicht scharf auf zwei schwule Polizisten.", meinte die Klemm und Nadeshda musste lachen, obwohl sie irgendwie auch geschockt war.
„Ähm, Boerne ist kein Polizist, Frau Klemm. -Und denken Sie echt, dass.... er und der Chef?"
Genüsslich zog die Klemm an ihrer Kippe und blickte die junge Kommissarin an.
„Der Professor macht mich schon so wahnsinnig, mit seinem permanenten Eingemische, dass mein verrauchtes Gehirn, ihn offensichtlich schon in die Kategorie Kripo eingeordnet hat. Wenn der das wüsste, wäre der wahrscheinlich gerührter, als würde man ihm dem den Nobelpreis überreichen."
Wieder ein Zug an der Kippe und die Klemm guckte Nadeshda auffordernd an.
„Na hopphopp, dass war mein Ernst. Das ist immer noch eine Vernehmung und nicht 'Nur die Liebe zählt'!"

****

„Thiel, ich... ach das Fräulein Krusenstern beehrt uns wieder. Tagchen!"
Perplex über Boernes abrupten Themenwechsel, blickte Thiel zu Nadeshda, die in den Verhörraum kam und sich ihnen gegenüber setzte. Als er zu Boerne blickte, lockerte der seine Krawatte, als wäre ihm etwas furchtbar unangenehm.
„Ähm, Boerne Nadeshda gehört halt mit zum Team.", räusperte sich der Blonde, da er vermutete, dass es daran lag.
„Das weiß ich doch, Thiel. Ich arbeite nicht seit gestern hier.", antwortete Boerne beharrlich.
„Nee, genau genommen arbeitest du überhaupt nicht hier, sondern in den Katakomben.", verbesserte ihn Thiel, der sich das zwar verkneifen wollte, aber nicht konnte.

„Ich hätte dann auch mal 'ne Frage, Boerne."
„Herr Boerne! Das Professor, können Sie sich heute ausnahmsweise mal schenken. Ich nenne Sie ja auch nicht nur Krusenstern, nicht?"
Grinsend blickten sich Thiel und Nadeshda an und vermutlich dachten sie beide das Selbe. Boerne war endlich soweit, dass man wieder etwas mit ihm anfangen konnte.
„Verzeihen Sie mir diesen Fauxpas, aber das ist ansteckend."
Dabei blickte sie zu ihrem Chef und zuckte ein wenig verlegen mit den Schultern.
„Schon gut, wir wollen ja nicht päpstlicher werden als der Papst, nicht? Was möchten Sie denn wissen?", fragte Boerne prosaisch, wie es nun mal seine Art war.
„Wie zum Henker kam denn der Sommer mit ins Spiel?"
Gutes Thema, fand Thiel und war tierisch gespannt darauf, ob Boerne Sommers Version teilte oder ob der eventuell doch gelogen hatte.
„Sommer? Am Anfang dachte ich, die hätten gemeinsame Sache gemacht oder gar alle drei, aber mir schien es so, als wäre Sommer ebenfalls Zufallsopfer geworden. Er war zur falschen Zeit, am falschen Ort und genau wie seine Tochter zu neugierig."
„Mit Neugierde kennst du dich ja bestens aus.", merkte Thiel völlig deplatziert an.
„Ich bin doch nicht neugierig. Der Richtigkeit halber möchte ich erwähnen, dass mich nicht die Neugierde plagt, sondern Wissbegierigkeit. Wenn ich etwas erfahre, möchte ich Dingen auf den Grund gehen, aber das steht hier ja keineswegs zur Debatte, nicht?"
Oh man, die Klemm tobte da draußen bestimmt schon, dachte Thiel. Er wusste ja genau, wie sehr sie unqualifizierte Kommentare in Vernehmungen hasste.
„Tschuldigung. Was ist passiert, als Sommer dazu kam?", fragte er, um seinen Arsch ein wenig zu retten.
„Der war geschockt! Er hat gefragt, was Jakob da macht und Jakob hat ihm erklärt, dass ich Luisa angeblich vergewaltigt und sie mir irgendwie als Betthase warm gehalten hätte, weil ich ja wusste, dass sie auf mich stand. Totale Unverschämtheit! Sommer hat dann zu mir gehalten, was mich doch sehr stark verwundert hat und weil er mir helfen wollte, wurde er ebenfalls gefesselt. Tja und dann waren wir beide die Angeschmierten.", führte Boerne diese Szene zu Ende.

Da Thiel fand, dass man Boerne den Rest ersparen konnte, weil sie eh schon viel zu lange hier saßen, entschied er sich dazu, den Rest frei von der Leber weg zu erzählen, wie er es von den vorherigen Befragungen noch in Erinnerung hatte.
„Bitte ergänze mich, wenn ich etwas vergesse oder es nicht der Wahrheit entspricht."
Boerne nickte und wirkte augenblicklich ein wenig entspannter.
„Mitten in der Nacht, hat Jakob bereits massivst Gewalt ausgeübt und dich ausgeknockt. Als du Bewusstlos warst, hat er dich auf einen Stuhl gepackt und gefesselt. Da kommt dann das Bild ins Spiel."
„Was für ein Bild?", fragte Boerne doch Thiel schüttelte den Kopf, als Nadeshda es aus der Akte ziehen wollte.
„Das geht mich ja wohl auch etwas an.", beschwerte sich Boerne und griff unverfroren nach dem Foto, das ein paar Millimeter aus der Mappe ragte.
Fassungslos betrachtete er eine Weile das Foto und wie erwartet, begann seine Hand zu zittern und er wendete den Blick ab. Gerade als Thiel es ihm aus der Hand nehmen wollte, schüttelte Boerne ablehnend den Kopf und betrachtete es erneut.
„Das ist ja wohl wirklich eine Unverschämtheit vor dem Herrn. Habt ihr mal die Rechtschreibung gesehen? Nicht mal mein Name ist korrekt geschrieben. Also da hört sich doch wirklich alles auf!", schimpfte der Professor wie ein Rohrspatz.
„Man, natürlich haben wir das nicht geglaubt Boerne."
„Wirklich, Herr Professor. Der Chef hat gleich Ihre Unschuld beteuert und gesagt, dass das alles gestellt ist!", warf Nadeshda nach, weil Boerne ja doch etwas skeptisch dreingeblickt hatte.

****

„Bevor wir dann das Video bekommen haben, in welchem du.... in welchem zu sehen war, wie Jakob dich angeschossen hat, was ist da passiert? Warum war er so wütend?", fragte Thiel, da sie diesen Teil noch als Aussage von Boerne selbst brauchten.
„Ich weiß es nicht mehr genau. Habt ihr eine Ahnung was für Schmerzen ich hatte? Abgesehen davon war ich längst nicht mehr Herr meiner Sinne. Trink du mal so lange nichts.", erklärte Boerne angespannt und schloss danach seine Augen.
„Anfangs war immer die Rede davon, dass er mich gehen lässt, wenn ich zu geben, dass ich Luisa vergewaltigt habe und von meinem Amt zurück trete. Ich kann es einfach nicht mehr genau wiedergeben."
Tränen der Verzweiflung rannen erneut über seine Wangen, doch dieses Mal genierte er sich nicht, sondern sprach weiter:
„Ich habe alles getan, was er verlangte. Gut, er war nicht begeistert, weil ich so gestammelt habe, aber ich hatte doch einfach keine Kraft mehr."
Tränenunterlaufene Augen blickten in Thiels Gesicht.
„Ich hatte doch keine Kraft mehr und als er mich dann angeschossen hat, da wusste ich, dass ich es nicht überlebe. Alle Anzeichen sprachen dagegen und ich wusste genau, dass ich bald verbluten würde. Ich weiß nicht mal mehr, was ich alles gesagt habe. Ich war wie ferngesteuert."
„Boerne.", kam es mitfühlend von Thiel und zog ihn wieder in seinen Arm.
„Und der Rest?", fragte Nadeshda vorsichtig.
„Ich weiß es nicht. Ich war bewusstlos, vermute ich. Das nächste an dass ich mich erinnern kann... Er hat mich angeschrien, mir in die Eier getreten, wenn ich das Mal so salopp sagen darf und dann war da Thiel. Ab da ist alles schwarz."
Damit drückte Nadeshda erleichtert auf den Knopf des Tonbands.
„Danke, Herr Professor."

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt