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Bereits am nächsten Tag, hatte Boerne sich zumindest insofern erholt, dass er schon wieder die Ein oder Andere Volksrede schwingen konnte und das Krankenhauspersonal so ordentlich auf Trapp hielt.
Thiel beobachtete das ganze nur als stiller Beobachter und lachte sich insgeheim ins Fäustchen.

„Also wenn Sie so weiter machen, junge Dame, haben Sie meine letztes Körperteil auch noch malträtiert."
„Sie haben aber auch doofe Venen."
„Bitte?"
Empört und mit offenem Mund, blickte er die junge Schwester an und schüttelte kaum merkbar den Kopf.
„Ich muss schon sehr bitten. Was an meinen Venen soll hier Bitteschön doof sein?"
„Na ihre Rollvenen."
Während Boerne nach Luft schnappte, drückte die junge Frau einen Tupfer auf die zigste Stelle und Thiel prustete vor lachen.
Vermutlich hätte er sich früher für das Verhalten des Professors stellvertretend geschämt, doch das was er da zu sehen bekam, war ganz großes Kino.
„Rollvenen? Sie Belieben zu scherzen. Thiel? Thiel?"
„Ja?", gackerte der Kommissar und hielt sich den Bauch vor lachen.
„Kommen Sie... Komm du mal hier rüber."
„Ich?"
Okay? Etwas verwundert schlug Thiel die Bettdecke zurück und tapste auf Boerne zu.
Zielsicher packte er ihn am Ellenbogen und blickte die Pflegerin an.
„Das, meine Liebe, sind Rollvenen!"
Zur Unterstreichung seiner Worte, ließ er seinen Daumen über die Armbeuge gleiten, was Thiel einen Schauer über den Rücken jagte.
„Rollvenen? Woher weißt du denn bitte, dass ich Rollvenen hab?"
Thiel war mehr als verwirrt. Ob es tatsächlich nur an dem lag, was Boerne sagte oder ob die zarte Berührung schuld war, dass wusste Thiel leider auch nicht so genau.
„Na das sieht ja wohl selbst ein ungeschultes Auge. Außerdem kenne ich dich wie meine Westentasche, also frag nicht so dämlich."
Hääää? Was war denn mit dem los? So patzig kannte er seinen Nachbarn gar nicht.
Kopfschüttelnd zog der Blonde den Arm zurück und sah entschuldigend zu der jungen Frau, auf deren Namensschild Sarah stand.
„Ja, also, ähm..., so oft hab ich das halt noch nicht gemacht."
„Einmal mit Profis arbeiten!", seufzte Boerne und raufte sich mit der Hand durch sein Haar, während er sich zurück ins Kissen fallen ließ.
„Thiel? Du nimmst mir Blut ab!"
„Spinnst du?"
„Schlimmer wie sie", er deutete auf Sarah, „kannst selbst du nicht sein."
Kopfschüttelnd zeigte Thiel ihm den Vogel.
„Du hast ja 'ne Macke. Nee, nee, nee, das kannst du knicken!"
„Gut, dann mach ich's selbst! Sehen Sie zu und lernen sie was."
Boerne griff nach einem verpackten Butterfly, biss die Verpackung mit den Zähnen auf und hielt plötzlich inne.
„Sie können das nicht selbst machen, Herr Boerne."
„Herr Professor Boerne. So viel Zeit muss sein.", maßregelte er sie und sah etwas unbeholfen zu Thiel.
„Boerne jetzt spinn' nicht und lass das Mädel mal machen."
Verständnislos wurde Thiel beäugt, doch als der Kommissar die Hand auf Boernes Oberarm legte und diesen kurz drückte, zog der Professor eine missbilligende Schnute und seufzte.
„Periculum in mora.", murmelte Boerne und streckte nur sehr widerwillig seinen Arm hin.
„Und jetzt mach's noch mal. Konzentrier dich und zerstich nicht meinen Männe.", sprach Thiel der jungen Frau Mut zu, die mehr als nur eingeschüchtert war.

****

„Was haben Sie da vorhin eigentlich gemurmelt?", fragte Thiel und drückte dem Professor den Tupfer auf die Haut.
„Das Gefahr im Verzug liegt, was glauben Sie denn?"
Thiel musste lachen. Boerne war schon wirklich speziell, aber naja, das mochte er ja irgendwie an ihm.
„Sie wissen schon, dass ich Ihnen bis an mein Lebensende vorhalten werde, dass Sie sich von mir Blut abnehmen lassen wollten, weil Sie Angst vor einer zwanzigjährigen hatten.", meinte Thiel grinsend und erntete einen abfälligen Blick von Boerne.
„Wenn ich mir Ihre Leibesfülle so ansehe, Herr Thiel, kann das ja nicht mehr allzu lange dauern. Wissen Sie das Männer statistisch gesehen Mitte 50 größter Gefahr laufen, einen Herzinfarkt zu erleiden?"
„Das haben Sie erst ungefähr so 200 Mal erwähnt."
Während Thiel ihn eher mürrisch anblickte, hatte Boerne noch immer seinen Zeigefinger erhoben und plötzlich begannen seine Mundwinkel zu zucken. Lauthals lachten beide Männer los, Thiel ziemlich laut, Boerne eher prustend.
„Oh, man Boerne. Es wird Zeit, dass wir unser altes Leben zurück kriegen."
„Da haben Sie vollkommen recht Thiel."
Mit dem Pflaster, welches auf dem Nachttisch lag, fixierte Thiel nun den Tupfer und lächelte den Professor an.
„Danke Schwester Franka."
„Joa, musste Gustav ja versprechen, mich um mein Pussibärchen zu kümmern.", entgegnete Thiel, doch kaum hatte er es ausgesprochen, empfand er das schon wieder als Fehler.
„Meinen Sie, dass wir ihm vielleicht die Wahrheit sagen sollten?", fragte Boerne und blickte Thiel unsicher an.
Thiel war schon immer für Ehrlichkeit, Loyalität, Respekt und Aufrichtigkeit, doch die Bombe jetzt noch platzen zu lassen, sah er nicht wirklich als zielführende Option.
Wenn er ehrlich war, wollte er vielleicht auch gar nicht, dass sie ihre Lüge aufdeckten, denn inzwischen hatte er sich an die Showeinlagen gewöhnt und er genoss es, wenn Boerne ihn Frank oder Schatz nannte und noch mehr mochte er es, wenn Boerne seine Nähe suchte, auch wenn die nur gespielt war.
„Muss man unbedingt einen Streit vom Zaun brechen? Lassen Sie ihn doch in dem Glauben. Offensichtlich freut er sich ja drüber und ich glaub ja nicht, dass Gustav hier ewig bleibt. Die Zeit kriegen wir schon 'rum, Boerne."
Joa, das klang doch ganz gut, fand zumindest Thiel und auch von Boerne kam kein richtig negativer Einwand.
„Wenn Sie's so lange aushalten, meinen Partner zu spielen?!"
„Boerne Sie sind meine persönliche Landplage, seit ich in Münster bin und Partner sind wir doch eigentlich eh schon oder so ähnlich."
„Ja im weitesten Sinne haben Sie da wohl recht. Wenn ich Ihnen auch mal einen derartigen Gefallen tun kann, lassen Sie es mich wissen."
Thiel begann zu lachen, denn das klang mehr als absurd.
„Ach meinen Sie, falls ich mal eine Homoehe erfinden muss, um irgendwo gut dazustehen?", gackerte er.
„Aus ihren Mund klingt das moralisch sehr verwerflich. Na gut, ist es auch.", gluckste Boerne und so lachten sie beide, zusammen.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt