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Bevor sie zum eigentlichen Tathergang kamen, unterbrachen Sie die Vernehmung, da Boerne inzwischen ziemlich aufgekratzt wirkte.
„Ich geh mal 'nen Kaffee holen. Möchten Sie auch einen?", fragte Nadeshda in die Runde, doch beide Männer lehnten ab.

„Ich schwör's dir Frank, ich hatte mit dem Mädchen nichts!"
„Das weiß ich doch. Du weißt, dass wir das hier alles fürs Protokoll brauchen.", beschwichtige Thiel und versuchte Boerne ein Lächeln zuzuwerfen.
„Ich hätte lieber gleich auf das Angebot ihres werten Herrn Vaters zurückgreifen sollen.", meinte Boerne und begann ein wenig zu Grinsen.
„Wir können ja die Klemm fragen, ob sie dir eine Zigarette abritt!"
„Nix da! Hier rauchen nur ich und Thiels Kopf!", drang die Stimme in den Raum und mit ihr auch die Frau Staatsanwalt selbst.
„Sie schlagen sich wacker, Boerne!"
Anerkennend nickte sie ihm zu.
„Ich würde vorschlagen, dass wir uns jetzt auf's wesentliche konzentrieren und langsam zur Sache kommen."
„Wie meinen?", fragte Boerne und setzte sich seine Brille wieder auf die Nase.
„Jetzt haben Sie Zeit und Raum, den gesamten Tathergang zu erläutern und ich bitte Sie Thiel, dass Sie ihn nur unterbrechen, wenn es relevanten Fragen gibt. Bekommen Sie das hin, Herr Professor?"
Boerne nickte und atmete tief durch.
„Und bitte fangen Sie bei Adam und Eva an.", warf die Klemm noch nach und trat wieder aus dem Zimmer.
„Ich weiß nicht ob ich das kann, Frank. Ich....", Boerne schluckte und senkte seinen Blick.
„Ich glaub dir, dass es hart für dich ist, aber vielleicht hilft es dir, wenn du darüber sprichst. Du hast seit Tagen Alpträume und vielleicht kannst du's so ja ein büschen aufarbeiten.", versuchte Thiel ihm Mut zuzusprechen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich glaube du hast recht."
„Und wenn was ist,... Ich bin da."
Obwohl es vielleicht eher unpassend war und sie nicht wirklich alleine, griff Thiel über den Tisch und legte seine Hand auf die des Professors und drückte sie kurz.
„Du schaffst das!"

****

Nachdem Boerne erläutert hatte, wie es zu der Nachhilfestunde gekommen war und wie es dazu kam, dass er und Luisa sich bei ihm zu Hause verabredet hatten, wurde auch Thiel immer nervöser. Einerseits, weil er endlich erfahren würde, was seinem Nachbarn alles widerfahren war und andererseits, weil er wusste wie schwer Boerne die Sache hier fiel und er nicht wirklich bereit war, darüber zu sprechen.

Wieder warf Thiel Boerne einen 'Du kannst das, ich glaub an dich' Blick zu und der Professor nickte ihm kaum merklich zu.

Mit fahrigen Händen griff Boerne nach seinem Glas und trank einen großen Schluck Wasser, um sich für die nächsten Minuten zu wappnen.
Niemand drängte ihn und die Kommissare ließen ihm die nötige Zeit, die er brauchte, bevor er das Wort erhob.

****

„Luisa kam relativ pünktlich gegen 14:30 Uhr zu mir. Natürlich hatte ich vorher schon sehr früh Feierabend gemacht und alle nötigen Unterlagen, Bücher und diverse andere Nebensächlichkeiten vorbereitet, um die Nachhilfestunde so reibungslos wie nur möglich zu gestalten. Zu Beginn haben wir uns einen Augenblick über ihre letzte Facharbeiter unterhalten und ich habe ihr veranschaulichst unterbreitet, was da so alles schief gelaufen war. Im Grunde war eigentlich alles schief gelaufen, was nur hatte schief laufen können. Auf mich hatte es den Eindruck gemacht, als hätte sie sich mitnichten auf diese vorbereitet, dabei nahm sie an allen meinen Vorlesungen und hatte auch nie in meinen Kursen gefehlt. Sie schien dennoch reumütig gewesen zu sein und hatte mir mehrfach versichert, dass sie sich bessern wollte und es ihr wichtig war, die nächste Facharbeit nicht ebenfalls zu verpatzen, weshalb wir dann zum Eigentlichen übergegangen sind und wir den gesamten Stoff über Pathobiologie und Pathophysiologie der Elektroschäden durchgekaut haben."
Boerne seufzte, als er daran dachte, wie nervig das für ihn gewesen war. Immerhin hatte er doch kurz zuvor erst darüber referiert und Luisa war ja schließlich auch da gewesen.
Kurz blickte er zu Thiel, nur zum festzustellen, dass der ihn genauestens betrachtete.
Was der wohl gerade dachte? Glaubte er ihm wirklich, dass er nichts mit ihr hatte? Man, so von der anderen Seite aus betrachtet, wirkte der Kommissar wirklich kompetent und undurchsichtig. Guter Polizist, sehr beachtenswert, dachte Boerne und blickte dann auf sein leeres Glas.
Thiel hatte das wohl als Aufforderung gesehen und ehe sich Boerne versah, hatte der Kommissar sein Glas gefüllt, was er als sehr zuvorkommend empfand.
Dankend nickte er ihm zu und trank einen großzügigen Schluck, um gegen seine trockene Kehle anzukämpfen.
„Wie Sie beide wissen, trinke ich sehr gerne das ein oder andere Glas Wein und eben dieses habe ich mir an diesem frühen Abend ebenfalls gegönnt. Als ich einen Augenblick mein Wohnzimmer verlassen hatte, um auszutreten,..." Boerne musste jetzt selbst kurz über seine geschwollene Ausdrucksweise grinsen, ebenso Thiel und Nadeshda „... da muss Sie mir dann diesen Fusel in den Wein gekippt haben. Ich hatte keine Ahnung was es genau war, aber mit gängigen K.o-Tropfen hatte das wahrlich wenig zu tun. In der Regel sind diese nämlich Geruchs- und Geschmacksneutral, dieses aber hatte schon merkwürdig gerochen, als ich das Glas nur in die Hand nahm. Das Luisa sich dann kurz darauf ins Badezimmer verabschiedet hatte, nutzte ich zur Gelegenheit, um mich dem Inhalt meines Glases zu widmen. Meine geschulte Nase sowie mein überragender Menschenverstand, erkannten natürlich sofort dass sie beabsichtigte mich Schachmatt zu setzen. Eigentlich hätte ich den Braten gleich riechen müssen, als sie mich überhaupt um Nachhilfe gebeten hatte. Da hätten sich schon meine Öhrchen aufstellen müssen, aber so etwas hätte ich ihr ehrlich gesagt gar nicht zugetraut. Natürlich habe ich nichts davon getrunken, wollte aber so tun als ob, um herauszufinden, was ihre Absicht dahinter war. Ich bin ja davon ausgegangen, dass Sie sich an meinen Unterlagen zu schaffen machen wollte, doch da sollte ich mich gehörig getäuscht haben. Im Nachhinein betrachtet, wäre dass auch ziemlich einfallslos, denn wenn sie mich darum gebeten hätte, hätte ich ihr diese Sammlung auch so zukommen lassen können."
Boerne legte eine weitere Pause ein, um sich zu vergewissern, dass er nicht dabei war den Faden zu verlieren oder unnötiges von sich zu geben.
Nadeshda und Thiel nickten ihm aber zu und da wusste Boerne, dass sie mit seiner Darstellung zufrieden waren.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt