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„Warum ham' Se' eigentlich mich als Ihren Ehemann auserkoren? Waren die Nutten aus?", fragte Thiel eine Weile später.
„Ich muss schon sehr bitten. Als würde ich in solch einem Milieu verkehren. Das ist vielleicht in Hamburg und ihren Kreisen so Brauch, aber nicht bei unsereins."
Scheinbar wer Boerne beleidigt, denn der verschränkte seine Arme vor der Brust und sagte einfach nichts mehr.
Eigentlich nicht das Schlechteste, wenn der Professor mal sprachlos war, aber da Thiel nicht streiten wollte und eine Antwort auf seine Frage wollte, blieb ihm nichts anders übrig, als die Gesprächsführung zu übernehmen.
„Das war doch nur ein Witz. Sagen Se' doch mal. Ich meine, ich wäre nicht meine erste Wahl."
Thiel musste selbst lachen, denn er kannte ja sich, sein Gehabe und seine Marotten und wusste, dass er alles andere als ein Vorzeigemensch war.
„Na was denken Sie denn Thiel? Natürlich habe ich mich für Sie entschieden, weil sie mein bester Freund sind. Außerdem wohnen wir im gleichen Haus und ich kenne Sie aus dem Effeff. Was glauben Sie, wie viel Zeit das gekostet hätte, bis ich jemand entsprechendes gefunden hätte? Sie waren perfekt dafür."
„Ach und dass haben Sie sich reiflich überlegt oder was?"
Das war ja schon wirklich komisch. Natürlich verstand er Boerne und er hatte ja auch nicht unrecht, aber warum hatte er nicht Alberich gefragt? Die hätte ihm den Gefallen bestimmt ebenso getan.
„Nein, eigentlich war es aus der Situation heraus. Gustav fragte mich, ich habe unser Bild gesehen und da habe ich ihm halt erzählt, dass Sie und ich.... Und bevor Sie jetzt wieder beleidigt sind, weil Sie den Eindruck haben könnten, dass sie nur der Notnagel waren, waren Sie nicht, da kann ich Sie direkt beruhigen. Am Anfang hatte ich Gustav nur von einem Mann erzählt. Erst nach unserem nächsten Telefonat habe ich ihm die genauere Faktenlage geschildert und für mich stand außer Frage, dass Sie mein Partner sein sollen. Außerdem wollte Gustav ein Bild sehen und woher hätte ich denn eins zaubern sollen?"
Thiel musste über Boernes Erzählung herzlich lachen. Gerne wäre er da Mäuschen gewesen.
„Und warum musste es unbedingt ein Mann sein?"
„Was für eine dämliche Frage, Thiel. Gustav steht auf Männer und was wäre da noch schöner, als wenn der Neffe die selben Vorlieben teilt? Ich dachte damit könnte ich volle Punktlandung erzielen."
Frustriert seufzte Boerne und ließ den Kopf hängen.
„Und jetzt habe ich Sie in mein Netz aus Lügen verwickelt, obwohl es Ihnen überhaupt nicht recht war. - Und für was? Das Gustav sein Haus einer Organisation vermacht. Püh."

****

Eine ganze Weile hörte sich Thiel das selbstmitleidige Gejammer von Boerne an.
Natürlich hatte Boerne mal wieder recht, denn im Prinzip war echt alles für die Katz' gewesen, aber auf der anderen Seite hatte es schließlich auch den positiven Nebeneffekt gehabt, dass Boerne und er enger zusammengewachsen waren.
„...und wenn Sie heute sagen würden, dass Sie die Nase voll von mir und den ganzen Märchen hätten, würde ich natürlich die Hosen runterlassen und es meiner Familie sagen."
Blöd, Thiel hätte besser aufpassen sollen, was Boerne da so alles erzählt hatte, doch das was er hörte, dass reichte ihm, um eine Antwort zu formen.
„Wir haben das Projekt Ehe zusammen begonnen und wir bringen es auch gemeinsam zu Ende. Nix wird hier zugegeben."
Aber die Hose könntest du auch vor mir, statt vor deiner Familie runterlassen, dachte Thiel und wurde augenblicklich rot.
Allmählich verschwand das mürrische Gesicht und Boerne begann ehrlich zu Lächeln.
„Danke Thiel."
„Da nicht für. Sehen wir es positiv. Wer bekommt schon über Nacht unerwartet einen Ehemann?", fragte Thiel lachend uns war froh, dass Boerne wohl entgangen war, wie verlegen er war.
„Noch dazu so einen gut aussehenden wie mich.", fügte Boerne selbstgefällig an.
„Jetzt werden Se' mal nicht noch eingebildeter, als Sie's eh schon sind."

****

„Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich jemals nochmal heiraten werde. Eigentlich reicht mir eine verkorkste Ehe vollkommen aus."
„Wem sagen Sie das, Thiel? Keine Ahnung wo meine Werte Frau Ex steckt, aber hoffentlich hat ihr Therapeut sie genauso beschissen, wie sie mich damals."
Das stellte Thiel sich schon hart vor. Er und Susanne hatten sich ja auch getrennt, weil einige unschöne Dinge vorgefallen waren, aber dass Boernes Exfrau ihn mit ihrem Therapeuten beschissen hatte, dass fand er schon sehr frech.

„Vielleicht läuft unsere Ehe..." Boerne setzte mit der Hand ein paar Gänsefüßchen in die Luft „deshalb so gut, weil wir den ganzen nervigen Kennenlernprozess, die Dates und das ganze Drumherum nicht ertragen mussten."
„Dafür hatten wir das auf unsere ganz eigene Art und Weise Boerne. Ob dass nu' besser war, wag ich zu bezweifeln."
„Sagen Sie bloß, Sie hätten gerne ein Date gehabt, bevor wir uns das vermeintliche Ja-Wort gegeben haben."
Boerne blickte überrascht zum Kommissar.
„Ja eigentlich stehe ich auch nicht so auf den ganzen Firlefanz, aber gegen ein romantisches Date, hätte ich nichts einzuwenden gehabt."
Oh-oh. Hatte er das jetzt gerade wirklich laut gesagt? Thiel biss sich auf die Zunge, doch eigentlich war es lächerlich, denn ausgesprochen hatte er es ja ohnehin schon längst.
„Sie wissen doch gar nicht, wie man Romantik schreibt!"
„Ham' Sie eine Ahnung Boerne. Da kennen Se' mich aber schlecht."
Klar war Thiel von außen eher rustikal und wirkte auch immer so mürrisch und reserviert, doch wenn er wollte, konnte er schon auch eine romantische Ader haben.
„Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie bei Ihnen so ein Date aussehen würde. Zuerst holen Sie die Herzdame mit ihrem alten Drahtesel ab, nein, Sie kommen gemeinsam mit Ihrem werten Herrn Vater samt Taxi und fahren dann zur nächsten Frittenbude. Dort gibt es dann Currywurst mit Pommes, dazu zwei Dosen Bier und als Absacker einen Kümmerling, der den verdorbenen Magen wieder richten soll. Nachdem Sie sich dann Überfressen haben, fahren Sie mit Ihrer Grande Dame zum Heimspiel von St. Pauli und begießen danach die Niederlage mit einem weiteren Bier."
Boerne begann dreckig zu lachen und putze sich anschließend amüsiert die Brille.
„Sie ham' ja wohl ne Meise! Ich werd's Ihnen schon beweisen, dass ich mehr auf Lager habe, als Sie es vermuten. Die Wahrheit ist nämlich, dass Sie meine romantische Seite gar nicht kennen, Boerne. So sieht's nämlich aus!"
„Ich lass mich sehr gerne vom Gegenteil überzeugen."

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt