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Thiel deutete ihr anhand einer Geste an, dass Boerne gereiert hatte, weshalb sie verstehend nickte und um die Ecke linste.
„Hallo Chef."
Sie erhob die Hand zum Gruß und lächelte ihn an.
„Alberich?!"
Boerne sah wirklich perplex aus. Irgendwie konnte Thiel seinen Blick nicht deuten und wusste daher auch nicht, ob der Professor sich jetzt freute oder am liebsten im Erdboden versinken wollte.
„Sie schickt der Himmel."

Da Boerne noch immer oben ohne da lag, packte Haller schließlich die Bettdecke und zog diese ohne mit der Wimper zu zucken ab. Thiel hingegen, half Boerne in sein T-Shirt, was aber nicht wirklich funktionieren wollte.
„Wie geht denn das Scheißding auf?", maulte er und zog an dem Klettverschluss.
Gemeinsam mit Haller, hatte er es dann geschafft und führte zu erst den verletzten arm durch das T-Shirt. Während sich Haller wieder der Bettdecke zuwandt', half Thiel Boerne endgültig ins Shirt und obwohl er nicht wusste, wie, hatte er es tatsächlich geschafft, dass die Schlinge oder wie man dazu auch immer sagte, denn dass wusste Thiel wahrhaftig nicht, wieder an Ort und Stelle war.
„So Chef."
Haller kam mit der Decke auf ihn zu und Boerne begann zu Grinsen.
„Eine fliegende Decke, die sprechen kann. Da können wir ja von Glück reden, dass Sie sich nicht selbst damit eingewickelt haben."
Thiel musste auf Grund der Aussage von Boerne lachen, den Haller sah wirklich aus, als wäre sie das kleine Gespenst.

Nachdem wieder alles so war, wie es sich gehörte, legte sich Thiel zurück auf sein Bett, während Haller sich auf den Bettrand setzte und ihren Chef anlächelte.
„Sie haben mir gefehlt, Chef."
„Na das möchte ich doch hoffen, dass meiner Einer im Institut an allen Ecken und Enden fehlt."
Da war er wieder. Arrogant und selbstgefällig, einfach er selbst.
„Sie haben mir auch gefehlt, Alberich."
Da guckte Thiel dann aber schon doof aus der Wäsche, als Boerne die kleine Frau an sich zog und fest umarmte.
„Ich hatte große Angst um sie."
„Naja, bei ihrer zwergenhaften Körpermaßen, kann die Sorge ja nun nicht all zu groß gewesen sein.", entgegnete Boerne frech und Haller schlug ihm mit der Hand auf die Brust.
„Frechdachs!"

Thiel genoss das kleine Schauspiel und die darauffolgenden Schlagabtausche, doch irgendwie stimmten sie ihn auch etwas missmutig.
Gefühlt konnten oder durften dem Professor alle nahe sein, ihn umarmen und mit ihm fast schon liebevolle Worte austauschen. Naja, so liebevoll Boerne halt in seiner Ironie sein konnte.
Hätte Thiel das auch tun sollen? Einfach das tun, was sein Herz ihm gesagt hatte? Boerne einfach mal in den Arm nehmen und ihm zeigen, dass er froh war? Ihm vielleicht sogar sagen, dass er durch die Hölle gegangen war?
Warum störte ihn das überhaupt so extrem? Zuvor hatten sie doch auch nie ein so inniges Verhältnis und schon gar keines, was Umarmungen oder andere liebevolle Gesten beinhaltet hätte.

Während sich die andren beiden unterhielten, was im forensischen Institut los war, rollte sich Thiel auf die andere Seite und schloss seine Augen.
Wie dumm war er denn gewesen, dass er Boerne die SMS aus jener Nacht schon jetzt präsentiert hatte? Ihm hätte doch wirklich klar sein müssen, dass es noch viel zu früh war und der Andere noch längst nicht in seine alte Form zurück gefunden hatte.
Sauer war er, auf sich selbst und in Kombination mit schlechtem Gewissen, fraß es Thiel beinahe auf.
Dumm, so dumm, fast schon empathielos.
Wie konnte er nur?

„Wie wollen Sie Ihrem angeblichen Ehemann eigentlich jemals würdig danken?", hörte er Haller leise fragen. Vermutlich dachten Boerne und sie, dass Thiel eingeschlafen war.
„Wie meinen? - Und woher wissen Sie das mit dem Ehemann?", erklang Boernes entsetzte Stimme.
„Weil Sie's mir erzählt haben? Damals? Außerdem bin ich ja nicht blöd."
„Natürlich sind Sie nicht blöd, sonst hätte ich Sie wohl kaum zu meiner Assistentin ernannt oder?"
Thiel musste kurz Grinsen. Er hatte Alberich also damals schon eingeweiht.
Ah- und deshalb hatte sie ihn also seither immer so süffisant angeguckt.
„Und natürlich steht es außer Frage, dass ich meine werten Herrn Nachbarn dankbar bin. Er hat mich aus dem Keller gerettet und kümmert sich um mich. Zugegebenermaßen manchmal mehr schlecht als recht, aber ich kenne niemanden, der das sonst für mich tun würden."
Und das war wieder so typisch Boerne. Der war der Einzige, den Thiel kannte, der es schaffte Komplimente und Beleidigungen geschickt in seinem Satz zu verpacken, so dass man gar nicht wusste, ob man nun stolz oder wütend sein sollte.
Thiel hatte sich in all den Jahren angewöhnt, die zweiter Option zu wählen und motzte deshalb die meiste Zeit nur herum, wenn Boerne so etwas vom Stapel ließ und schlecht gefahren, war er damit ja auch noch nie so wirklich.
„Alberich? Meinen Sie, sie könnten mal Ihren Charme spielen lassen und herausfinden, welch großzügiger Mensch mir seine Niere zur Verfügung gestellt hat? Ich möchte mich schließlich standesgemäß bedanken."
Thiel riss erschrocken die Augen auf. Verdammt, darüber hatten sie ja auch noch nicht gesprochen gehabt. So was blödes aber auch, warum musste der Kommissar auch immer alles aufschieben? Okay, eigentlich wollte er nicht, dass es bei Boerne so wirken könnte, als wollte Thiel irgendwas damit bezwecken oder so. Der Kommissar merkte selbst, dass seine Gedanken total unlogisch und überhaupt keinen Sinn ergaben, weshalb er aufhören wollte, überhaupt so komisches Zeug zu denken.
„Dazu werden Sie noch ausreichend Gelegenheit haben, Chef."
„Sie machen Witze. Wie soll das denn bitte gehen, wenn ich nicht mal weiß, wer hier sein Organ geopfert....."
Boerne sprach den Satz nicht zu Ende und es entstand eine lange Pause. Leider wusste Thiel nicht warum, denn er lag ja immer noch mit dem Rücken zugewandt zu den anderen.
„Nein, nicht Thiel?", hörte er ihn fragen und man konnte genau hören, wie fassungslos Boerne gerade sein musste. Umdrehen brauchte sich der Kommissar auch gar nicht, denn er kannte Boerne viel zu gut, um zu wissen, welchen Gesichtsausdruck der gerade aufgelegt hatte.

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt