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„Wie war denn Ihr Verhältnis zum Toten, also vor der Tat?"
„Gut, familiär kann man sagen. Ich kenne Jakob noch als keinen Lausbub. Elke und ich fanden ja immer, dass er der Richtige für Luisa gewesen wäre. Sie hat das aber gar nicht in Betracht gezogen, sondern ihren ganzen Fokus auf den Professor gelegt. Uns war das wirklich schleierhaft. Jakob hat sich immer um Luisa bemüht und wir dachten wirklich, dass aus den beiden irgendwann doch noch ein Paar werden könnte."
Thiel begann zu nicken.
„Wussten Sie, dass Jakob in Luisa verliebt war?"
„Ja, darüber hatte er des Öfteren mit mir gesprochen. Ich hab ihm immer gut zugeredet, wissen Sie!?! Ich konnte ja nicht ahnen, was für ein kranker Typ aus ihm geworden ist."
Das fand Thiel schon irgendwie merkwürdig. Warum meinten Eltern aber auch immer besser, als man selbst zu wissen, wer für einen gut war und wer nicht?
Vaddern hatte da ja auch so ein verborgenes Talent, was dieses Thema anbelangte.

„Luisa hat uns erzählt, dass sie Angst vor ihnen hatte. Sie meinte, dass Sie ihr unterstellt hatten, dass sie es mit jedem trieb und keinen Gedanken an die Uni verschwenden würde. Luisa hat auch ausgesagt, dass Sie tierisch wütend waren und behaupteten, dass Boerne das alles nur tat, um sie eben unter der Fuchtel zu haben und sie vermutlich viel besser wäre, als er es immer bewertete.", faste Nadeshda das Wesentliche nochmal zusammen.
„Ja und dann, als sie mir erzählt hat, dass sogar K.o-Tropfen im Spiel waren, sind mir halt die Sicherungen durchgebrannt. Mit Luisa war ein normales Gespräch ohnehin nicht mehr möglich.", gestand Sommer ein und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
„Und dann sind Se' zu Boerne gefahren, um ihn zur Rede zu stellen.", fuhr Thiel fort und verschränkte die Arme vor der Brust.

Einige Momente herrschte Stille und Sommer nippte an seiner Tasse Tee.
Jetzt würde es mit Sicherheit interessant werden. Es wurde aber auch wirklich höchste Zeit, dass die Kommissare endlich erfuhren, was sich an jenem Abend abgespielt hatte.

„Ich hab bei ihm geklingelt und der Professor war wirklich verwundert, als ich vor seiner Tür stand. Er meinte dann was von wegen, ob ich jetzt kommen würde, um mich für Luisa zu entschuldigen... - da habe ich mich nicht mehr beherrschen können und habe ihm eine auf die Zwölf gegeben.", begann Sommer endlich zu erzählen.
„Sie haben ihm einfach eine gescheuert?", hakte Nadeshda nach.
„Ja, ich hab ihm eine aufs Auge gegeben, man,  ich war einfach so sauer.", verteidigte er sich.
„Ja und dann?", fragte Thiel ungeduldig.
„Nun wird's bald?", motzte er und schlug mit der Hand auf den Tisch.
Musste man denn wirklich allen, alles aus der Nase ziehen?
„Herr Boerne war natürlich total perplex und außer sich, aber das hat mich nicht daran gehindert in seine Wohnung zu gehen. Wir haben uns gestritten, ziemlich laut sogar. Klar, er hat sich verteidigt und wir haben ein wenig gerangelt, aber irgendwann musste ich einsehen, dass Boerne etwas mehr Kraft in den Armen hatte. Ich hab ihn angeschrien und mit den Vorwürfen konfrontiert, aber der, der hat alle Anschuldigungen von sich gewiesen und mich gefragt, ob ich überhaupt eine Ahnung hätte, was wir da für ein Früchten groß gezogen haben. Da hat der mich dann einfach stehen gelassen und ist in seine Küche marschiert, um sich Eis auf sein Auge zu legen. Ich bin dem dann natürlich nach und hab ihn weiter zusammen geschissen und ihm angedroht, dass wir zur Polizei gehen werden und ihn anzeigen."
Thiel blickte zu seiner Kollegin, die ebenfalls ein erstauntes Gesicht machte.

Boerne und sich prügeln? Der hatte wirklich mehr Kraft als der Sommer? Das konnte Thiel sich ja irgendwie überhaupt nicht vorstellen. Sicher war Boerne groß und auch nicht schlaksig, aber dass er die Kraft hatte, den kräftigen Sommer in Schach zu halten, fand Thiel dann schon erstaunlich

~Flashback Sommer~

„Sie wollen zur Polizei? Na dann warten Sie doch gerne noch einen Augenblick, bis mein Nachbar, Hauptkommissar Thiel nach Hause kommt, dann können wir das ganze gerne direkt klären.", meinte der Professor völlig ruhig, so als hatte der wirklich nichts zu befürchten.
„Sie glauben ja wohl nicht im Ernst, dass diese Lügengeschichten den Tatsachen entsprechen, Herr Sommer?!"
„Warum sollte meine Tochter lügen?", fragte Heiko und war schon jetzt gespannt, was Boerne ihm für einen Bären aufbinden würde.
„Mitnichten habe ich Luisa auch nur einmal angefasst. Sie sollten lieber mal ihr wertes Fräulein Tochter fragen, was sie sich hier für einen Schnitzer geleistet hat, bevor Sie meinen hart erarbeiteten Ruf in den Dreck ziehen. Ihnen als Anwalt muss ich wohl nicht erklären, welche Strafen einem bei falscher Verdächtigung, Verleumdung, Rufmord, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und versuchter Körperverletzung auferlegt werden können."
Heiko Sommer war baff. Von was in aller Welt redete der aufgebrachte Pathologe denn da?
„Wie meinen Sie das?", fragte er deshalb und zog eine Augenbraue nach oben.
„Ich schlage vor, dass ich Ihnen ein Glas Wasser anbiete und dann werde ich Sie gerne darüber unterrichten, was das Fräulein Sommer hier mit mir getrieben hat oder sollte ich besser sagen, nicht getrieben hat?!"
Sommer hielt das zwar für keine gute Idee, denn sein Zorn gegenüber dem Professor war noch immer nicht abgeklungen, aber interessiert hatte es ihn schon, was der Mittvierziger zu seiner Verteidigung zu sagen hatte.
Professor Boerne stellte ihm ein Glas Wasser bereit und sie setzten sich an den Esstisch.
„Sehen Sie das Rotweinglas auf der Anrichte?"
Boerne erhob sich und hielt Sommer das Glas anschließend unter die Nase.
„Haloperidol und irgendein anderes komisches Gebräu. Das hat Ihre feine Tochter in mein Glas gekippt. Also wenn man jemanden aus dem Weg räumen möchte, dann sollte man sich vorher schon vergewissern, dass man auch etwas Geruchsneutrales verwendet. Ich vermute ja, dass sie sich in der Universität selbst etwas zusammen gebraut hat, aber dass werde ich noch herausfinden."
Sommer war entsetzt. Seine Tochter würde so etwas doch niemals tun. Oder?
„Wollen Sie mir sagen, dass meine Tochter Ihnen versucht hat K.o-Tropfen unterzujubeln?", hakte er deshalb nach.
„Wie auch immer sie dieses schlecht, konstruierte Gebräu nennen wollen, aber richtig erkannt Herr Sommer. Ich bin natürlich auch nicht von gestern und habe dem Spiel dann ein wenig beigepflichtet. Ich wollte zugegebenermaßen schon gerne in Erfahrung bringen, weshalb mich Luisa unbedingt betäuben wollte."

~Flashback Ende~

Im Rausch der VergeltungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt